Bundesregierung setzt Operation »Sophia« aus, die Marine ist zufrieden und konzentriert sich vorerst wieder auf die Ostsee
Von René Heilig
Lesedauer: 4 Min.
Keine gute, doch eine erwartete Entscheidung: Die Regierung setzt die
deutsche Beteiligung an »Sophia« aus. Der Name der Operation fand
Verbreitung nach der Geburt eines kleinen Mädchens auf der deutschen
Fregatte »Schleswig-Holstein«, das man nach dem marineinternen Rufnamen
des Schiffes Sophia nannte. Offiziell lautet der Codename der Mission
EUNAVFOR MED.
Formal geht es um die Bekämpfung der Schleuserkriminalität aus
Nordafrika, vor allem aus Libyen. Faktisch jedoch halfen deutsche und
Kriegsschiffe anderer EU-Nationen dabei, Flüchtlinge und Migranten aus
akuter Seenot zu retten. So leisteten die Militärs zumindest einen
kleinen Beitrag gegen das Massensterben im Mittelmeer. Zumeist brachte
man die Geretteten zu italienischen Häfen. Doch das hat die neue rechte
Regierung in Rom weitgehend unterbunden. Sie sorgte auch dafür, dass das
von der EU zuletzt bis Ende 2018 verlängerte Mandat nur noch rein
technischer Natur war. Zugleich verschob die Operationszentrale in Rom
das Schwergewicht und setzte die drei verbliebenen Kriegsschiffe aus
Deutschland, Spanien und Italien fast ausschließlich zur Überwachung des
UN-Waffenembargos gegen Libyen ein und ließ Lagebilder vom Ölschmuggel
aus dem nordafrikanischen Land erstellen. Bewusst hielten die
Verantwortlichen in Italien die Schiffe von den Flüchtlingsrouten fern.
Die letzte Rettung von Schiffbrüchigen durch die Bundeswehr liegt
bereits rund zehn Monate zurück.
Nachdem Italien bereits mit teilweise kriminellen Methoden Schiffe
von privaten Rettungsorganisationen weitgehend vertrieben hat, gelingt
das nun auch im militärischen Bereich. Objektiv hilfreich ist dabei die
Unfähigkeit der EU, sich über die Verteilung von Geretteten zu einigen.
Es gäbe eine einfache Lösung. Man muss die Kriegsschiffe
einfach unter nationalem Kommando zur Lebensrettung ausschicken. Die
logische Konsequenz: Alle von deutschen Kriegsschiffen Geretteten
dürften in Deutschland Asyl beantragen. Eine derart humanitäre Haltung
scheitert an den politischen Mehrheiten in DeutschlEigentlich sollte der Einsatzgruppenversorger »Berlin« - ein Schiff,
das bestens für Rettungseinsätze ausgerüstet ist - die nun heimkehrende
»Augsburg« ersetzen. Doch nun wird die »Berlin« an NATO-Übungen im
Atlantik teilnehmen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Man könne auf Lageänderungen »jederzeit flexibel reagieren«, betonte
der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Andreas Krause. Doch im
Grunde hält er das Aussetzen der Teilnahme an der Operation »Sophia«
für eine »gute Entscheidung. Die freiwerdenden Seetage können wir gut zu
Übungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung nutzen«.
Mangels anderer politischer Entscheidungen der schwarz-roten
Bundesregierung baut die Marine militärstrategische Fähigkeiten aus. Am
Mittwoch wurde in der Rostocker Hansekaserne ein neuartiger Stab
gebildet. Der »German Maritime Forces Staff« wird Operationen an der
Nordflanke der NATO planen und führen. Im Bedarfsfall kann er zu einem
deutlich größeren internationalen Führungsinstrument, dem »Baltic
Maritime Component Command« (BMCC), erweitert werden.
Die Ostsee, so betonte der Stellvertretende Inspekteur der Marine,
Vizeadmiral Rainer Brinkmann, am Dienstag auf einer internen
Strategietagung, habe deutlich an Bedeutung gewonnen. Sie sei »von der
Spielwiese für Frieden und Freundschaft zur verwundbaren Nabelschnur zu
unseren Verbündeten im Baltikum geworden«. Zwar ist die »halbhegemoniale
Macht« Deutschland selbst nicht mehr Frontstaat, aber dem Land komme
»eine Drehscheibenfunktion für die Unterstützung unserer Partner im
Osten zu«.
Doch Brinkmann hat einen durchaus globalen Blick auf die »Gemengelage
strategischer Interessen und geopolitischer Faktoren«. »Die Versteppung
und Verkarstung der Kontinente nimmt in Verbindung mit dem dort
herrschenden Wasser- und Ressourcenmangel bei gleichzeitiger Zunahme der
Bevölkerung dramatisch zu. Die Menschen machen sich auf den Weg an die
Küsten, wo sich trotz der ohnehin hohen zivilisatorischen Dichte immer
mehr Bevölkerung und maritime Infrastruktur ballen und von wo aus
Menschen hoffen, in eine bessere Welt aufbrechen zu können.«
Brinkmanns Schlussfolgerung als Marinebefehlshaber: »An der Südflanke
sind wir durch Massenmigration, Menschenhandel, organisierte
Kriminalität und fehlende staatliche Ordnungsstrukturen gefordert.« Die
Herausforderungen seien »zwar maßgeblich polizeilich humanitären
Charakters, ohne die Streitkräfte wird es aber nicht gehen«. Der Admiral
meint: »Letztlich geht es um nicht mehr und nicht weniger, als einen
unkontrollierten Sturm auf die Festung Europa zu verhindern.« https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110667.operation-sophia-humanitaet-am-ende.html
Fabian Hillebrand über den deutschen Rückzug aus der EU-Mission »Sophia«
Von Fabian Hillebrand
Lesedauer: 2 Min.
Geflüchtete aus Seenot zu retten könnte einfach sein: Ihre Boote sind
per Radar zu orten und sie verfügen über Satellitentelefone, mit denen
sie Notrufe absetzen können. »Es ist eine Frage des Wollens«, wie der
Bundestagsabgeordnete Michel Brandt jüngst feststellte. Die
Bundesregierung will nicht: Die Marine wird kein neues Schiff zur
Unterstützung von »Sophia« ins Mittelmeer schicken. Die EU-Mission hat
den Auftrag, Schleuser zu bekämpfen und Geflüchtete in Seenot zu retten.
So wichtig die Anliegen, so dünn die Erfolge: Die Schiffe der Mission
fuhren zu weit von der libyschen Küste entfernt, um Schleuser auch nur
mit dem Fernglas zu sichten. Zweck des Einsatzes ist längst ein anderer:
Die Marine beteiligt sich seit 2016 an der Ausbildung libyscher
Milizen, mit dem Ziel, Menschen an der Überfahrt zu hindern. Das
Bundeswehrmandat wurde ein weiterer Mauerstein in der Festung Europas.
Und trotzdem: Auch wenn die Rettung von Geflüchteten für die deutsche
Marine allerhöchstens lästiger Beifang war und die Zahl der Geretteten
zuletzt durch den Druck der rechten Regierung in Italien massiv sank-
2018 wurden nur noch 2769 Menschen aus Seenot gerettet, im Vorjahr waren
es mit 12 830 fast fünfmal so viele Menschen -, der Rückzug von
»Sophia« wird zu noch mehr Toten auf dem Mittelmeer führen. Deshalb muss
die Bundesregierung den Einsatz dringend durch eine staatliche zivile
Rettungsmission ersetzen. Die Migration über die gefährliche
Mittelmeerroute hört schließlich nicht auf, nur weil Europa sich
streitet. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110665.eu-mission-sophia-verantwortungsloser-rueckzug.html
Das Ausharren auf See ist für die Flüchtlinge eine traumatische Erfahrung, sagt Kapitänin Pia Klemp
Von Fabian Hillebrand
Lesedauer: 4 Min.
