Mittwoch, 9. September 2009

Kleine Historie der Schacholympiaden...

Am 20. Juli 1924 wurde in Paris die FIDE (Federation Internationale des Echecs = Weltschachverband) gegründet, die internationale Körperschaft, die die nationalen Verbände leitet. Der Wahlspruch: "gens una sumus" - wir sind eine Familie! Zum ersten Präsidenten wurde der Niederländer Alexander Rueb gewählt, der dieses Amt bis 1949 ausübte.
Die erste Schacholympiade im Sommer 1924 in Paris wurde späterhin als inoffiziell geführt, u.a. war sie noch nicht von der FIDE, sondern vom Französischen Schachbund organisiert worden. Die (mir) bekanntesten Teilnehmer waren Edgar Colle und Max Euwe. Offiziell nannte sich diese Veranstaltung "Tournoi International d`Amateurs" und war nur für Amateure zugelassen. Sieger wurde die tschechische Mannschaft, bei 54 teilnehmenden Spielern und 18 Mannschaften; ohne Deutschland.
Im Juli 1926 fand in Budapest eine zweite inoffizielle Schacholympiade statt, mit nur vier Mannschaften und einer "aus finanziellen Gründen ungemein schwachen deutschen Mannschaft" (Wiener Schachzeitung 15/1926) auf dem vierten Platz. Auf dem vom 15. - 17. Juli in Budapest tagenden FIDE-Kongress wurde Deutschland in den Weltschachverband aufgenommen.

1. Schacholympiade London 1927

Die Mannschaftskämpfe in London wurden an vier Brettern abgehalten; es war den Nationalmannschaften freigestellt, zusätzlich einen gleichberechtigten Ersatzmann zu nominieren - vom Veranstalter waren vier Spieler eingeladen, während für einen zusätzlichen Mann die Kosten selbst übernommen werden mussten. Zwar fehlten in London die (Ex- ) Weltmeister Lasker, Capablanca und Aljechin; aber mit Euwe, Grünfeld, Maroczy, Reti und Tarrasch war durchaus eine Auswahl der damals stärksten Spieler dabei, mit 16 Ländern fast alle damaligen FIDE-Mitgliedsstaaten. Die Schacholympiade wurde von 18. - 29. Juli gespielt, also an 11 Tagen 15 Runden, was zu zahlreichen Hängepartien führte. Erst in Helsinki 1952 ging man dazu über, grundsätzlich nur noch eine Partie pro Tag zu spielen...
Überaus kurios verlief die Partie Palau (Argentinien) - Kalabar (Jugoslawien): 1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 Lb4+ 4. Ld2 Ke7 5. Lb4:+ 1 : 0... Im 4. Zug hatte Kalabar König und Dame verwechselt, was er erst merkte, als er 5. ... Kb4: spielen wollte. Darauf wäre aber 6. Db3+ Ka5 7. Db5 denkbar... Deutschland erlangte den siebten Platz; bester deutscher Einzelspieler wurde C. Carls mit 9,5 aus 15 Punkten, vor Tarrasch, Mieses und Wagner.

2. Schacholympiade Den Haag 1928

In Den Haag durften nur Amateure teilnehmen, was dieser Olympiade weitgehend die Attraktivität raubte... Deutschlands Mannschaft erreichte den zehnten Platz bei 17 teilnehmenden Ländern, Sieger wurde Ungarn.

3. Schacholympiade Hamburg 1930

Aus Anlass seines hundertjährigen Jubiläums hatte der Hamburger Schachklub die Austragung übernommen, eine grosse Leistung angesichts der damaligen wirtschaftlichen Lage in Deutschland, der Inflation. Teilnehmer wie Aljechin, Rubinstein, Tartakower, Maroczy und Frank Marshall sorgten für weltweites Interesse. Deutschland erreichte mit H. Ahues, F. Sämisch, C. Carls, K. Richter und H. Wagner den dritten Platz hinter Polen und Ungarn.

