Samstag, 21. September 2019

Big Data bei der Polizei: Hessen sucht mit Palantir-Software nach Gefährdern


Kontrollverluste. Interventionen gegen ÜberwachungHessen läutet eine grundlegende Veränderung der Polizeiarbeit in Deutschland ein: Eine Software von Palantir verknüpft Datenbestände neu, wertet sie aus und soll etwa sogenannte Gefährder identifizieren. Dies ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern dürfte weitreichende Folgen haben, schreibt der Kriminologe Tobias Singelnstein im Grundrechte-Report 2019. (…) In der jüngeren Vergangenheit hat nicht nur die Masse gespeicherter Daten kontinuierlich und massiv zugenommen. Parallel dazu sind auch die technischen Möglichkeiten entwickelt und verfeinert worden, um solche Datenbestände nutzen zu können. Infolgedessen sind in zunehmendem Maße auch Polizeibehörden bemüht, Formen der Massendatenauswertung für ihre Arbeit fruchtbar zu machen. Die hessische Polizei setzt zu diesem Zweck »Hessen-Data« ein, wobei zunächst der Bereich des islamistisch motivierten Terrorismus im Zentrum steht; schwere und organisierte Kriminalität sollen hinzukommen. Die neue schwarz-grüne Landesregierung plant bereits die Ausweitung auf Ermittlungen zu Kindesentführungen und Kindesmissbrauch. Die StaatsschützerInnen der sieben hessischen Polizeipräsidien sowie des Landeskriminalamts, die an der Software geschult wurden, sollen auf diese Weise leichter Bedrohungslagen erkennen und sogenannte Gefährder identifizieren können. Die Aufgabe der Software besteht dabei nicht darin, neue Daten zu erheben. Vielmehr führt sie bislang unverknüpfte Datenbestände der Polizei zusammen und wertet sie aus. Zu polizeiinternen Informationen über Kriminalfälle und Fahndungen kommen Verbindungsdaten aus der Telefonüberwachung, Inhalte ausgelesener Mobiltelefone, E-Mails, Social-Media-Daten und anderes mehr. Auf diese Weise kann »Hessen-Data« zum Beispiel Zusammenhänge zwischen verschiedenen Personen oder Ereignissen erkennen. Wer kennt sich? Wer wohnt nah beieinander? Zwischen welchen Ereignissen besteht vielleicht eine Verbindung?…” Gastbeitrag von Tobias Singelnstein am 03.06.2019 bei Netzpolitik externer Link. Siehe neu dazu:
  • „Hinweise zu bestimmten Milieus“: Bundesländer testen Polizeisoftware mit Palantir-Funktion New
    Für polizeiliche Ermittlungen spielen öffentlich verfügbare Daten im Internet eine wichtige Rolle. Die Informationen werden auch bei täglichen Einsätzen stärker genutzt und mit Angaben aus mehreren Polizeidatenbanken kombiniert. Abgefragt werden unter anderem die umstrittenen „Personengebundenen Hinweise“. Unter dem Namen SENTINEL haben Polizeibehörden aus drei Bundesländern eine neue Software zur „Einsatzbewältigung“ getestet. Bei einer Ermittlung sucht die Anwendung in Sozialen Medien nach dem Aufenthaltsort und aktuellen Fotos der Zielperson. Vor dem polizeilichen Zugriff können auch Informationen über den Zugang zu Gebäuden oder Baumaßnahmen abgefragt werden. Die Software soll über eine Internetsuche außerdem mögliche Fluchtwege der Gesuchten darstellen. (…) Die Abfrage von Diensten wie Facebook, Twitter und Instagram wird als Open-Source Intelligence (OSINT) bezeichnet. Behörden dürfen die öffentlich eingestellten Informationen nicht anlasslos, aber für eine polizeiliche Maßnahme benutzen. Unter dem Titel „Serious Crimes and the Role of Social Media“ (SCARSOME) hatte die Polizeihochschule Münster vor Beginn von SENTINEL ähnliche Verfahren erprobt. (…) In SENTINEL untersuchten die Behörden, wie die OSINT-Daten in die tägliche Arbeit integriert werden können. Die drei beteiligten Bundesländer haben hierfür sogenannte „Intel Officer“ nach Münster entsandt. Mit „hessenDATA“ nutzt die Polizei in Hessen eine vergleichbare Plattform. Die kommerzielle Software gleicht gewünschte Suchbegriffe mit drei hessischen Polizeidatenbanken und internen Polizeimeldungen ab. Als zusätzliche Datenquellen stehen unter anderem Funkzellenabfragen und forensische Daten beschlagnahmter Telefone zur Verfügung. „hessenDATA“ kann alle Erkenntnisse mit Informationen sozialer Netzwerke verknüpfen. Im Gegensatz zu SENTINEL geschieht dies über ein einziges Suchfeld. (…) In SENTINEL sollte die Abfrage Sozialer Medien weitere „Hinweise zu bestimmten Milieus ergeben“. Genannt werden „Kampfhundehalter“, „Sportschütze“ oder „Boxer“. Kombiniert mit den einschlägigen Polizeidatenbanken, dem Ausländerzentralregister oder dem Waffenregister liefern die im Internet verfügbaren Informationen ein umfangreiches Bild über die Zielpersonen. Wie bei „hessenDATA“ könnten die in SENTINEL erprobten Verfahren für Fahndungen genutzt werden…” Artikel von Matthias Monroy vom 17.09.2019 bei Netzpolitik externer Link

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