Schon wieder europäisches Tauziehen um ein Rettungsboot auf dem
Rücken der Flüchtlinge: Italien hat die niederländische Regierung
aufgefordert, eine Lösung für das Schiff »Sea-Watch 3« einer deutschen
Hilfsorganisation zu finden. Ein entsprechender Brief sei an Den Haag
gegangen, erklärte Innenminister Matteo Salvini am Freitag. Das Boot fährt unter niederländischer Flagge und hatte vor einer Woche 47 Flüchtlinge vor Libyen aufgenommen.
Die niederländische Regierung jedoch wies die Verantwortung zurück.
»Es ist Aufgabe des Kapitäns der «Sea-Watch3», in der Nähe einen
sicheren Hafen zu finden«, erklärte das für Asylfragen zuständige
Justizministerium auf dpa-Anfrage in Den Haag. Migranten ohne Recht auf
Asyl müssten an der europäischen Außengrenze gestoppt oder
zurückgeschickt werden. Ohne eine derartige strukturelle Lösung würden
die Niederlande keine Migranten mehr aufnehmen. Die Antwort ist absurd,
vor allem, da die Seenotrettungsstelle zuständig ist, der »Sea-Watch3«
einen Hafen zuzuweisen. Diese liegt in der italienischen Hauptstadt Rom. Das Schiff der Berliner NGO Sea-Watch
ist zum zweiten Mal innerhalb eines Monats auf dem Meer blockiert.
Mittlerweile wartet es vor Italien vergeblich auf Anweisungen. Obwohl
sich mehrere Städte in Italien zu einer Aufnahme bereit erklärten,
verbietet es die populistische Regierung in Rom.
Man suche Schutz »vor bis zu 7 Meter hohen Wellen, Regen und
eisigem Wind«, twitterte Sea-Watch. Wegen eines Sturms steuerte die
»Sea-Watch 3« in italienische Gewässer und liegt nun zwei Kilometer vor
dem sizilianischen Syrakus. In einer Online-Petition fordert »Sea-Watch« die Zuweisung eines sicheren Hafens:
»Wir fordern die europäische Kommission auf: Ziehen Sie ein für alle
mal einen Schlussstrich unter das würdelose Geschachere mit Menschen«,
heißt es in der Petition, die bereits 35.000 Menschen unterschrieben
haben.
Der niederländische Botschafter in Italien solle einberufen werden,
um zu erklären, was seine Regierung tun wolle, sagte Vize-
Regierungschef Luigi Di Maio. »Wir sind bereit für die maximale
Zusammenarbeit, aber unsere Linie für die NGOs ändert sich nicht.«
Italien hält seine Häfen für private Rettungsschiffe seit Monaten
geschlossen und hat bereits mehrere Schiffe auf See blockiert. »Syrakus
muss der nächste sichere Hafen werden«, sagt Sea-Watch-Sprecher Ruben
Neugebauer. Unter den 47 Migranten seien 13 Minderjährige. Hinzu kommen
22 Crewmitglieder. Den Geretteten gehe es soweit gut.
Der Bürgermeister der sizilianischen Stadt erklärte sich bereit, das
Schiff aufzunehmen. Allerdings liege die Entscheidung nicht bei der
Kommune, sagte Francesco Italia nach Angaben italienischer Medien. Auch
andere Städte wie Neapel zeigten Bereitschaft.
Bei dem rechten Innenminister Matteo Salvini stießen sie wie gehabt
auf taube Ohren. »Während der Innenminister für die Interessen der
Italiener arbeitet, sorgt sich der (Bürgermeister von Neapel) weiter nur
um die Migranten«, sagte Salvini. Zynisch ist der Kommentar gerade
angesichts der vielen Menschen nicht nur in Neapel, die ihre
Bereitschaft signalisiert haben, die Menschen aufzunehmen.
Die EU-Staaten können sich seit Jahren nicht auf eine Verteilung von
Bootsflüchtlingen einigen. Die »Sea-Watch 3« war um den Jahreswechsel
etwa drei Wochen auf See blockiert, bevor die Flüchtlinge in Malta an
Land durften. Von dort sollten sie auf andere EU-Staaten verteilt
werden.
Für die Flüchtlinge an Bord und auch für die Crew ist das Ausharren
auf See eine schreckliche Erfahrung. Eine der Kapitäninnen der
»Sea-Watch«, Pia Klemp, schildert das gegenüber »nd«: »Es ist wie eine
zweite Traumatisierung. Die Menschen sind gerettet, aber müssen über
Tage im ungewissen auf dem Schiff ausharren. Manchmal zusammen mit
Toten, die wir ebenfalls bergen und an Land bringen«.
Die EU-Kommission betonte am Freitag, die Ereignisse zu verfolgen und
mit den EU-Staaten in Kontakt zu sein. »Die Sicherheit der Menschen an
Bord muss unser oberstes Anliegen und unsere Priorität sein«, sagte ein
Sprecher. Es werde dringend eine vorhersehbare Regelung für solche Fälle
gebraucht. Italien und die EU unterstützen Libyen darin, die Flüchtlinge wieder in das Bürgerkriegsland zu bringen.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren das, da den Auswanderern dort
unter anderem Folter drohte. Seit Beginn des Jahres sind laut
Internationaler Organisation für Migration mindestens 217 Menschen bei
der Überfahrt über das Mittelmeer gestorben. mit Agenturen
Erwartet wurde von vielen in Spanien, dass die sozialdemokratische
Regierung eine humanitäre Flüchtlingspolitik betreiben würde. Aber das
Geschehen um »Open Arms« und »Aita Mari« zeigt das Gegenteil.
Hilfsorganisationen sind entsetzt darüber, dass die Regierung mit
fadenscheinigen Argumenten das Auslaufen von Rettungsschiffen
verhindert.
Der Stadtrat von Barcelona hat nun mit großer Mehrheit gefordert, das
Rettungsschiff »Open Arms« sofort freizugeben, das im Hafen von
Barcelona blockiert ist, damit es seiner Aufgabe nachkommen kann. Seit
dem 8. Januar verbietet die Hafenbehörde, die dem
Infrastrukturministerium in Madrid untersteht, das Auslaufen, um vor der
Küste Libyens ertrinkende Menschen zu retten. »Open Arms« hat auf
Twitter einen Zähler eingerichtet. Dort ist zu lesen, dass seit der
Blockade knapp 250 Menschen ertrunken seien.
Verstehen kann Óscar Camps, Präsident der Hilfsorganisation, das
Vorgehen und die technische Begründung nicht. »Dass nach zwei Jahren auf
See festgestellt wird, dass das Schiff nicht geeignet sei, ist entweder
eine Ausrede oder ein politischer Schwenk«, sagte er. Letzteres wird im
Baskenland vermutet, wo seit dem 18. Januar auch die »Aita Mari«
blockiert ist. Auch hier führen die Behörden an, das umgebaute Schiff,
einst zum Fang von Thunfisch eingesetzt, sei nur für die Beförderung von
20 Personen zugelassen. Die »Open Arms« hatte mehr als 300 Menschen an
Bord, als sie Ende des Jahres nach einer Odyssee im Hafen von Algeciras
einlief. Die Humanitäre Seenotrettung, die hinter der »Aita Mari« steht,
wartet nun auf die Entscheidung über ihren Einspruch. Ihr Sprecher
Daniel Rivas erklärte gegenüber »nd«: »Die Begründung basiert auf einer
falschen Auslegung.«
Die Mitglieder der Besatzung der »Aita Mari«, die alle schon
als Seenotretter unterwegs waren, gehen von einem politischen Schachzug
aus. »Wenn eine Regierung der Sozialistischen Arbeiterpartei von einem
Faschisten wie Salvini gelobt wird, dann stimmt irgendetwas nicht«,
erklärt der Kapitän Marco Martínez, der schon auf der »Open Arms«
gefahren ist. Tatsächlich hat der italienische Innenminister den neuen
Umgang Spaniens mit den Schiffen gelobt.