4. Schacholympiade Prag 1931

Anlässlich seines 25jährigen Bestehens übernahm der Tschechoslowakische Schachverband die Ausrichtung der 4. Schacholympiade - 18 Partien in 15 Tagen pro Spieler, bei 19 Mannschaften.
Deutschland hatte seine Mannschaft vom Vorjahr mit Jefim Bogoljubow verstärkt, und die Österreicher kürten sich mit Grünfeld, Spielmann, Kmoch, Becker und Lokvenc schon im Vorfeld zum Favoriten... Aber ein "brutaler Faustschlag des Schicksals" (Alfred Brinckmann in den "Deutschen Schachblättern" 15/1931) liess Deutschland auf den 5. Platz abrutschen, nach einer 0,5 - 3,5 Niederlage gegen England. Österreich unterlag gegen Lettland, Ungarn und die Tschechoslowakei, fand sich sodann auf dem achten Platz wieder... im deutschen Team stellte Kurt Richter seine überragenden taktischen Fähigkeiten unter Beweis.
Sieger wurden die USA, Polen und die Tschechosöowakei mit Salo Flohr am ersten Brett.

5. Schacholympiade Folkestone 1933

Das Seebad Folkestone unweit von Dover ist erst seit der Fertigstellung des Eurotunnels zwischen Frankreich und England etwas bekannter, da dieser in Folkestone endet... Mit 15 Teilnehmerländern war diese Schacholympiade unterbesetzt. Die USA wurden erneut Sieger, gefolgt von Deutschland und der Tschechoslowakei. Deutschland war dem Ausschluss aus der FIDE wegen des Arierparagraphen durch eigenständigen Rücktritt zuvorgekommen und nahm nicht teil.

6. Schacholympiade Warschau 1935

Diese Schacholympiade sah die USA zum drittenmal in Folge als Sieger, mit Arthur Drake an Brett 4 mit 15,5 von 18 möglichen Punkten der beste Einzelspieler. Der 18jährige Paul Keres erlangte für Estland mit 12,5 von 19 bei drei Remis erstes Ansehen auf der Turnierarena. Deutschland fehlte auch in Warschau; ein Antrag des Grossdeutschen Schachbundes auf Aufnahme in die FIDE wurde abgelehnt. Die Einladung zu einer inoffiziellen Schacholympiade 1936 in München wurde hingegen mit 10 : 3 dergestalt entschieden, den FIDE- Mitgliedsstaaten Annahme oder Ablehnung der Einladung freizustellen... Gespielt wurde in einem Warschauer Offizierskasino, die Teilnehmer waren im Hotel Sejmowy untergebracht, das ansonsten für Abgeordnete bestimmt war.

Inoffizielle Schacholympiade München 1936

An der Schacholympiade in München beteiligten sich 21 Nationen, neben den skandinavischen und baltischen Staaten z.B. auch Brasilien mit Trompowsky... Zeitgleich fand in Nottingham ein Gegenturnier mit geteiltem Sieg von Botwinnik und Capablanca statt, vor Euwe, Fine und Reshevsky, weiter u.a. Aljechin, Flohr und Lasker. Der prominenteste Förderer der Olympiade in München war wohl der Reichsminister Hans Frank... "Annähernd 3.000 Schachkameraden aus allen Teilen Deutschlands haben sich für die Sonderzüge gemeldet, die aus 4 Richtungen zur Kampfstätte fahren werden." (Deutsche Schachblätter 15/1936) Erstmals wurde in einer Nachbarhalle des Spiellokals mit Demonstrationsbrettern für die Zuschauer analysiert. In München bestand eine Mannschaft aus zehn Spielern, von denen pro Runde acht zum Einsatz kamen. Gespielt wurde täglich von 9 - 13 Uhr und von 15 - 19 Uhr... Im Schnitt hatten die Spieler an zwei Tagen drei Partien zu bewältigen - es kam zu einer riesigen Anzahl an Hängepartien. Von Deutschland wurde allgemein der Gewinn der Goldmedaille erwartet, die Mannschaft war von Jefim Bogoljubow und Willi Schlage über ein Jahr in Trainingslagern vorbereitet worden. Stattdessen siegte die ungarische Mannschaft mit Maroczy, Havasi und Szabo (bestes Einzelresultat), gefolgt von Polen mit Najdorf und Friedmann. Deutschland mit Kurt Richter am Spitzenbrett erlangte die Goldmedaille.
Die zwei Bände mit den Partien dieser Schacholympiade, vom genialen Angriffsspieler Kurt Richter hervorragend kommentiert, sind inzwischen bei der Edition OLMS in Buchform erschienen...

