Dienstag, 25. Oktober 2016

EU vor der nächsten Krise - CETA vor dem Aus?

EU vor der nächsten Krise - CETA vor dem Aus?
Langsam vergeht den EU-Monopolpolitikern wie EU-Parlaments-Präsident Martin Schulz im CETA-Ringen das Lachen (foto: Ralf Roletschek/CC BY-SA 3.0)
23.10.16 – Da hat sich die komplette EU-Führungsriege nebst der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland in Brüssel versammelt, um das volks- und umweltfeindliche Handelsabkommen CETA auf den Weg zu bringen und dann macht ihnen allen das regionale Parlament der belgischen Region Wallonie einen Strich durch die Rechnung. Denn ohne dessen Zustimmung darf die belgische Regierung CETA nicht unterschreiben. Vor einer Woche hat das Parlament in der Wallonie - als Reaktion auf den Druck der Massen, die schon seit Monaten immer wieder mit mächtigen Demonstrationen gegen CETA und seinen US-amerikanischen Bruder TTIP auf den Straßen Europas stehen – das Abkommen mit Mehrheit abgelehnt.¹
So protestierten in Madrid Anfang des Monats 20.000 Menschen. In Paris waren 5.000 Menschen auf der Straße. Am 17. September waren in verschiedenen deutschen Städten 320.000 Menschen auf der Straße, um ihre Ablehnung gegen CETA und TTIP öffentlich zu machen.
Warum gerade die Wallonie? Hier tritt einerseits die brutale Politik der internationalen Übermonopole mit massiver Arbeitsplatzvernichtung besonders zu Tage. Die einstigen Industriezentren Lüttich und Charleroi sind nur noch Schatten ihrer selbst. Dort gibt es kaum noch Industriearbeitsplätze.
Andererseits bangen die Klein- und Mittelbauern in der eher landwirtschaftlich geprägten Wallonie um ihre wirtschaftliche Existenz. Sie können schon heute gegen die nationalen und europäischen Großbauern und Agrarkonzerne kaum bestehen. Jetzt haben sie Angst im Vergleich mit den kanadischen Landwirten endgültig abgehängt zu werden: "Wir können nicht so billig produzieren wie die Kanadier", und: "TTIP und CETA, das ist doch das Gleiche. Man kann hier dichtmachen, wenn das so kommt", sind nur zwei der Statements, die wallonische Landwirte auf den großen Demonstrationen der letzten Wochen abgegeben haben.³