Soweit ist nicht einmal die konservative Vorgängerregierung gegangen.
Sie hatte Seenotretter agieren lassen. Die Enttäuschung darüber lässt
auch den Druck auf die jetzige Regierung von Pedro Sánchez steigen.
Linksparteien wie die baskische EH Bildu und Podemos haben deshalb einen
Antrag ins Parlament eingebracht, in dem sie die Freigabe der
Rettungsschiffe fordern. Sánchez ist auf ihre Stimmen angewiesen.
Am Samstag sind 5000 Menschen aus Irun im spanischen Baskenland über
die Grenze nach Hendaye (Frankreich) gezogen, um für offene Grenzen
einzutreten und haben sich mit der Besatzung der »Aita Mari«
solidarisiert. »Die Zukunft Europas ist multikulturell - oder es hat
keine«, erklärten Sprecher vom Aufnahmenetzwerk Irun. Die »Aita Mari«
befand sich derweil auf dem Weg nach Bilbao. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110933.open-arms-open-arms-von-madrid-festgehalten.html
Parlamentspräsident Kataloniens stellte klar, dass Hass und Intoleranz keinen Platz in Katalonien hätten
Von Elisabeth Voß
Lesedauer: 2 Min.
In der Nacht vom 26. zum 27. Januar 2019 wurde das neu eröffnete
LGTBI-Zentrum im Stadtteil San Antonio von Barcelona überfallen. Die
Glastür wurde eingeworfen, und die Glasscheiben des Ladenlokals mit
Beschimpfungen und Drohungen beschmiert. In großen schwarzen Buchstaben
steht dort: »Du bist tot« – ESTAIS MUERTOS – wobei das O ein Kreuz
enthält. Diese Radkreuz-Rune wird gerne von faschistischen Gruppen
verwendet.
Das Zentrum für lesbische, schwule, transgender, bi- und
intersexuelle Menschen war erst vor einer Woche eröffnet worden. Es ist
ein Meilenstein in der Umsetzung des »Städtischen Plans für sexuelle und
geschlechtliche Vielfalt«. Auf über 1.200 Quadratmetern bietet es
soziale, rechtliche und Gesundheitsberatung, darüber hinaus kulturelle
und künstlerische Angebote, ein Dokumentationszentrum sowie
Veranstaltungs- und Konferenzräume. Das Zentrum soll die Sichtbarkeit
der LGTBI-Community in der Stadt verbessern und gleichzeitig ein
integrativer Ort sein, der ebenso von der Nachbarschaft genutzt werden
kann. Es wurde von Anfang an gut angenommen, zur Eröffnung kamen 8.000
Menschen.
Betrieben wird das Zentrum von einer Plattform vieler verschiedener
LGTBI-Organisationen Kataloniens. Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau
vom munizipalistischen Wahlbündnis »Barcelona en Comú« erklärte bei der
Eröffnung, dass sie stolz darauf sei, dass Barcelona damit eine
Vorreiterrolle bei der Verteidigung der Rechte von allen, insbesondere
der LGTBI-Menschen, einnehme.
Ada Colau
Der Anschlag von letzter Nacht rief großes Entsetzen hervor.
Ada Colau, die sich offen zu ihrer Bisexualität bekennt, verurteilte ihn
als feige und betonte, dass dieser keine Angst hervorriefe, im ,
Gegenteil. Der Parlamentspräsident Kataloniens, Roger Torrent, stellte
klar, dass Hass und Intoleranz keinen Platz im Land hätten. Von vielen
Seiten gab es Bekundungen von Betroffenheit und kämpferischer
Solidarität.
Glücklicherweise hielten sich zum Zeitpunkt des Anschlags keine
Menschen in den Räumen auf, so dass nur erheblicher Sachschaden
entstand. Die Polizei ermittelt. Da es den Tätern nicht gelang, in die
Räume einzudringen, könnte der Betrieb bald wieder aufgenommen werden.
Für Montagabend um 18:30 Uhr ruft die »Plataforma d'entitats LGTBI de
Catalunya« zu einer Demonstration auf, die direkt vor den Räumen des
Zentrums in der Calle Comte Borrell 22 beginnen soll. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110949.lgbti-zentrum-lgbti-zentrum-in-barcelona-ueberfallen.html
Wir stehen für ein europäisches Projekt von internationaler
Solidarität, Humanismus und Frieden. Nur ist das mit dieser
real-existierenden EU nicht zu machen, denn die EU-Verträge bieten keine
taugliche Grundlage für ein soziales, demokratisches, ökologisches und
friedliches Europa. Das wird deutlich, wenn wir uns die Entwicklungen
der EU exemplarisch im Bereich Militarisierung und Soziales anschauen:
Festung Europa und Militarisierung
Im vergangenen Jahr starben auf dem Mittelmeer laut dem
UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als 2200 Flüchtlinge bei der Überfahrt nach
Europa. Und die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex
wird sogar weiter ausgebaut. Mit mehr Geld und Kompetenzen werden die
Außengrenzen gesichert, Flüchtlinge aufgehalten, die zivile
Seenotrettung kriminalisiert und zurückgedrängt. Der EU-Türkei-Deal,
Verhandlungen mit afrikanischen Staaten über Aufnahmelager – wir erleben
einen Zynismus, der kaum zu überbieten ist. Wenn es den »europäischen«
Interessen dient, wird mit autoritären Regimen zusammengearbeitet.
Hymnen des Selbstlobes sind zur Verleihung des Friedensnobelpreises 2012
an die EU gesungen worden. Der ehemalige EU-Ratspräsident Van Rompuy
sprach von der EU als »größte friedensstiftende Institution, die jemals
bestanden hat«. Doch der relative Frieden innerhalb der Union steht im
starken Kontrast zum Verhalten vieler EU-Mitgliedstaaten nach außen und
der Rolle der EU als imperialer Block und zunehmende Supermacht.
Seit der Gründung der EU 1992 ist die Union mit zunehmender
Intensität militarisiert worden. Mit dem Vertrag von Lissabon haben sich
die EU-Staaten zu weiterer Aufrüstung verpflichtet (Art.42,3 EUV): »Die
Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten
schrittweise zu verbessern«. Eine solche Rüstungsverpflichtung ist in
keiner Verfassung eines EU-Mitgliedstaates zu finden.
In Zeiten von Brexit und Trump soll nun das gemeinsame
militärische Projekt den Kitt in der EU bilden. Es ist ein
beschleunigter Ausbau der militär-, verteidigungs- und
rüstungspolitischen Integration zu beobachten. Eine Entwicklung hin zu
einem militärischen Kerneuropa unter deutsch-französischer Führung.
Anlässlich der Aktivierung der »Ständigen Strukturierten
Zusammenarbeit« im Militärbereich (PESCO) durch 25 Mitgliedstaaten in
2017 schwärmte EU-Ratspräsident Tusk »Heute wird ein Traum wahr« und
EU-Kommissionpräsident Juncker sprach von der »schlafenden Schönheit des
Lissabon-Vertrages«, die nun erwacht sei. PESCO soll militärische
Fähigkeiten und Kapazitäten stärker bündeln und militärische
Kooperationsprojekte voranbringen. Truppenverbände sollen schneller
bereitgestellt und verlegt, die bestehenden militärischen EU-Missionen
und EU-Battlegroups ausgebaut und effizienter werden. Die
Mitgliedstaaten verpflichten sich weiterhin, ihre Militärhaushalte
regelmäßig zu erhöhen und in die Rüstungsforschung zu investieren.