7. Schacholympiade Stockholm 1937

Auch bei dieser Schacholympiade triumphierten wieder die USA; gefolgt von Ungarn. Der geteilte 3./ 4.Platz sah neben Polen überraschend Argentinien mit C. Guimard und I. Pleci vorn... Die FIDE wollte den Sieger des Turniers, Salo Flohr, nicht als rechtmässigen Herausforderer des Weltmeisters Max Euwe akzeptieren (vorausgesetzt, dieser hätte den Revanchekampf gegen Aljechin gewonnen), auch in Stockholm gab es Krach zwischen der FIDE und den Spielern... Dr. Alexander Rueb als Vertreter der FIDE wollte willkürlich Capablanca als Herausforderer von Dr. Euwe bestimmen. Euwe wiederum erklärte sich bereit, ggfs. 1993 gegen Capablanca zu spielen, der wiederum 1940 gegen Flohr antreten sollte... die erneute Weltmeisterschaft Aljechins machte diese ganzen Pläne dann aber zunichte.

8. Schacholympiade Buenos Aires 1939

Diese Schacholympiade vom 24.8. bis zum 19.9.1939 war vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überschattet... neben der Teilnahme von Staaten wie Chile, Kuba, Brasilien ist eine Mannschaft "Böhmen und Mähren" ähnlich bemerkenswert wie "Palästina". England trat noch vor Beginn der Finalrunde zurück... Sieger wurde Deutschland mit den Spielern E. Eliskases (Österreicher), P. Michel, L. Engels, A. Becker (Österreicher) und H. Reinhardt, vor Polen und Estland. In einer Finalrunde B mit Island auf Platz 16 spielten sechs weitere lateinamerikanische Staaten um den "Copa Argentina" - Verlierer wurde Paraguay auf Platz 26. Mit den USA und Ungarn fehlten hingegen die Erstplatzierten von Stockholm...
Politische Auseinandersetzungen führten zum Ausfall von sechs Begegnungen, die dann 2 : 2 gewetet wurden. Die deutsche Mannschaft fürchtete, auf der Heimreise der britischen Marine in die Hände zu fallen, und kehrte auch nach Kriegsende nicht zurück. Auch der Pole Najdorf blieb in Argentinien...

9. Schacholympiade Dubrovnik 1950

Stärkster Spieler in Dubrovnik an Brett 1 war Miguel Najdorf für Argentinien, gefolgt von Wolfgang Unzicker für die BRD. Die Olympiade vom 20.8. bis 10.9.1950 fand unter denkbar ungünstigen klimatischen Verhältnissen statt, mit Temperaturen bis 45°C im Schatten. Die bundesdeutsche Mannschaft hatte mit Visaproblemen zu kämpfen, Lothar Schmidt war erst zwei Tage nach Beginn vor Ort und fehlte dadurch beim wichtigen Auftaktmatch gegen Jugoslawien. Jugoslawien errang die Goldmedaille, gefolgt von Argentinien und der BRD, die USA gelangten nur auf Platz 4.

