Montag, 25. Februar 2019

Netzwoche: Warum sich Konservative und Rechte zu Unrecht über ein ARD-Papier aufregen

Gegner der Öffentlich-Rechtlichen dürften seit Tagen die Sektkorken knallen lassen. Seitdem zu Wochenbeginn ein zwei Jahre altes internes ARD-Papier bekannt wurde, in dem die Linguistin Elisabeth Wehling Tipps gibt, wie die Rundfunkanstalten ihre Daseinsberechtigung besser gegenüber den Beitragszahlern kommunizieren könnten, empören sich konservative bis rechte Kritiker, die ARD wolle ihre Zuschauer manipulieren. Bild.de titelt sogar von einer »Umerziehungs-Fibel«.
Auf diese abseitige Idee kommt das Boulevardblatt, weil in dem 89-seitigen Gutachten etwas von Framing steht - ein Begriff aus der Kommunikationswissenschaft. Mittels Framing werde »Gehirnwäsche« betrieben - behaupten zumindest neben »Bild« ganz ironiefrei auch theeuropean.de und allerlei rechtslastige Blogs wie beispielsweise tichyseinblick.de. Wirklich verstanden hat allerdings kaum einer der Kritiker, was Framing eigentlich ist. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, dass jeder verwendete Begriff neben seiner Kern- auch eine erweiterte Bedeutung ausdrückt, Sprache also niemals neutral sein kann und Kommunikation immer innerhalb eines Bedeutungsrahmens stattfindet. Streng genommen gibt es keine Kommunikation ohne Framing.
Fast schon ironisch ist, dass etwa bild.de in seiner Berichterstattung über das Gutachten Praxisbeispiele mitliefert, wie Stefan Niggemeier auf uebermedien.de erklärt. So hören »Bild« und viele andere, wie etwa der »Focus«, nicht auf, mit Bezug auf die Öffentlichen-Rechtlichen weiter von der GEZ zu schreiben, obwohl die Gebühreneinzugszentrale 2013 durch den Beitragsservice abgelöst wurde. Dass der überholte Begriff dennoch weiter auftauche sei Absicht, so Niggemeier. Das Kürzel GEZ wecke »negative Emotionen und Assoziationen, die diese Buchstaben auch aus Gründen auslösen, die längst hinfällig geworden sind«. So ziemlich jeder dürfte eine Horrorgeschichte kennen, wie GEZ-Mitarbeiter um die Häuser schleichen, um Gebührenverweigerer zu erwischen. Dass diese Praxis mit dem Beitragsservice abgeschafft wurde, hält Journalisten nicht davon ab, den veralteten Begriff weiterhin zu verwenden.
Das Framing für sich genommen aber noch keine Manipulationsmethode ist, sondern erst einmal nur beschreibt, was Begriffe in unserem Kopf auslösen, zeigen unpolitische Fälle. Detlef Esslinger bringt auf sueddeutsche.de das Beispiel »Zimt«. Wer denkt da nicht sofort an den dazu passenden Geruch? Der Autor mahnt aber auch: »Jeden Tag versuchen Gegner von Information und Aufklärung, die Linguistik zu missbrauchen.« Gemeint sind damit weder die ARD noch Wehlings Gutachten, das jeder inzwischen auf netzpolitik.org einsehen kann, sondern jene, die gezielt versuchen, einen öffentlichen Diskurs zu verzerren.
Wehlings Hinweise an die ARD sind wenig überraschend: Sie empfiehlt der Sendeanstalt, nicht die Begriffe ihrer Kritiker zu übernehmen, sondern eigene Formulierungen zu finden, statt vom »Staatsfunk« etwa vom »gemeinsamen, freien Rundfunk« zu sprechen.

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