Der neu geschaffene Europäische Verteidigungsfonds ist ein weiterer
zentraler Baustein der verschärften Militarisierung auf EU-Ebene. Gemäß
den Plänen soll der Fonds 13 Milliarden Euro aus dem nächsten
langfristigen Haushalt der EU erhalten. Es geht vor allem um eine
gemeinsame Verteidigungsforschung und Kofinanzierung von militärischen
Projekten. Dazu könnte dann auch die Entwicklung neuer Waffensysteme
zählen, darunter eine »Euro-Drohne«.
Arbeit und Soziales
Sozialpolitik ist auf EU-Ebene fast nur Beiwerk zum neoliberalen Kern
der EU. Zu Recht fordern wir gemeinsam mit den Gewerkschaften eine
soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen. Allerdings ist der
neoliberale Dreiklang aus »Liberalisierung, Deregulierung und
Privatisierung« fester Bestandteil der Strategie der EU und zementiert
in den Verträgen. Eine Kernforderung unsererseits ist daher die
grundlegende Revision der EU-Verträge. Soziale Grundrechte, erreichte
Standards und die Tarifautonomie müssen Vorrang vor der Freiheit der
Märkte und Wettbewerbsfähigkeit haben. Über eine neue Vertragsgrundlage
müssen Volksabstimmungen in allen EU-Mitgliedstaaten abgehalten werden.
In der EU stehen Absichtserklärungen zur »Überwindung von Armut und
sozialer Ausgrenzung« die erzwungenen Lohn- und Rentenkürzungen sowie
einer Politik des Sozialabbaus und der Privatisierung öffentlicher
Daseinsvorsorge gegenüber. Die deutsche Bundesregierung trägt hierfür
eine wesentliche Verantwortung und muss im Fokus unserer Kritik stehen.
Jede 5. Person in der EU ist bereits von Armut oder sozialer Ausgrenzung
bedroht und nun soll der Kohäsionsfonds zur Angleichung der
Lebensverhältnisse innerhalb der Union in den kommenden Jahren gar um 10
Prozent gekürzt werden. In dieser Gemengelage klingt es wie ein
schlechter Scherz, wenn Juncker sagt: »Das europäische Sozialmodell ist
eine Erfolgsgeschichte und hat Europa zu einem erstklassigen Lebens- und
Arbeitsort gemacht«.
Auf in einen kämpferischen Wahlkampf
Diese EU braucht unbedingt eine starke Linke, die sich nicht
unterbuttern lässt, sondern die unterscheidbar und im Sinne der Mehrheit
der Bevölkerung auftritt. Lasst uns einen geschlossenen,
angriffslustigen Wahlkampf für eine andere EU führen, der sich in seiner
Kreativität und Positionen von den lauwarmen EU-Worten der anderen
Parteien abhebt.
Anknüpfen können wir an die Empörung vieler Menschen über den krassen
Widerspruch zwischen propagierten Werten der EU und der konkreten
Politik, die von Aufrüstung und verstärkter sozialer Ungleichheit
geprägt ist. Dieser Unmut kommt aktuell hierzulande z.B. durch die
»Seebrücke-Bewegung« gegen die inhumane Migrations- und
Flüchtlingspolitik zum Ausdruck. Auch die aktuellen Proteste der
»Gelbwesten-Bewegung« hängen mit der EU-Politik zusammen, denn diese ist
durch ihre Kürzungspolitik mitverantwortlich für die Verschlechterung
der Lebensbedingungen breiter Teile der Bevölkerung.
DIE LINKE muss mutig das aussprechen, was ist. Kritik an der EU darf
sie nicht den Rechtspopulisten überlassen. Eine unkritische Verteidigung
der real-existierenden EU als »kleineres Übel« ist nicht hilfreich,
sondern treibt den Rechtspopulisten Wähler zu. Als Linke stehen wir klar
gegen die neoliberale Kürzungspolitik und die nationalistische und
rassistische Politik der Rechten, deren Aufstieg durch die
marktliberale, undemokratische Politik der EU begünstigt wurde. Das
Fundament unserer Politik ist die Solidarität. Nur DIE LINKE ist die
antikapitalistische Kraft für Frieden, soziale Gerechtigkeit,
Antirassismus und Solidarität.
Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine EU der Millionäre!
Judith Benda ist Mitglied des Parteivorstands der
LINKEN und des Vorstands der Partei der Europäischen Linken. Sie lebt in
Berlin und Brüssel.
Wie entwickelt sich der Kriminalroman? Diskussionen auf dem Festival »Global Crime« in Frankfurt am Main
Von Ute Evers
Lesedauer: 4 Min.
In seinem Aufsatz »Über die Popularität des Kriminalromans«
konstatierte Bertolt Brecht 1938, dass dieser zwar »alle Merkmale eines
blühenden Literaturzweigs zur Schau« trage, er aber »in den periodischen
Umfragen nach den ›Bestsellers‹ kaum je genannt wird«.
Heute ist das völlig anders, viele Tages- oder Wochenzeitungen können
auf eigene Krimi-Bestenlisten oder -beilagen verweisen. Es werden
Kriminalliteraturpreise verliehen, es gibt Verlage mit expliziten
Genrereihen, virtuelle Krimi-Plattformen und Spezialisten auf dem
unendlichen Feld der Spannungsliteratur. Weltweit gehört der
Kriminalroman zu der meistgelesenen Literatur. Er ist zu einem globalen
Phänomen geworden. Am vergangenen Wochenende standen in Frankfurt am
Main im Literaturhaus dann auch die achten Litprom-Literaturtage unter
dem Motto »Global Crime - Kriminalliteratur als globaler Code«.
Die Literaturagentur Litprom gibt es seit 1980. Sie arbeitet nicht
gewinnorientiert, wird unter anderem unterstützt durch Brot für die
Welt, kooperiert mit der Frankfurter Buchmesse, und versteht sich als
»eine vielseitige Plattform für literarische Begegnungen in Zeiten
globalisierter Textzirkulation«, wie es auf ihrer Website heißt. Am
Wochenende präsentierte sie zehn Schriftstellerinnen und Schriftsteller
aus fünf Kontinenten: Candice Fox (Australien), Chan Ho-kei (Hongkong),
Jeong Yu-jeong (Süd-Korea), Deon Meyer (Südafrika), Marcelo Figueras
(Argentinien), Mercedes Rosende (Uruguay), Patrícia Melo (Brasilien) und
Gary Victor (Haiti). Deutschland wurde von Max Annas und Oliver Bottini
vertreten.
Thomas Wörtche, freier Publizist und ausgewiesener Spezialist
globaler Crime Fiction, war zusammen mit Achim Stanislaw Kurator dieser
Literaturtage. Schon zu Beginn erklärte er den Kriminalroman zu einem
nahezu zeitlosen wie globalen Genre, denn: »Fast alle Gesellschaften
sind konstitutiv gewalttätig«, Verbrechen werde es immer geben.
Gleichwohl gibt es literarische Entwicklungen. Die Aufklärung und das
»Enträtseln« eines außergewöhnlichen Verbrechens stehen nicht mehr im
Zentrum anspruchsvoller zeitgenössischer Kriminalgeschichten. Das
klassische »Whodunit« á la Edgar Allan Poe, Sir Arthur Canon Doyle oder
Agatha Christie ist passé.