10. Schacholympiade Helsinki 1952

In Helsinki trat die UdSSR an und errang mit Keres, Smyslow, Bronstein, Geller, Boleslawski und Kotow die Goldmedaille; gefolgt von Argentinien und Jugoslawien. Die BRD errang ohne Unzicker nur den 8.Platz, die DDR schaffte ohne Ersatzspieler (!) den 13. Platz. Der Idee, die Schacholympiade in die Olympischen Sommerspiele zu integrieren, war nie besonderer Erfolg beschieden - in Helsinki fand die Schacholympiade aber unmittelbar im Anschluss und an gleicher Stelle wie die Sommerspiele statt. 25 Teilnehmerstaaten führten wieder zur Qualifikation über Vorrundengruppen.

11. Schacholympiade Amsterdam 1954

Ursprünglich sollte diese Schacholympiade am 1.9. in Buenos Aires stattfinden; die Argentinier waren aber aus finanziellen Gründen sechs Wochen vor Beginn gezwungen, die Ausrichtung der Olympiade an die FIDE zurückzugeben. Zwei Tage später erklärte die "Stichting voor Internationale Schaaktraditie van Amsterdam" mit Rückendeckung des Königlich Niederländischen Schachbundes, die Ausrichtung zu übernehmen, die Übernahme der Unterbringungskosten, aber nicht der Reisekosten - bis auf die USA waren dennoch alle Spitzenteams in Amsterdam dabei. Die UdSSR trat mit Botwinnik am ersten Brett an und errang Gold, gefolgt von Argentinien und Jugoslawien. Die BRD erreichte Platz 5, im B-Finale erreichte das Saarland Platz 22 direkt hinter Frankreich...

12. Schacholympiade Moskau 1956

Das beste Einzelresultat am ersten Brett erreichte Bent Larsen für Dänemark. Die UdSSR gewann erwartungsgemäss Gold, mit Ausnahme von Taimanow weitestgehend in der selben Mannschaftsaufstellung wie 1954; gefolgt von Jugoslawien und Ungarn. Die BRD erreichte den fünften Platz mit Unzicker am ersten Brett; der DDR mit Wolfgang Uhlmann am Spitzenbrett gelang nur der zwanzigste Platz, das Saarland Platz 26 (letztmalig angetreten).

13. Schacholympiade München 1958

Anlässlich ihrer 800-Jahr-Feier übernahm die Stadt München die Ausrichtung 1958. Unter den 36 Nationalmannschaften befanden sich mit Tunesien und Südafrika erstmals auch zwei afrikanische Staaten, seit 1952 waren auch erstmals die USA wieder dabei. Die Sowjetunion - wieder Sieger - trat nun mit Botwinnik, Smyslow, Keres, Bronstein, M.Tal und Tigran Petrosjan an. Jugoslawien erreichte den zweiten, Argentinien den dritten Platz. Die DDR hingegen kam auf den sechsten Platz, die BRD auf den siebten.

14. Schacholympiade Leipzig 1960

Die Besucherzahl von 75.364 zeigt, wie populär Schach in der DDR vor dem segensreichen Westfernsehempfang noch war - Fahrt- und Übernachtungskosten machten einen Besuch in Leipzig einfach. Die Kiebitze hatten u.a. die Möglichkeit, eine Schachbriefmarken- Ausstellung zu besuchen... Sieger war wieder die UdSSR, in der Aufstellung M.Tal, M.Botwinnik, P.Keres, V. Kortschnoj, W.Smyslow und T.Petrosjan. Silber erreichten die USA, Bronze Jugoslawien. Auf den fünften Platz gelangte die CSSR mit dem 16jährigen Vlastimil Hort (7,5/13). Die BRD mit Wolfgang Unzicker am ersten Brett erreichte den achten, die DDR mit Wolfgang Uhlmann den neunten Platz.

