19.10.2016
"Zeit für neue
Aktionsformen": EZLN und CNI schlagen Gründung eines
Regierungsrates vor. Indigene soll als Kandidatin für
Präsidentschaft antreten
Von
Lars
Lichtermann [1], Chiapas
amerika21
San Cristóbal de las Casas, Mexiko. Die
Guerilla-Organisation Zapatistische Armee der Nationalen
Befreiung (EZLN) und indigene Verbände wollen sich über
Wahlen an dem politisch-parlamentarischen System in Mexiko
beteiligen. Das ist ein Ergebnis des Fünften Nationalen
Indigenen Kongress (CNI), an dem in der Bezirkshauptstadt
San Cristóbal de las Casas im südlichen Bundesstaat Chiapas
vom 9. bis 14. Oktober 360 Delegierten von 32 indigenen
Gruppen aus teilnahmen.
Zeitgleich markierte das Datum das 20-jährige Bestehen des
Kongresses, nachdem dieser von der verstorbenen
EZLN-Kommandantin Ramona 1996 ins Leben gerufen worden war.
In den Räumen des Indigenen Zentrums zur integralen
Ausbildung, einer Bildungsstätte für junge Menschen aus den
umliegenden Dörfern, nahmen darüber hinaus 80 geladene Gäste
und über 400 Sympathisanten aus Mexiko und anderen Ländern
teil.
Zentrales Ergebnis des Kongresses ist der gemeinsame
Vorschlag von CNI und EZLN, einen Indigenen Regierungsrat zu
gründen. Dieser soll aus zwei Vertretern (eine Frau und ein
Mann) aus jedem Volk, jeder Gemeinde und Organisation
bestehen. Der Vorschlag beinhaltet weiterhin, dass dieser
eine indigene Frau aus seinen Reihen wählen soll, die als
Sprecherin fungiert und als Kandidatin bei den
Präsidentschaftswahlen 2018 antritt.
Während des Kongressauftakts bekamen besonders die Worte
von Subcomandante Moisés, seit Mai 2014 offizieller Sprecher
der Zapatistas, viel Aufmerksamkeit. In seiner Rede hob er
hervor, "dass niemand dafür kämpfen wird, uns zu befreien,
außer wir selbst". Es sei an der Zeit, sich zu organisieren,
"damit das Wie geboren wird" für die nächsten Schritte zur
Änderung der herrschenden, ungerechten Zustände. Das
Zusammenkommen war als Arbeitstreffen geplant, die
Delegierten hatten sich in vier thematische Arbeitsgruppen
aufgeteilt: Vertreibung und Repression, Widerstände und
Rebellionen, Bilanz des CNI und Vorschläge zu seiner
Stärkung.
Als zum Abschluss des Kongresses die genannten Vorschläge
einer Präsidentschaftskandidatin und eines Regierungsrates
im Raum standen, führte Subcomandante Galeano in einer
halbstündigen Rede vor einem überfüllten Saal die gemeinsame
Idee genauer aus. Er warb dafür, bei den Wahlen anzutreten,
da jetzt die Zeit sei, neue Aktionsformen zu wählen. Die
Formen des Kampfes des CNI seien schon seit langer Zeit
dieselben und es sei nötig, dem System immer wieder auf
neuen Wegen entgegenzutreten.
Im weiteren Verlauf des Abends wurden die beiden Vorschläge
bei einer regen Beteiligung der Delegierten diskutiert. Die
Debatte mündete darin, dass die Anwesenden sie annahmen und
nun in ihren Gemeinden zur Diskussion stellen. Im
gemeinsamen Abschlusskommuniqué machen CNI und EZLN noch mal
deutlich, dass die Kandidatur nicht wegen der präsidialen
Macht angestrebt werde. Auch wird betont, keine politische
Partei gründen zu wollen. Stattdessen gehe es darum, durch
die Kandidatur und die dadurch angestoßene Debatte die
Organisierung der indigenen Völker und der Zivilgesellschaft
zu stärken, "um die Zerstörung zu stoppen". Bei einem
kommenden Treffen des CNI soll dann endgültig eine
Entscheidung gefällt werden.