Was interessiert den zeitgenössischen Krimi, wenn es also nicht mehr
primär nur um die Auflösung des Verbrechens geht? Gibt es Verbindungen
zwischen beispielsweise einer Autor*in aus Australien, Haiti und
Südkorea? Was sind die Kontexte, was die Traditionen ihrer literarischen
Sozialisationen? Was sind die Ansätze, das Innenleben der Romanfiguren
zu erforschen bzw. zu entwickeln?
Die Diskussion dieser Fragen schafft die Momente, in denen solche
Veranstaltungen an Dynamik gewinnen. Es erschließen sich Welten, die
über den fiktiven Raum des Buches hinausgehen. Etwa, wenn Candice Fox
erzählt, dass sie sich fünf Stunden lang mit einem Serienkiller im
Gefängnis unterhielt, mit ihm eingesperrt in einem Glaskasten, um
herauszufinden, wie so jemand tickt. Oder wenn Yu-jeong berichtet, wie
sie sich für die Recherche ihres Romans »Der gute Sohn« wochenlang in
ihr Zimmer eingeschlossen hatte, um die Gerichtsakte eines Psychopathen
zu verinnerlichen. Gary Victor, der Krimis schreibt, um seiner Wut über
die Zustände auf Haiti Ausdruck zu verleihen, will herausfinden, warum
Menschen, die Leid erfahren, so unterschiedlich reagieren: »Ich muss
mich in meine Figuren hineinversetzen wie ein Schauspieler es tut.« Die
Arbeit eines Schriftstellers werde erst dann menschlich, »wenn du deine
Figuren spüren kannst«. Doch »um die brutale Wirklichkeit ertragen zu
können«, sei ein Panzer aus Humor und Fantasie notwendig, konstatiert
der Schöpfer des sympathischen Inspektors Dieuswalwe Azémar.
Allgemein gilt: Die Definition, was ein Verbrechen ist, hat sich
enorm erweitert, seit dem Miss Marple nicht mehr ermittelt. Verbrechen
sind eben auch »Gewalt gegen Frauen, Umweltverschmutzung und das
Geschäft mit dem Müll«, erklärte Mercedes Rosende auf dem
Abschlusspodium, die in ihrem Roman »Krokodilstränen« mit Leonilda Lima
eine ebenso erfolglose wie streitbare Kommissarin geschaffen hat.
Verbrechen sind es auch, wenn deutsche Automobilkonzerne, trotz
Skandalen, weiterhin über ihren Besitz verfügen, fügte Max Annas hinzu,
der sich mit den anwesenden Autor*innen verbunden fühlte, weil sie alle
gesellschaftlich etwas bewegen wollen.
Lösen sich die Grenzen zwischen Kriminalromanen und
Gesellschaftsromanen eines Tages auf? Nur, wenn man sich von den
konventionellen Strukturen des Kriminalromans beirren lässt.
Marcelo Figueras verwies auf die Veränderung des klassischen
Detektivromans hin zu einer novela negra. In dem Maße, wie sich die
Gesellschaft verändere, entwickele sich der Kriminalroman auch als Genre
weiter. »Das Verbrechen ist keine Ausnahme in einer funktionierenden
Gesellschaft mehr, sondern Alltag in einem korrupten System«, so
Figueras. Die Verantwortlichen des »globalen Verbrechens zwingen uns,
neue Formen zu entwickeln«, in die der klassische Detektiv nicht mehr
hineinpasse.
Der Kriminalroman als literarisches Genre werde sich aber nie selbst
abschaffen, sagte der Autor des Romans »Das schwarze Herz des
Verbrechens«, im Gegenteil: diese Art von Literatur reagiere konstant
auf gesellschaftliche Entwicklungen, ja, man könne hier von einer hohen
Anpassungsfähigkeit des Genres sprechen. Oder wie es Figueras
abschließend formulierte: »Was die Zukunft dieses Genres angeht, bin ich
also zuversichtlich. Was die Zukunft unserer Welt angeht, eher
weniger«. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110981.global-crimes-reden-mit-dem-serienkiller.html
Kosten für das neue Gesetz gegen den Pflegenotstand dürften nicht
den Familien aufgebürdet werden/ Am Mittag wird Zwischenbilanz der
»Konzertierten Aktion Pflege« vorgestellt
Lesedauer: 2 Min.
Berlin. Angesichts der Initiative der Bundesregierung gegen den
Pflegenotstand in Deutschland hat der Sozialverband VdK Klarheit bei der
Finanzierung angemahnt. Die Kosten, die mit den geplanten
Verbesserungen einhergehen, dürften »nicht den Pflegebedürftigen und
ihren Familien aufgebürdet werden«, erklärte VdK-Präsidentin Verena
Bentele am Montag in Berlin. »Pflegebedürftige zahlen ohnehin schon viel
und müssen häufig ihre gesamten Ersparnisse aufbrauchen, um die Pflege
zu finanzieren.«
Die finanziellen Belastungen Pflegebedürftiger müssten ein Ende
haben. Das notwendige Geld, um den Altenpflegeberuf attraktiver zu
machen, müsse aus der Pflegeversicherung und aus Steuermitteln kommen,
forderte der Sozialverband. Die Eigenanteile in der Pflege dürften nicht
weiter steigen. »Perspektivisch brauchen wir eine
Pflegevollversicherung, in der die pflegebedingten Leistungen
solidarisch getragen werden«, erklärte Bentele.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Arbeitsminister Hubertus
Heil (beide SPD) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollen
am Mittag eine erste Bilanz der »Konzertierten Aktion Pflege«
vorstellen. Die Minister hatten die Aktion im Sommer vergangenen Jahres
gestartet, um unter anderem die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften zu
verbessern und die Ausbildung zu stärken. Giffey will bei der
Zwischensitzung der Initiative erste Pläne dazu präsentieren, wie die
Pflegeausbildung in Deutschland verbessert werden kann.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte angesichts des
Pflegenotstands in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen eine
schnelle Umsetzung der Ausbildungsoffensive. »Der Pflegeberuf muss
wieder attraktiv werden, um sich in der Konkurrenz um die Fachkräfte der
Zukunft durchzusetzen«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie
Buntenbach. Es müssten aber nicht nur Auszubildende gewonnen, sondern
auch langfristig durch gute Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung im
Beruf gehalten werden.
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus,
forderte mehr Mut und Kreativität für eine bessere Pflege in
Deutschland. »Klein-Klein bringt uns nicht weiter«, sagte er den
Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Montag. Die geplante
Ausbildungsoffensive sei der richtige Impuls. Unverbindliche
Selbstverpflichtungen würden indes zu keiner Problemlösung führen.
Derzeit sind in Deutschland fast 40.000 Stellen im Pflegebereich
unbesetzt. Mit dem vom Bundestag verabschiedeten
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sollen unter anderem in einem ersten
Schritt 13.000 neue Stellen in der stationären Altenpflege geschaffen
werden, vollständig bezahlt von der gesetzlichen Krankenversicherung. AFP/nd https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110955.pflegenotstand-sozialverband-fordert-entlastung-von-pflegebeduerftigen.html
Schon lange werden Probleme in der Altenpflege beklagt, Änderungen
blieben indes rar. Selbst 14 neue Gesetze und Verordnungen in den
letzten fünf Jahren haben im Grundsatz erst wenig bewegt. Allein die
Personalprobleme sind ein unübersehbares Warnsignal für die Zustände in
der Branche.
Offene Stellen bleiben heute im Bundesdurchschnitt 186 Tage
unbesetzt, 40 000 Stellen insgesamt sind das aktuell. Die im Juli 2018
von den Bundesministern Giffey, Heil und Spahn ins Leben gerufene
»Konzertierte Aktion Pflege« verspricht nun 5000 zusätzliche Stellen für
die Nachqualifzierung von Berufsrückkehrern.