15. Schacholympiade Warna 1962

Vom 16.9. bis 10.10. fand an der bulgarischen Schwarzmeerküste ein erneutes Kräftemessen der Schach-Olympiamannschaften statt. Die UdSSR war in der Besetzung Botwinnik, Petrosjan, Spasski, Keres, Geller und Tal erneut überragender Sieger, gefolgt von Jugoslawien und Argentinien. Wolfgang Uhlmann am ersten Brett der DDR (8.Platz) gewann seine Partie gegen Botwinnik... Die BRD erreichte den 7. Platz mit Unzicker, Darga und Schmidt. Bobby Fischer (USA) kritisierte Remisabsprachen der Russen im Vorturnier... Die Atmosphäre bei seiner Verlustpartie gegen Botwinnik war entsprechend vergiftet.

16. Schacholympiade Tel Aviv 1964

So überragend der 3. Platz der BRD- Mannschaft war, so enttäuschend der 15. Platz und das Abrutschen der DDR- Mannschaft in's B-Finale... Das war Wasser auf den Mühlen derjenigen DDR-Sportfunktionäre, die Schach aus dem Sportgeschehen verbannen wollten!
Wieder hatte die UdSSR die Goldmedaille geholt, mit dem Neuling Leonid Stein. Bobby Fischer fehlte in der Mannschaft der USA (6.Platz), da seine finanziellen Vorstellungen sich stark von denen des US-Schachverbandes unterschieden.

17. Schacholympiade Havanna 1966

Im Hotel "Habana Libre", in dem die Spieler wohnten und spielten, war auch das Pressezentrum untergebracht. Bei der Eröffnung wurde ein Balett namens "Die lebende Partie" vorgeführt, bei der die berühmte Partie zwischen Capablanca und Lasker in Moskau 1936 nachgestellt wurde. 900 Organisatoten waren geschult worden, 120 Dolmetscher wurden gestellt, eine amerikanische Luxuslimousine mit Chauffeur für jede Mannschaft. Ein elektronisches Schachbrett im Riesenformat übertrug an einer Häuserwand im Stadtzentrum die wichtigste Partie des Tages live. Am 19. November, zum 78. Geburtstag des kubanischen Exweltmeisters Capablanca, wurde dies mit einer Simultanveranstaltung gefeiert, bei der 371 Olympiaspieler an 6840 Brettern antraten.
Unklarheit schien im Westblock zu passenden Boykottmassnahmen zu herrschen - die BRD-Mannschaft fehlte, die USA traten an!
Die Spitzenpartie zwischen Bobby Fischer und Tigran Petrosjan fiel aus, da Fischer aus religiösen Gründen (jüdischer Sabbat!) zwischen Freitag und Sonnabend 18 Uhr nicht spielen wollte. Um 16 Uhr qurde die Uhr angestellt, die Partie um 17 Uhr als gewonnen gewertet.
Die UdSSR gewann Gold mit Polugajewski als Ersatzspieler, die USA Silber, Ungarn (Portisch, Szabo...) Bronze. Die DDR landete mit Uhlmann, Pietzsch, Fuchs, Malich, Zinn und Liebert auf dem neunten Platz.

18. Schacholympiade Lugano 1968

Nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt- Staaten in die CSSR und dem militärischen Abwürgen des Prager Frühlings gab es in der Schweiz viele Reaktionen, die Schacholympiade abzusagen. Aber dann setzte sich Alois Nagler durch, der Präsident des Schweizerischen Schachverbandes. Ludek Pachmann und Lubomir Karalek waren in Lugano zwar anwesend; aber nicht, um zu spielen, sondern um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen...
Im Team der UdSSR - wie immer der Sieger - fehlte diesmal M.Tal, laut der Biographie von Kortschnoj nicht aus gesundheitlichen, sondern aus "moralischen" Gründen - Tal hatte zum zweitenmal geheiratet! Bobby Fischer erschien in Lugano, verlangte einen separaten Spielsaal und reiste nach der Ablehnung wieder ab.
Die BRD erreichte den fünften Platz, die DDR den zehnten Platz. Hinter Jugoslawien (Silber) errang diesmal Bulgarien Bronze.