Erinnerungen an die Abstimmungen zur EU-Verfassung im Jahr 2007 drängen sich auf: Als die Franzosen und die Niederländer mit deutlichem „Nein“ die Einführung der Verfassung kippten und die Massen in Irland den sich anschließenden Vertrag von Lissabon auch fast gekippt hätten. Deshalb wird die Bevölkerung in den meisten europäischen Ländern schon gar nicht mehr gefragt, bevor die sogenannten "Volksvertreter" solche Abkommen unterzeichnen. In Deutschland hat z.B. Sigmar Gabriel die Zustimmung zu CETA bei einem SPD-Parteikonvent erpresst. Aber die Mehrheit der Bevölkerung hat er nicht hinter sich. Nur 18 Prozent halten "CETA für eine gute Sache". 38 Prozent lehnen es ausdrücklich ab.⁴
Und das, obwohl CETA gegenüber dem noch mehr verhassten Abkommen TTIP mit den USA sogar noch kosmetisch verbessert wurde. Statt dem berüchtigten Schiedsgericht ICSID wollen Kanada und die EU eine andere Art Schiedsgericht einführen. Fakt bleibt aber, dass Konzerne Staaten auf Schadensersatz verklagen dürfen, und damit nationale Parlaments- und  Gerichtsentscheidungen massiv beeinträchtigen. Aktuell klagt z.B. das Energie-Monopol Vattenfall wegen dem Atomausstieg vor dem ICSID gegen die Bundesregierung auf Schadensersatz für seine ausländischen Aktionäre.
Im Anschluss an das „Nein“ aus der Wallonie, begann hinter den Kulissen hektische Betriebsamkeit. Nachdem Freeland schon ihre Abreise nach Kanada bekannt gegeben hatte, dementierte EU-Parlaments-Präsident Martin Schulz (SPD), das kurz darauf. Jetzt sollen die Vertreter der Wallonie unter ihrem sozialdemokratischen Regierungschef Paul Magnette auf Kurs getrimmt werden. In den Medien brach zum Teil eine Beschimpfung gegen die Wallonie und ihrer Repräsentanten los.
Worum geht es: Mit den sogenannten "Freihandelsabkommen" will das allein herrschende internationale Finanzkapital seine Konkurrenzfähigkeit stärken - ohne Rücksicht auf Umwelt, Beschäftigte, nationale Parlamente und Justiz oder auch kleinere Unternehmen und selbst nationale Monopole.
Im Zusammenhang mit dem aktuellen Wallonie-Bashing⁵ kommt die wahre Diktatur der Monopole deutlich zum Vorschein. Von verschiedenen Seiten, so aus der deutschen CDU, wird das Verfahren der Zustimmung durch Parlamente überhaupt kritisiert. Die Entscheidung über CETA, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann hätte "nie und nimmer" auf die nationalen Parlamente verschoben werden dürfen. Frei nach dem Motto: Wenn das Volk dagegen ist, fragt man es besser nicht. Und er signalisiert gleichzeitig, dass der Bundestag - auch gegen die Mehrheit der Bevölkerung für CETA stimmen würde.
Eines ist den Monopolen und ihren Politikern klar: Ein Scheitern von CETA wäre der nächste Ausbruch einer offenen politischen Krise der EU und dass wollen sie unter allen Umständen vermeiden. Notfalls würde der EU-Kanada-Gipfel am kommenden Donnerstag, auf dem CETA unterzeichnet werden sollte, noch einmal verschoben werden. Sigmar Gabriel hat auf dem SPD-Parteikonvent auch seine persönliche Politik-Karriere mit CETA verknüpft. Ein Scheitern von CETA würde so die latente Regierungskrise in Deutschland spürbar vertiefen. Gabriel hat mit seinem Pro-CETA-Kurs auch klar gemacht, was für einen Weg eine künftige SPD-Grüne-Linkspartei-Koalition gehen würde: Freihandelsabkommen mit kosmetischen Korrekturen.
Auch innerhalb der SPD werden jetzt neu Stimmen laut, dass CETA doch nicht zugestimmt werden kann: So weist der Sprecher der "Parlamentarischen Linken", Matthias Miersch, in einer siebenseitigen Bewertung nach, dass der von Gabriel durchdrückte Beschluss zu CETA so nicht haltbar ist, weil diverse Punkte des "Freihandelsabkommens" doch dem Beschluss widersprechen! Als da wären: Mögliche Schadensersatzklagen der Monopole, eine Vielzahl von Sondergremien etc. Kurz gesagt: Gabriel hat seinen eigenen Parteikonvent übers Ohr gehauen!⁶
Dazu gibt es Alternativen: Auf seinem Wahlkongress am 2. Oktober hat das Internationalistische Bündnis fortschrittlicher und revolutionärer Organisationen und Personen in Deutschland, dass sich dort als Internationalistische Liste/MLPD zur Bundestagswahl formiert hat, folgendes in seiner Schlussresolution festgehalten:

„Wir werden Vieles schaffen, was einzigartig und erstmalig in Deutschland ist. Der Kongress des internationalistischen Bündnisses ... hat seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, sich solidarisch, internationalistisch, … für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zusammenzuschließen. Wir, das waren Arbeiter aus verschiedenen Betrieben wie VW, Daimler, Stahl, Charite und Opel, Montagsdemonstranten aus vielen Städten, Umweltkämpfer, Internationalisten, Migranten(-organisationen), Geflüchtete und Jugendliche, couragierte Frauen. Hier kamen die verschiedenen Protestbewegungen zusammen, gegen Stuttgart21, Hartz IV und TTIP, CETA und TISA, Umweltkämpfer, Bauern und Winzer, Vertreter internationaler Befreiungskämpfe und vieles mehr. ...“
Dieses Bündnis hat Zukunft – auch über die Wahlen hinaus - und wird den Widerstand – nicht nur von TTIP und CETA – aktiv voranbringen!
¹ rf-news, 22.10.16
² www.faz.net, 22.10.16
³ www.dw.com, 14.10.16
⁴ Ipsos-Umfrage, Wirtschaftswoche 16.9.16
⁵ "Bashing" zu deutsch "Einprügeln (auf)"
www.fr-online.de, 18.08.16

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