Doch wohin kehren diese Menschen zurück? Noch ist ein einheitlicher,
genügend hoher Tariflohn in der Pflege nicht erreicht, noch sind die
Arbeitsbedingungen von alltäglicher Hetze und Überlastung
gekennzeichnet.
Regierungshandeln wird nicht einfacher, weil mittlerweile in
vielen Feldern gleichzeitig Änderungen nötig sind. Die Sozialverbände
fordern aktuell für die Pflegeschulen, die bis 2023 zehn Prozent mehr
Ausbildungsplätze stellen sollen, einheitliche Regeln zur Refinanzierung
ihrer Miet- und Investitionskosten.
Also ist auch hier noch nicht alles in trockenen Tüchern. Ganz zu
schweigen von der vollständigen Finanzierung nicht nur der Schulen,
sondern auch der nötigen Reformen insgesamt. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1111020.pflegenotstand-die-riesenbaustelle.html
Auf seiner Internetseite konstatiert der sächsische Verfassungsschutz
zum Thema »Extremistische Musikszene«: »Obwohl in den Texten oft zur
Gewalt gegen den politischen Gegner oder Polizisten aufgerufen und gegen
den demokratischen Rechtsstaat agitiert wird, müssen
linksextremistische Musikgruppen weniger mit gesellschaftlicher
Ausgrenzung rechnen.«
Und auch in einem mdr-Beitrag, der sich hauptsächlich mit den
»linksextremen« Bands beschäftigt, wird bedauert, dass diese nicht in
gleichem Maße »geächtet und ausgegrenzt« werden wie rechte Bands.
So sehr einem die Gleichsetzung von Rechts und Links auch auf die
Nerven gehen kann, so lässt sich aus den Ausführungen doch auch eine
gute Nachricht extrahieren: Offenbar sieht sich der Verfassungsschutz
trotz aller Bemühungen der Geheimdienstler selbst, aber auch der
politischen Vertreter des Kurses, alles zu diskreditieren, was als zu
links identifiziert wird, noch nicht am Ziel.
Noch ist für einen Teil der Gesellschaft in relevanter Größe
links eben nicht gleich rechts, und schon gar nicht beides gleich
ablehnenswert. Dass dies noch nicht der Fall ist, ist allerdings keine
Garantie dafür, dass es auch so bleibt - zumal in Zeiten, da politische
und gesellschaftliche Veränderungen kaum vorauszusagen sind. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1111019.verfassungsschutz-noch-nicht-am-ziel.html
Selbsternannter Interimspräsident will seine Anhänger erneut auf die Straße bringen
Lesedauer: 3 Min.
Caracas. Inmitten wachsender internationaler Unterstützung hat
Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaidó zu neuen
Protesten gegen Staatschef Nicolás Maduro aufgerufen. Der
Oppositionsführer kündigte in einem am Sonntag über den
Kurzbotschaftendienst Twitter verbreiteten Video für kommenden Mittwoch
und Samstag Demonstrationen an. Derweil erkannten Israel und Australien
Guaidó als Interimspräsidenten an.
Der 35-Jährige rief seine Anhänger auf, zunächst am Mittwoch im
ganzen Land auf die Straße zu gehen. Die Armee müsse sich »an die Seite
des Volkes stellen«.
Am Samstag solle es dann eine »große Mobilisierung in ganz Venezuela
und auf der ganzen Welt« geben, sagte der oppositionelle
Parlamentspräsident. Damit solle dem europäischen Ultimatum an Maduro
Nachdruck verliehen werden, das am folgenden Tag ausläuft.
Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, haben Maduro eine
Frist von acht Tagen gesetzt, um Neuwahlen auszurufen. Andernfalls
wollen auch sie Guaidó anerkennen. Die Frist läuft am kommenden Sonntag,
dem 3. Februar, aus. Maduro hat die Frist aber zurückgewiesen. »Niemand
kann uns ein Ultimatum stellen«, sagte der Sozialist am Wochenende im
Sender CNN Türk.
Guaidó hatte sich vergangene Woche zum
Interimspräsidenten Venezuelas erklärt und damit Maduro offen
herausgefordert. Der Ausgang des Machtkampfs in dem südamerikanischen
Krisenstaat ist offen. Zwar haben sich die USA, Kanada und eine Reihe
weiterer Staaten hinter Guaidó gestellt. Allerdings kann Maduro bislang
offenbar auf die Unterstützung der venezolanischen Armee bauen - auch
wenn die Lossagung des Militärattaché in Washington, José Luis Silva,
von Maduro Risse bei den Streitkräften offenbart. »Immer loyal, niemals
Verräter«, riefen die Soldaten bei einem Besuch Maduros am Sonntag bei
der 41. Brigade in der Festung Paramacay. Bei einer Übung lief der
Staatschef im Laufschritt an der Seite von Verteidigungsminister
Vladimir Padrino durch die Kaserne.
Guaidó versuchte unterdessen, vor allem einfache Soldaten auf seine
Seite zu ziehen. Auf Twitter veröffentlichte er das vom Parlament
verabschiedete Amnestiegesetz, das Militärs Straffreiheit zusichert,
wenn sie sich an der Entmachtung Maduros beteiligen. »Verteilt es an die
Militärs in eurer Familie, unter euren Freunden und Nachbarn«, schrieb
er dazu. Oppositionelle Abgeordnete und Studentenführer übergaben das
Dokument an Beamte der Nationalgarde.
Am Sonntag und Montag stellten sich auch Israel und Australien hinter
Guaidó. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte in einem
Online-Video, er erkenne »die neue Führung in Venezuela« an.
Australiens Außenministerin Marise Payne erklärte, ihr Land erkenne
Guaidó bis zu Neuwahlen als Interimspräsidenten an und unterstütze ihn.
Sie forderte einen Ȇbergang zur Demokratie in Venezuela so bald wie
möglich.« Wichtig sei eine »friedliche Lösung« des Konflikts. Russland
und China halten weiterhin zu Maduro, ebenso wie Bolivien, Kuba,
Nicaragua und die Türkei.
Die Lage in Venezuela hatte sich seit einem gescheiterten Aufstand
von Nationalgardisten am Montag vergangener Woche kontinuierlich
verschärft. Bei Protesten gegen Maduro und Unruhen wurden laut der
Nichtregierungsorganisation Beobachtungsstelle für soziale Konflikte
bislang 26 Menschen getötet. Mehr als 350 Menschen wurden zudem
festgenommen.
Der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, warnte am
Sonntag mit scharfen Worten vor Gewalt gegen die Opposition oder
US-Diplomaten in Venezuela. Jede Form von Gewalt oder Einschüchterungen
gegen US-Diplomaten, Guaidó oder das von der Opposition dominierte
Parlament wären ein »schwerer Anschlag auf den Rechtsstaat« und hätten
eine »signifikante Antwort« Washingtons zur Folge, schrieb Bolton auf
Twitter. Agenturen/nd https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110951.venezuela-guaido-ruft-zu-neuen-anti-maduro-protesten-auf.html
Zahl der Geförderten geht innerhalb von vier Jahren um 180.000
zurück / Grüne: Gehring spricht von einem »fatalen Absturz dieses
wichtigen Chancengerechtigkeitsgesetzes«
Lesedauer: 3 Min.
Berlin. Trotz der jüngsten Bafög-Reform ist die Zahl der Studenten
und Schüler mit dieser staatlichen Förderung in den vergangenen Jahren
deutlich gesunken. Der Rückgang habe sich auch 2017 fortgesetzt, heißt
es in einer Antwort des Bundesbildungsministeriums auf eine kleine
Anfrage der Grünen im Bundestag, die der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin vorliegt. In Kürze soll eine neue Reform des Bafög im
Bundeskabinett verabschiedet werden.