19. Schacholympiade Siegen 1970

Siegen ist eine 60.000 Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen; hier wurde die Siegerlandhalle zum Spielsaal. 60 Nationen nahmen teil, aufgeteilt in sechs Vorrundengruppen, aus denen die ersten beiden Mannschaften in's A-Finale aufstiegen. Die Sowjetunion - wie immer Goldgewinner - hatte diesmal Boris Spasski am ersten Brett; Ungarn gewann Silber, Jugoslawien Bronze. Die USA mit Bobby Fischer am Spitzenbrett gelangten auf Platz 4, die BRD auf Platz 6, die DDR auf Platz 9.

20. Schacholympiade Skopje 1972

Die heutige Hauptstadt Mazedoniens erlebte mit 63 Teilnehmerstaaten einen neuen Rekord; erstmals wurde auch die Damenolympiade gleichzeitig ausgetragen (unverwunderlicherweise ebenfalls mit der UdSSR als Siegerinnenmannschaft). Nun waren 63 Teilnehmerstaaten ein neuer Rekord, dennoch gab es keinerlei organisatorischen Probleme angesichts der Unterstützung des Staatschefs und großen Schachfreundes Josip Broz Tito. 50.000 zahlende Besucher der Schacholympiade sprachen für die Popularität des königlichen Spieles im damaligen Jugoslawien. 1972 wurde erstmalig mit ELO-Zahlen gespielt... Zum letzten Male war die DDR mit Platz 10 dabei, zu verdanken dem DTSB-Präsidenten Manfred Ewald, der "nichtolympische Sportarten" von der Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften ausschloss. Die Sowjetunion (erstmals mit Anatoli Karpow), Ungarn, Jugoslawien holten die Medaillen, die BRD gelangte auf Platz 5.

21. Schacholympiade Nizza 1974

Zum erstenmal in Frankreich - den Organisatoren schien die Erfahrung zu fehlen. Es gab kein komplettes Turnierbulletin, wenig Zuschauer, doch gesalzene Eintrittspreise. Lothar Schmidt beschwerte sich über die Unterbringung; Lärm von Presslufthämmern ab 6 Uhr 30 und Kasernenfrass - die sowjetrussische Mannschaft zog nach drei Tagen aus. Die Zahl der Teilnehmerstaaten stieg auf 74, der parallel stattfindende FIDE-Kongress beschloss die Austragung im Schweizer System ab 1976. Bobby Fischer glänzte durch Abwesenheit... Der 64jährige Miguel Najdorf feierte seine vierzehnte Olympiateilnahme, bei einem besonders schönen Sieg fing er an, lauthals zu singen. Rhodesien und Südafrika wurden wegen ihrer Apartheid aus der FIDE ausgeschlossen - Südafrika trat sofort zurück, Rhodesien spielte weiter. Algerien und der Irak weigerten sich nun, gegen Rhodesien zu spielen. Ebenso wie bei der Paarung Tunesien - Israel (von Tunesien verweigert) wurde das Ergebnis nach der Eloerwartung festgesetzt.
Gold erlangte mal wieder die UdSSR mit A. Karpow am Spitzenbrett, gefolgt von Jugoslawien und den USA. Die BRD mit Schmidt, Unzicker, Pfleger und Hecht erreichte den siebten Platz.

22. Schacholympiade Haifa 1976

Der Ostblock und die arabischen Staaten hatten als Alternative zur Olympiade in Israel eine Gegenveranstaltung in Tripolis, Lybien ausgerichtet, leider nur mit sehr mässigem Erfolg... 48 Nationen einschliesslich Andorra traten in Haifa an. Die BRD kam nur auf Platz 5, von sieben Grossmeistern der BRD fehlten fünf aus beruflichen Gründen. Sehr auseinander gingen die Meinungen zum erstmals angewandten Schweizer System. Bester Einzelspieler war J.Timman (Niederlande). Gold holten die USA, Silber die Niederlande, Bronze England u.a. mit J.Nunn.

