Streit über »Fake News«
Von Hansgeorg Hermann
Der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, hält die traditionelle Neujahrsansprache am 31. Dezember 2017
Foto: Jean-Paul Pelissier/REUTERS
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Das Stichwort heißt »Fake News« und ist eines der Lieblingsworte des US-amerikanischen Präsidenten und professionellen Lügners Donald Trump. Auch in der europäischen Politik geht es nicht immer nur um die Wahrheit, sondern bisweilen um die Verleumdung des politischen Gegners. Schmutzige Wahlkämpfe sind längst zur Regel geworden. Das französische Parlament will die gröbsten Verfehlungen künftig mit einem Gesetz gegen die Verbreitung falscher Informationen unter Strafe stellen. In den letzten drei Monaten vor der Wahl eines Staatschefs oder der Nationalversammlung soll die Atmosphäre abgekühlt und so zurück zu einer fairen Auseinandersetzung zwischen Parteien und ihren Anhängern gefunden werden.
Betroffen sind nicht nur Journalisten, Blogger und Straßenredner, sondern auch Politiker selbst. Der vorliegende Gesetzentwurf, den die Parlamentsmehrheit im Oktober in zweiter Lesung verabschiedet hat, wendet sich gegen »die Manipulation der Information« – ein unkonkret gefasster Begriff, wie Gegner des Gesetzes anmerkten, der staatlicher Zensur von Nachrichten und Kommentaren die Tür weit öffne. Für die damalige Kultus- und Medienministerin, die inzwischen wieder in ihren alten Beruf zurückgekehrte Verlegerin Françoise Nyssen, war es darum »angesichts der vielen und zunehmenden Manipulationsversuche Zeit zu handeln«. Die absolute Mehrheit ihrer Partei »La République en marche« (LREM) und auch Präsident Emmanuel Macron waren mit ihr einer Meinung.
Die Opposition, zu der sowohl die rechtskonservativen »Les Républicains« des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy als auch der sozialistisch-kommunistische Block mit seinem Wortführer Jean-Luc Mélenchon gehören, ist hingegen nicht überzeugt. Das Gesetz, sagen Mélenchons Leute, rieche nach Zensur.
Worum geht es? Ein Präsidentschaftskandidat oder eine Partei soll sich künftig einen »Fachrichter«, der sich in der Welt der Medien und Pressebüros auskennt, bestellen dürfen. Er soll kraft seines Amtes das Verbreiten »falscher Informationen« verhindern oder abstellen. Ein Gesetz, das nach dem Willen der LREM-Deputierten und des Staatschefs jeweils drei Monate vor der Wahl in Kraft treten müsste.
Um sein Eingreifen zu rechtfertigen, müssen die Verleumdeten und der Richter nachweisen, dass eine »Information nachweislich falsch sowie absichtlich, sehr stark und auf unnatürliche Weise« verbreitet wurde oder werden soll. Ein Schlag vor allem gegen die Hetzer im Internet und in den sogenannten sozialen Netzen, wie Nyssen betonte. Umgesetzt werden soll das Gesetz also für Facebook, Twitter und ähnliche Plattformen, was dann nicht nur den US-Präsidenten Trump träfe, sollte er in Frankreich Ferien machen und dort auf Twitter lügen wollen, sondern in erster Linie das Fußvolk der politischen Parteien und deren Führer sowie die angeschlossenen Fernsehanstalten, Tageszeitungen und politischen Magazine.
Politische Opposition und Journalisten mokieren sich derweil über ein »absolut nicht praktikables Gesetz«, das nicht effektiv sein könne und sich im Grunde genommen zu einer »Gefahr für die Meinungs- und Pressefreiheit« auswachsen werde. Die Definition einer »falschen Information« sei im Gesetzesentwurf weder für den Kläger noch für den zuständigen Richter ausreichend geklärt und in der Eile eines Wahlkampfs mit im Minutentakt wechselnden, oft gegensätzlichen Nachrichten nicht nachzuvollziehen. »Gute Vorsätze machen nicht unbedingt gute Gesetze«, sagte die sozialistische Abgeordnete Marietta Karamanli, die beste Lösung sei immer noch die »Mobilisierung der freien Presse«. Auch Jean-Luc Mélenchon will das Gesetz nicht. Er hält es für unnötig und sogar gefährlich. »Das von der Regierung problematisierte Thema existiert nicht«, kritisierte Mélenchon, denn die Verfolgung potentieller oder wirklicher Lügner sei bereits »im französischen Pressegesetz von 1881 geregelt«.
»Die eigentliche Schutzmauer gegen bewusste Falschinformationen und die Manipulation von Nachrichten bleiben die Journalisten und die Medien selbst«, gab auch Françoise Nyssen zu. Ihr Nachfolger Franck Riester und die LREM-Abgeordneten wollen mit dem Gesetz eine noch zu bildende und künftig für Pressefragen zuständige »Ethikkommission« schaffen; für den Posten des Präsidenten der Kommission steht offenbar der ehemalige Chef der französischen Presseagentur AFP, Emmanuel Hoog, bereit. Eine Idee, die ursprünglich Mélenchon ins Gespräch brachte, der sich inzwischen aber fragt, »ob dieser Ethikrat das Gesetz begraben oder ihm dienen wird«.
Der Entwurf ist zwar durch die ersten beiden Lesungen gerutscht, wurde aber von der zweiten parlamentarischen Kammer, dem Senat, rundweg abgelehnt. Auch im Schlichtungsausschuss gab es keine Einigung, was die Gesetzesvorlage erneut in den Senat und schließlich zu einer dritten Lesung in die Assemblée nationale bringen wird.
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