»Auch mit der geplanten Novelle wird der Bedeutungsverlust des Bafög
nicht gestoppt«, sagte der Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring der dpa
unter Berufung auf den aktuellen Gesetzentwurf.
Laut Daten aus der Regierungsantwort und früheren Regierungsangaben
sank die Zahl der Geförderten binnen vier Jahren bis 2017 um knapp
180.000. Nach den aktuellsten Zahlen wurden 2017 noch rund 557.000
Studierende und 225.000 Schülerinnen und Schüler gefördert. Gehring
sprach von einem »fatalen Absturz dieses wichtigen
Chancengerechtigkeitsgesetzes«. Eine Ende dieser Entwicklung sei nicht
in Sicht.
Zwar sollen nach einem Gesetzentwurf von Bildungsministerin
Anja Karliczek (CDU), der bald vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht
werden soll, bedürftige Studenten und Schüler ab Mitte 2019 mehr Bafög
bekommen. Doch Gehring wies darauf hin, dass die Bürger laut dem Entwurf
durch die Neuregelung lediglich einen Mehraufwand von 172.000 Stunden
haben dürften. Soviel Zeit dürften also Studenten, Schüler und Eltern
zusätzlich mit dem Ausfüllen von Bafög-Anträgen verbringen. Bei der
jüngsten, ab 2016 wirksamen Bafög-Novelle aber rechnete die Regierung
mit 580.000 Stunden Mehraufwand - für 110.000 zusätzliche Antragsteller.
Folglich rechne die Regierung selbst dieses Mal mit lediglich weniger
als einem Drittel Antragsteller, also rund 35 000 zusätzlich
Geförderten, schlussfolgerte Gehring.
Für die geplante Reform will der Bund laut dem Gesetzentwurf bis 2022
mehr als 1,8 Milliarden Euro ausgeben. Der Höchstsatz der gesamten
Förderung soll ab dem Wintersemester 2019 in zwei Stufen bis 2020 von
735 Euro auf insgesamt rund 850 Euro steigen.
Es sollen auch mehr junge Menschen vom Bafög profitieren. Dafür
sollen die Freibeträge für das Einkommen der Eltern in drei Schritten
bis 2021 um insgesamt 16 Prozent angehoben werden.
Gehring kritisierte die Pläne als unzureichend. »Freihändig werden
Freibeträge und Fördersätze schrittweise ein wenig angehoben, notwendige
Strukturveränderungen packt Ministerin Karliczek gar nicht erst an -
zum Beispiel die regelmäßige Erhöhung, die Unterstützung pflegender
Studierender oder die Förderung eines Orientierungssemesters.«
Wie aus der Regierungsantwort weiter hervorgeht, beantragen nur sehr
wenige Menschen Bafög online. Von Juni 2017 bis April 2018 waren es 590.
Derzeit - so die Regierung - werde daran gearbeitet, die
Online-Antragstellung über das Verwaltungsportal des Bundes
nutzerorientiert anzubieten. Die Länder seien unter Federführung
Sachsen-Anhalts in den Prozess eingebunden. Einen konkreten Zeitplan
nennt die Regierung in ihrer Antwort nicht.
Gehring forderte: »Union und SPD dürfen das Bafög nicht ruinieren,
sondern müssen es beherzt stärken, um Bildungsaufstieg zu ermöglichen,
persönliches Wachstum und volkswirtschaftlichen Wohlstand zu sichern.«
Fördersätze und Freibeträge müssten zum nächsten Semester um mindestens
zehn Prozent steigen, danach automatisch und regelmäßig. dpa/nd
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sehen vor allem Konsens in
der LINKEN. Streitdebatten seien normal - es komme darauf an, wie man
sie führt
Von Wolfgang Hübner und Uwe Kalbe
Lesedauer: 14 Min.
In den Umfragen geht es drunter und drüber - Union schwach, SPD
sehr schwach, Grüne stark, alle mit wechselnden Werten. Die LINKE bleibt
fast unbeweglich bei etwa neun Prozent. Interpretation Nr. eins: In
unruhigen Zeiten ist die Partei stabil, wenn auch auf mäßigem Niveau.
Interpretation Nr. zwei: Der Partei wird keine Veränderung der
Gesellschaft zugetraut. Welche Version würden Sie bevorzugen?
Sahra Wagenknecht: Vor 20 Jahren wären wir stolz gewesen, wenn links
von der SPD eine Partei stabil bei neun bis zehn Prozent gestanden
hätte. Trotzdem müssen wir uns fragen, warum wir so wenig Wählerinnen
und Wähler erreichen, die früher SPD gewählt haben, gerade unter
Arbeitern, Arbeitslosen und in den Mittelschichten, die Angst vor dem
sozialen Absturz haben. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.
Dietmar Bartsch: In Europa sind Linke vielfach erstaunt, dass die
LINKE in Deutschland stabil und geeint ist trotz aller
gesellschaftlichen Umbrüche - das würde ich schon als Erfolg verbuchen.
Dennoch haben wir im letzten Jahr unsere Möglichkeiten angesichts dieser
desaströsen Bundesregierung sicherlich nicht ausgeschöpft. Die
Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Partei haben uns nicht
attraktiver gemacht. Das werden wir in diesem Jahr ändern.
Das hat sich die LINKE schon mehrfach vorgenommen. Bartsch: Die Europawahl, die Bremen-Wahl, drei ostdeutsche
Landtagswahlen und zahlreiche Kommunalwahlen sind Weichenstellungen auch
für die nächste Bundestagswahl. Wenn wir nicht erfolgreich sind, dann
sind unsere Aussichten deutlich geringer.
Vielleicht hätte die LINKE schon zwei, drei Prozent mehr, wenn ihr nicht die Bewegung »Aufstehen« in die Quere gekommen wäre.
Wagenknecht: »Aufstehen« steht auf keinem Wahlzettel, insofern ist es
schlicht Unsinn, die Bewegung für die mangelnde Resonanz unserer Partei
verantwortlich zu machen. Es ist allerdings bedauerlich, dass die
Chancen, die mit Aufstehen für die LINKE verbunden sind, nicht genutzt
wurden. Ich denke etwa an die über 80 Initiatoren von Aufstehen,
renommierte Schriftsteller, Intellektuelle und Gewerkschafter. Und:
Aufstehen erreicht Milieus, an die die Linke kaum noch herankommt. Es
wäre in unserem eigenen Interesse, anders mit Aufstehen umzugehen. Es gab Streit darüber. Und Streit wirkt sich negativ auf die Umfragewerte aus.
Wagenknecht: »Aufstehen« gibt es seit vier Monaten, der Streit in der
Linken ist leider um einiges älter. Das Problem ist nicht, dass in der
Partei unterschiedliche Meinungen existieren. Etwa über die
Wählerschichten, die wir hauptsächlich ansprechen müssen. Wenn man
darüber sachlich diskutiert, schadet das nicht. In der
Bundestagsfraktionsklausur haben wir es ja auch hinbekommen. Aber wenn
Meinungsverschiedenheiten instrumentalisiert werden, um Personen
loszuwerden, wird es unproduktiv und schädlich. In einem auf der kürzlichen Fraktionsklausur vorgelegten Papier
heißt es, dass Mitglieder der Linksfraktion keine Forderungen von
»Aufstehen« unterstützen sollten, die im Widerspruch zu programmatischen
Forderungen der Partei stehen. Das zielt wohl vor allem auf den Streit
um die Migrationspolitik, auf Formulierungen wie »Offene Grenzen für
Menschen in Not« und »Offene Grenzen für alle Menschen«. Wo ist die
Trennlinie zwischen programmatischer Entwicklung und Verletzung
programmatischer Grundsätze?