23. Schacholympiade Buenos Aires 1978

Nach 1939 wurde Buenos Aires (8 Mio. Einwohner) zum zweitenmal Austragungsort einer Schacholympiade. Gespielt wurde in den Gängen unterhalb der Tribüne des River-Plate-Stadions: schlauchartige, bogenförmige Gänge, 15m breit, 2,5 m hoch und etwa einen halben Kilometer lang. Entsprechende Luftverhältnisse bei über tausend Zuschauern, die fast alle rauchten... in unmittelbarer Nähe lagen ein Schiessplatz der Armee und ein ziviler Flughafen. Die Dieselmotoren der Klimaanlage hatten einen Geräuschpegel wie ein paar Strassenbaumaschinen. Diese ganzen Umstände erreichten ihren Höhepunkt während der 13. und vorletzten Runde der Schacholympiade mit dem Radau tausender Fussballfans, was zu etlichen Kurzremisen führte. Kortschnoj spielte erstmals für seine "neue Heimat", die Schweiz und wurde bester Spieler am ersten Brett - Weltmeister Anatoli Karpow war abwesend.
Goldmedaillensieger wurde erstmalig Ungarn (Portisch, Ribli, Sax, Adorjan) mit einem Punkt Vorsprung vor der Sowjetunion (Spasski, Petrosjan, Polugajewski, Gulko); Bronze erreichten die USA, die BRD glückte der vierte Platz mit Hübner, Unzicker, Pfleger, Darga, Hecht und Borik.

24. Schacholympiade Malta 1980

Auch in Malta wurde über ungewöhnliche Wohnverhältnisse geklagt, über Küchenschaben und Kakerlaken ebenso wie über langes Schlangestehen bei der Essenausgabe und zu häufiges, schlecht zubereitetes Lammfleisch. Bei der Endauswertung der Schacholympiade in Malta hatten die UdSSR und Ungarn beide 39 Punkte, erst die Buchholzwertung sicherte den sowjetrussischen Sieg - mit Karpow am Spitzenbrett und Kasparow als zweitem Ersatzspieler. Die BRD schaffte nur den 25. Platz...

25. Schacholympiade Luzern 1982

91 Länder sowie eine B-Mannschaft des Veranstalters, um eine gerade Zahl der Mannschaften zu erreichen - ein neuer Rekord! Gold sicherte sich die UdSSR wieder mit altgewohnter Sicherheit, insbesondere mit Karpow, Tal, Jussupow und Kasparow. Eine Überraschung hingegen war der zweite Platz der CSSR mit Vlastimil Hort, Jan Smejkal und Lubomir Ftacnik. Bronze holten die USA. Die DDR glänzte als einziges europäisches Land überhaupt (!) durch Abwesenheit; die BRD war personell zwar besser besetzt als 1980, gelangte dennoch nur zum 15. Platz.

26. Schacholympiade Saloniki 1984

Schach im Land der Götter - die Hafenstadt Saloniki bot dafür grosszügige Räumlichkeiten auf dem Messegelände. Die Sowjetunion trat ohne "K & K" an - Beljawski, Polugajewski, Waganjan, Tukmanow, Jussupow und Sokolow, erreichten einen klaren ersten Platz mit vier Punkten Vorsprung vor England (Miles, Nunn, Speelmann; Nigel Short als zweiter Ersatzspieler). Der Bronzesieger USA hatte mit Roman Dzindzichashvili einen Exilgeorgier am Spitzenbrett, der von Raj Tischbierek als "Zocker, wie er im Buche steht, zwischen Genialität und Wahnsinn lebend" charakterisiert wurde. Die BRD erreichte den sechsten Platz.

