Montag, 25. Februar 2019

Sozialdemokratisches Dilemma (Marcus Schwarzbach)

Die Wahlergebnisse des letzten Jahres waren für die SPD eine Katastrophe, und die Prognosen für die Landtagswahlen 2019 lassen bisher auch wenig Hoffnung aufkeimen. Dabei mangelt es an der Parteispitze nicht an deutlichen Worten. »Die SPD steht für ein Recht auf Arbeit – und nicht für bezahltes Nichtstun«, verkündete die Vorsitzende Andrea Nahles ihre Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen. Wer jetzt allerdings hofft, dass die SPD deshalb die Erbschaftsteuer erhöhen oder eine Vermögensteuer einführen will, täuscht sich. Dabei sind Sozialdemokraten immer stark engagiert, wenn es um die Sicherung des »bezahlten Nichtstuns« von Kapitaleignern geht – so setzte Thilo Sarrazin als Berliner Finanzsenator alles daran, die Berliner Bankgesellschaft zu retten. Nur so konnte die Rendite für jene Vermögenden gesichert werden, die Anteile an Immobilienfonds erworben hatten. Auch die Besitzer griechischer Staatsanleihen mussten in ihren Gewinnerwartungen geschützt werden, massiven Druck übten SPD-Minister und SPD-EU-Parlamentspräsident auf die Athener Regierung aus, um Renten und Löhne zu senken. Seither stieg die Selbsttötungsrate in Hellas.

Aber nicht nur Nahles findet starke Formulierungen, die ohne Konsequenzen bleiben. Mächtig stolz ist Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf eine Neuregelung aus seinem Hause: das »Qualifizierungschancengesetz«. »Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute auch die Arbeit von morgen machen können«, sagte Heil in seiner Rede vor dem Beschluss im Bundestag. Mit dem Gesetz wolle er beginnen, die »Arbeitslosenversicherung in Deutschland endlich zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln, um Arbeitslosigkeit zu verhindern«, betonte er (https://www.bmas.de).

Die gravierende Neuerung: Während bislang vor allem Arbeitsuchende für neue Tätigkeiten »umgeschult« werden, sollen Weiterbildungen gefördert werden, die Arbeitsplätze sichern. Beispiele liefert Heil reichlich: So sollen sich Konstrukteure im Umgang mit 3D-Druckern qualifizieren lassen, Dachdecker den Umgang mit Drohnen bei der Reparatur lernen. Auch müssen sich »Techniker genauso wie Ingenieure in der Automobilindustrie, die bisher sehr stark am Verbrennungsmotor orientiert sind, weiterbilden«, verdeutlichte der Minister.

Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verdeutlichen den Handlungsbedarf: Danach hat sich der Anteil der Jobs, die durch neue Technologien ersetzt werden können, von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 erhöht. Bei Fertigungsberufen lag die Substituierbarkeit durch Maschinen bereits im Jahr 2016 bei bis zu 83 Prozent.

Ein großes Manko wird aber beim Blick auf die Website des Arbeitsministerium deutlich: »Die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung sind grundsätzlich Ermessensleistungen. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es daher nicht.« Den großen Ankündigungen von Minister Heil folgen also weniger Taten!

Ähnliche Erfahrungen haben Beschäftigte schon in der letzten Amtsperiode der Großen Koalition gemacht. Mit dem Entgelttransparenzgesetz sollte gegen die niedrige Bezahlung von Frauen vorgegangen werden. Das seit Mitte 2017 geltende »Gesetz zur Überprüfung der Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen« hat in der Praxis aber »keine spürbaren Effekte«, meldet die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung. Nötig seien »strengere Auflagen und spürbare Sanktionen«. Federführend bei dem Gesetz war die damalige Familienministerin Manuela Schwesig. Und da wundert sich die SPD tatsächlich noch, dass abhängig Beschäftigte sie immer weniger wählen.

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