Mittwoch, 9. September 2009

Gebruder Ingolfs drittes Buch heraus!

Ein Heidenauer Autor (Heidenau = Vorort von Prag) publiziert in einem Radebeuler Verlag (Radebeul = Vorort von Berlin)? Man muß sich schon sehr wundern... Auch die Förderung des Buches durch das Kulturamt Radebeul läßt Ängste aufkommen ob des denkbaren Parteiausschlußes Radebeuls aus der freistaatlichen Gesamt-DSU. Aber "Gebruder Ingolf hat Gedanken, wo niemand brauchen tut" (Titel des Buches), und die will er uns natürlich mitteilen. Nun hat er ja schon zweimal die Gelegenheit ergriffen, schwarze Buchstaben auf weisses Papier zu fixieren, und als Märchenautor mag ihm jenseitig ein Hocker an der Tafel der Gebrüder Grimm gewährt werden - soweit dort Heidenauer mit Satellitenfernsehen willkommen sind.
Unnütze Gedanken will er uns abnehmen, und, fürwahr, wer würde sich schon jemals Gedanken über die Sat1-Serie "Lenßen und Partner" machen? Wartend auf die vorzeitiger ausgestrahlten Nachrichten, erkennt man diese öde Werbeummantelung doch schnellstens als intellektuelles Ärgernis im Rahmen der Weltrettungsambitionen der umfangreichen Gesamtheit der Fernsehpolizisten... doch es hat ja alles seinen Sinn. Wenn Papa nach Hause kommt, müssen Socken gewaschen, Fertiggerichte in die Mikrowelle geschoben, Hausaufgaben auf ihre fehlerfreie Grammatik überprüft werden. Ein sinnlos dahinblubbernder Fernseher im Hintergrund macht da genauso Sinn, wie "Lenßen und Partner"! Kein Mensch käme ernsthaft auf die Idee, sich über eine solche Serie Gedanken zu machen - Gebruder Ingolf übernimmt das für uns, und gar nicht mal schlecht. Er wäre "kein Exot, sondern ein durchschnittlicher Deutscher mit durchschnittlichen Gefühlen und Ansichten." (S.96) Also ist er nicht Ingolf Roßberg, der Beherrscher der zwei Schwebebahnstädte? Gut...
Im Buch folgt nun mit Kapitel 2 "Vom König Drosselbart" eine nur schlecht als Märchen verkleidete philosophische Abhandlung über den Spitzbart von Walter Ulbricht. Dies nun in Verbindung mit dem Vollbart des Autors lässt mich stundenlang die Wohlfeylheit tschechischer Rasierklingen lobpreisen...
Kapitel 3 kommt als politische Kampfschrift daher, möchte sich dann aber gegen die Amerikanisierung der deutschen Sprache wenden. Der Beginn dieser Bubble-Gum-Sprache bei den Westdeutschen wird fälschlicherweise zeitlich mit der Nutzung des Internet verbunden. Jedoch kann der Autor nichts von den Gepflogenheiten der drei Westmächte wissen (die Engländer sprechen eher selten russisch...), wurde er (bzw. seine genetischen Vorläufer) 1945 zwar zwangskollektiviert, durfte aber dennoch weiter hochdeutsch sächseln... Sicherlich, in Zeiten von PISA durch 30 Fernsehkanäle zappend, kann es leider nicht weiter verwundern, das der Verkauf von Haribo Coloradel nicht unbedingt durch Heine, Kleist oder Schiller in Schwung kommt - Ggfs. den "TV Off"- Button mit der Kleistbuchkante switchen!
Kapitel 4 sieht Paule Pampel als Vorstreiter für die gerechte Sache des Abbaus von Verkehrsampeln (mit oder ohne Mützenmann) - gerade auf dem guten alten Zebrastreifen findet der gewiefte Schachspieler doch viel mehr Anlaß und Muße zum Philosophieren über Smyslows Turmendspiele.
Doch kann Kapitel 4 genausogut auch als Stellungnahme gegen Hartz 4 gedeutet werden...
Das Bayern-Rätsel hingegen gibt Anlaß zum Spekulieren, ob es sich bei Gebruder Ingolf nicht vielleicht doch um einen westdeutschen Ethnologen handelt - die alten Bundesländer pflegten den Spott über die Bayern direkt nach den Ostfriesen, und Edmund Stoiber ist als Witzfigur nur ein billiger Abklatsch des Kinderschrecks Franz Josef Strauß. Überhaupt, wann kommt der Doppelgänger von Seehofer mit der HipHop-Schnulze "Zu potent für die CSU"? (Nur original mit Landrätinnenstöhnen als Backgroundvocals)