27. Schacholympiade Dubai 1986

Dubai ist eines der sieben Emirate, die 1976 zu den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengeschlossen wurden. Nur 86.000 qkm gross und 1,6 Mio. Einwohner zählend, hat Dubai mit seinen riesigen Ölvorkommen ein entsprechendes wirtschaftliches Potential. Die Gesamtausgaben der Schacholympiade wurden auf 25 Mio. Mark geschätzt! Die Medaillen waren diesmal noch begehrter als sonst - sie hingen an massiven Goldketten. Israel wurde die Teilnahme versagt - obwohl daraufhin einige Teilnehmerstaaten absagten (u.a. die Niederlande, Schweden, Dänemark und Norwegen), wurde ein erneuter Rekord von 107 Teilnehmernationen erreicht.Nicht völlig überraschend siegte die UdSSR mit Kasparow und Karpow am ersten und zweiten Brett, aber nur mit einem halben Punkt Vorsprung vor England mit Miles, Nunn, Short und Chandler; Bronze erzielten die USA. Die BRD mit Kindermann, Lau, Bischoff und Hickl erreichten Platz 13.

28. Schacholympiade Saloniki 1988

Die Lebererkrankung des DTSB-Präsidenten Manfred Ewald gab seinem Stellvertreter Klaus Eichler die Möglichkeit, ein DDR-Schachteam zur Schacholympiade nach Saloniki zu schicken, zum erstenmal wieder seit 16 Jahren. Der siebzehnte Platz mit Uhlmann, Bönsch und Knaak mag sich enttäuschend anhören; die BRD schaffte mit Vlasimil Hort am Spitzenbrett nur den achtzehnten! Die Sowjetunion schaffte mit Kasparow und Karpow einen deutlichen Vorsprung von 40,5 Punkten vor England als Silbergewinner mit 34,5 Punkten und den Niederlanden (J. van der Niel, G. Sosonko, P. van der Sterren, J. Piket) mit ebenfalls 34,5 Punkten Bronze.

29. Schacholympiade Novi Sad 1990

Zum Zeitpunkt der Schacholympiade in Novi Sad war die DDR zwar seit sechs Wochen nicht mehr existent,ost- und westdeutscher Schachverband aber noch nicht "wiedervereinigt", was zur Teilnahme einer Mannschaft namens "DOR" führte, die mit Bönsch, Knaak, Uhlmann und Tischbierek den 24. Platz erreichte. Westdeutschland hingegen kam mit Hübner, Hort, Lobron und Kindermann auf den neunten Platz. Die UdSSR erreichte mit Iwantschuk, Gelfand, Beljawski und Jussupow den ersten Platz, gefolgt von den USA und England.

30. Schacholympiade Manila 1992

Nun existierte 1992 also auch keine UdSSR mehr... aber Russland (Kasparow, Khalifman, Dolmatow, Drejew, Kramnik, Wyschmanawin) erreichte den ersten Platz, Usbekistan Silber, Armenien mit Petrosjan als Ersatzspieler Bronze. Weitere acht ehemalige Sowjetrepubliken erzielten Plätze zwischen fünf (Lettland) und 43 (Kasachstan). Deutschland erreichte mit Hübner, Lobron, Hertneck und Hort den 13. Platz. Ursprünglich sollte diese Schacholympiade in Puerto Rico stattfinden, das wurde aberaus dortigem Geldmangel heraus abgesagt,und das Heimatland des FIDE-Präsidenten Florencio Campomanes sprang ein. Beim Einlauf der Fahnenträger wurde die bundesdeutsche Mannschaft versehentlich von einer DDR-Fahne repräsentiert...

Grundlage für diesen Artikel ist das überaus empfehlenswerte Buch von Raj Tischbierek, "Sternstunden des Schach- 30mal Olympia", erschienen im Verlag Sport und Gesundheit GmbH, Berlin 1993.

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