Bisher sind nur wenige technische und politische Details
hinsichtlich des Vorschlags bekannt. Doch trotz einiger
Klarstellungen haben ablehnende Reaktionen [3] aus der mexikanischen
Linken und Medienöffentlichkeit nicht lange auf sich warten
lassen. Viele sehen in der jetzigen Initiative entweder
einen Verrat [4]an
den eigenen Prinzipien oder die Wiederholung von 2006.
Damals unterlag der Mitte-links-Präsidentschaftskandidat
Andrés Manuel López Obrador knapp seinem Kontrahenten.
Gemeinhin wird von Wahlbetrug ausgegangen. Doch da damals
Subcomandante Marcos Obrador vehement kritisiert hatte,
gaben nicht wenige Linke und Intellektuelle den Zapatisten
die Schuld für die Wahlniederlage.
Zustimmung kam dagegen unter anderem von der Grupo de
Investigación en Arte y Política (Giap), einer losen
mexikoweiten und internationalen Struktur, die sich um die
Sechste Deklaration aus dem Lakandonischen Urwald
mobilisiert und organisiert. In einer ausführlichen
Stellungnahme heißt es, das politische System sei zur
Schwachstelle der Macht geworden, daher "müssen wir genau
dort angreifen, und um dies zu tun muss man in Kontakt mit
ihm treten und seinen Raum, sei es auch nur zeitweise,
besetzen".
Links:
[1] https://amerika21.de/autor/lars-lichtermann
[2] http://radiozapatista.org/?p=18924
[3] http://www.animalpolitico.com/2016/10/candidatura-presidencial-del-ezln-amlo/
[4] http://www.jornada.unam.mx/2016/10/18/opinion/017a2pol
[5] https://amerika21.de/dokument/162474/congreso-indigena-mexiko
[6] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2F2016%2F10%2F162540%2Fezln-praesidentenwahl-mexiko&title=Zapatisten%20und%20Indigener%20Kongress%20wollen%20an%20Pr%C3%A4sidentschaftswahl%20in%20Mexiko%20teilnehmen&description=San%20Crist%C3%B3bal%20de%20las%20Casas%2C%20Mexiko.%20Die%20Guerilla-Organisation%20Zapatistische%20Armee%20der%20Nationalen%20Befreiung%20%28EZLN%29%20und%20indigene%20Verb%C3%A4nde%20wollen%20sich%20%C3%BCber%20Wahlen%20an%20dem%20politisch-parlamentarischen%20System%20in%20Mexiko%20beteiligen.&language=de_DE&category=text
[1] https://amerika21.de/autor/lars-lichtermann
[2] http://radiozapatista.org/?p=18924
[3] http://www.animalpolitico.com/2016/10/candidatura-presidencial-del-ezln-amlo/
[4] http://www.jornada.unam.mx/2016/10/18/opinion/017a2pol
[5] https://amerika21.de/dokument/162474/congreso-indigena-mexiko
[6] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2F2016%2F10%2F162540%2Fezln-praesidentenwahl-mexiko&title=Zapatisten%20und%20Indigener%20Kongress%20wollen%20an%20Pr%C3%A4sidentschaftswahl%20in%20Mexiko%20teilnehmen&description=San%20Crist%C3%B3bal%20de%20las%20Casas%2C%20Mexiko.%20Die%20Guerilla-Organisation%20Zapatistische%20Armee%20der%20Nationalen%20Befreiung%20%28EZLN%29%20und%20indigene%20Verb%C3%A4nde%20wollen%20sich%20%C3%BCber%20Wahlen%20an%20dem%20politisch-parlamentarischen%20System%20in%20Mexiko%20beteiligen.&language=de_DE&category=text
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