"Schwarz-Braun ist der Schokokuss..", eine zynische Aufarbeitung der geistigen Verirrung der Volksmusik, wäre naturgemäß mein Favorit in diesem Büchlein. Doch an der Stelle, wo der kölsche Karnevalsschlager sein Fett wegbekommt, tritt bei mir gebürtigem Kölner erhebliche Verwirrung auf ob des vermeintlichen Schreibfehlers "Kölle allahf"... Nun ist der hohe Ausländeranteil in Köln ja zurückzuführen auf a.) die allgemeine Menschenfreundlichkeit diverser griechischer und türkischer Militärjuntas b.) die Unlust der kölschen Arbeiterklasse zur Teilhabe an schlechtbezahlten Knochenjobs bei den Fordwerken und daher resultierendem Bedarf an billigen Arbeitern. Sicherlich eignet sich Metin Kaplans Kalifatsstaat hervorragend für mindestens einen Wagen auf dem Kölner Rosenmontagszug. Und, wie Ali Atta feststellte, Allah ist der Beherrscher dieser und der jenseitigen Welt. Ergänzend läßt sich also feststellen, er ist auch der Beherrscher von Volksmusik, kölschem Karneval und den in der DDR gefertigten Karnevalsbonbons zur Berufsstanderhaltung der Kölner Zahnärzte, von in Köln stationierten Fernsehsendern (Bertelsmann!) auf sächsischen Empfangsgeräten, von übermäßigen Mengen Hundekot auf Kölns Straßen, von einem unter der Last der Taubenscheiße bald zusammenbrechenden Kölner Dom, ja sogar der Beherrscher der Verkaufszahlen von netten Satirebüchern wie dem von Gebruder Ingolf! allah u akbar...
Das Kapitel "Happy Birthday" hingegen möchte es sich nun mit den Angelsachsen verderben, die doch ihre Form des Uhrzeitablesens denen der Sachsen ohne Angel (da Festlandbewohner...) angepasst haben - aber immerhin: Charles Dickens kennt auch nicht jeder...
"Vom Fischer und seiner Frau" handelt in wohltuend unverständlicher Weise von norddeutsch-bayrischer Völkerverständigung, dem Finanzamt, dem Fischfang und seinen verschiedenen Fischarten... Elemente von Märchendichtkunst finden ebenso Verwendung, aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine Liebesgeschichte und eine Liebeserklärung an trübes Hefeweizen und den russischen T 34. Man kann aber auch "The Fog - Nebel des Grauens" oder "Dagon" zur Untermalung empfehlen...
Im letzten Kapitel "Fernsehunkraut II - K10-Kommissare ermitteln" wird der Bogen zurück zum Anfang geschlagen, die Männer vom K 11 ermitteln wieder - ich muß neidlos und leidlos zugeben, diese Sendung gar nicht zu kennen. Aber ich kenne "Kripo Live" auf MDR, und der Schilderung nach ist das ähnlich. Lalülala Tatütata...
Nun wird nicht jeder potentielle Buchkäufer den Weg in den Heidenauer Dienstagsunderground finden ("Russenmafia", gelegentlich alkoholisierte Dynamofans, überarbeitete bedürftige Muttis mit Handy und Sportwagen), von daher, das Buch ISBN 978 - 3 - 940200 - 06 - 8 läßt sich ggfs. auch bei glücklicherweise nicht schwerhörigen Buchhändlern erfragen. Der Reingewinn aus der Vorfinanzierung sponsort den U-Bahn-Bau zwischen Mügeln und Großsedlitz (nicht).

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