Bartsch: Eine linke Partei muss immer Programmpartei sein, muss also
die Programmatik auch ständig weiterentwickeln. Was das Thema Migration
betrifft, haben wir mit der gemeinsamen Klausur von Parteivorstand,
Bundestagsfraktion und Bundesausschuss am 30. November des letzten
Jahres konstruktiv debattiert und in einem gemeinsamen Papier viele
Gemeinsamkeiten festgehalten und gesellschaftlichen Entwicklungen
Rechnung getragen. Im Bundestag haben wir übrigens immer geschlossen
agiert, keiner Asylrechtsverschärfung zugestimmt, haben konkrete
Vorschläge zum Thema Integration gemacht. Plötzlich klingt alles so einfach. Warum dann so viel Ärger zuvor? Was hat den Sinneswandel bewirkt?
Bartsch: Vielleicht war der 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht Anlass zur Besinnung. Wer aus der
Tradition der Arbeiterbewegung kommt, für den sind soziale
Gerechtigkeit, Emanzipation und Frieden die zentralen Fragen. In der
LINKEN haben wir in über 90 Prozent der Positionen Übereinstimmung. Die
und die Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern müssen wir in den
Fokus rücken. Wir haben so viel politische Konkurrenz, so viel
Gegenwind, warum müssen wir dann unseren hausgemachten Streit in den
Vordergrund schieben? Ungeachtet des Konsens auf der Klausur fordern Abgeordnete in
Strategiepapieren nun, sich stärker auch um die Wähler der Grünen zu
bemühen. Das klingt nach einer Neuauflage der Strategiedebatte.
Wagenknecht: Die Grünen haben heute die FDP als Partei der
Besserverdiener abgelöst. Natürlich freue ich mich auch über jeden
LINKE-Wähler mit höherem Einkommen. Trotzdem ist es die Aufgabe einer
linken Partei, in erster Linie für die da zu sein, die zu den
Leidtragenden der Politik der letzten Jahre gehören. Es muss uns doch
umtreiben, dass heute mehr Gewerkschaftsmitglieder AfD wählen als uns.
Und wer glaubt, die Wahlen in Ostdeutschland mit einem Werben um
Grüne-Wähler gewinnen zu können, ist sicher nicht sehr vertraut mit den
Verhältnissen vor Ort. Die Gelbwesten in Frankreich erobern die Straßen und verändern
reale Politik. Brauchte auch Deutschland eine solche Bewegung? Und was
verhindert sie hier?
Wagenknecht: Ganz klar, Deutschland braucht mehr sozialen Protest.
Ich bedaure, dass gerade die, denen es nicht gut geht, sich oft
ohnmächtig fühlen. Die Gelbwesten haben Macron schon ziemlich in die
Defensive gebracht und die unsoziale Benzinsteuer gekippt. So haben die
sozialen Schichten sich wieder eine Stimme verschafft, die seit Jahren
von der Politik ignoriert wurden. Zu Weihnachten haben Sie ja vor dem Kanzleramt in gelber Weste den Aufstand ausgerufen. Aber es ist keiner gekommen.
Wagenknecht: Ich habe keinen Aufstand ausgerufen, sondern meine
Solidarität mit den Gelbwesten zum Ausdruck gebracht. Ich halte es für
sehr wichtig, dass wir an der Seite der Menschen stehen, die sich gegen
Ausbeutung und Erniedrigung wehren, statt uns von oben herab zu
mokieren, dass vielleicht nicht alles, was sie fordern und tun, dem
linken Parteiprogramm entspricht. Ich bin sehr froh, dass es in unserem
Nachbarland diese Bewegung gibt, dass es Druck gibt. Genau den brauchen
wir auch in Deutschland.
Bartsch: In Deutschland sitzen viele Profiteure der krisenhaften
Entwicklung in Europa. Aber die Situation der Abgehängten,
Auseinanderdriften und Spaltung der Gesellschaft, das ist ähnlich wie in
Frankreich. Die Gelbwesten zeigen, welche Bezugspunkte es gibt. In
Frankreich ist es darüber hinaus gelungen, die Proteste wesentlich von
links zu besetzen. Die Entwicklung in Deutschland ist da differenzierter
zu betrachten. Herr Bartsch, Sie haben sich schon darüber beschwert, dass Sie als
Fraktionsvorsitzender dauernd nach »Aufstehen« gefragt werden.
Bartsch: Ja. Die Fragesteller wussten doch, dass ich da nicht die
erste Adresse bin. Ein größeres Maß an Gelassenheit in den eigenen
Reihen hätte ich mir schon gewünscht. Ich habe bereits Ablehnung
vernommen, da war noch nichts klar - weder der Aufruf noch wer ihn
unterzeichnet. Manchem Kritiker ging es nicht um »Aufstehen«, sondern um
Sahra Wagenknecht. Was halten Sie selbst davon?
Bartsch: Es gibt keine Verpflichtung, »Aufstehen« zu unterstützen,
aber es sollte auch keine Diffamierung geben. Ich habe
Fraktionsmitglieder, die dort sehr engagiert sind, und andere, die sehen
das eher kritisch. Es wird eine nächste Gelegenheit geben, bei der die
Auseinandersetzungen in Ihrer Partei wieder kulminieren - über
»Aufstehen« oder über Migration. Beides steht sicher noch eine Weile auf
der Tagesordnung.
Wagenknecht: Ich lege keinen Wert auf solche »Gelegenheiten«. Wir
haben bei anderen Themen auch unterschiedliche Meinungen. Auch das
bedingungslose Grundeinkommens ist zutiefst umstritten - haben wir uns
deshalb zerlegt? Die Frage ist, wie man Debatten führt. Das gemeinsame
Papier zur Migration ist doch eine gute Grundlage. Es hält die
Gemeinsamkeiten und die Unterschiede fest. Alle in der Linken
verteidigen das Grundrecht auf Asyl. Unterschiede gibt es in der
Bewertung der Arbeitsmigration. Das kann man sachlich diskutieren. Die
Fraktion wird dazu im Februar eine Fachkonferenz mit renommierten
Wissenschaftlern durchführen. Die LINKE will einen Politikwechsel. In Konzepten ist dabei oft
von Rot-Rot-Grün die Rede. Aber Voraussetzung wäre ja eine
gesellschaftliche Mehrheit, und die ist in weite Ferne gerückt, wie
Wahlen und Umfragen nahelegen. Was ist zu tun?
Bartsch: Ich spreche vom strategischen Ziel eines
Mitte-Links-Bündnisses. Damit sind zunächst einmal keine Parteien
gemeint. Im Übrigen - wie links die Grünen sind, Herr Kretschmann oder
Herr Palmer, das mag jeder selbst bewerten. Ich bewerte das an konkreter
Politik. Aber als Sie unlängst zum Sozialstaatsdialog aufriefen, da waren schon Parteien die Adressaten.
Bartsch: Ja. Aber es geht auch um Gewerkschaften, um Sozialverbände.
Ich habe mit meiner Anregung einiges an Interesse wecken können. Wenn
man z.B. angesichts der Kinderarmut in Deutschland über Konzepte für
eine Kindergrundsicherung ins Gespräch kommt - wie könnte das falsch
sein? Und die Parteivorsitzenden der LINKEN haben zu Jahresbeginn in
einem Papier aufgerufen, den gesellschaftlichen Wandel vorzubereiten.
Das richtete sich auch an SPD und Grüne.
Wagenknecht: Ja, wir brauchen politische Mehrheiten für eine
sozialere Politik. In der Gesellschaft gibt es seit Jahren Mehrheiten
für mehr sozialen Ausgleich, bessere Renten, höheren Mindestlohn, mehr
Sozialstaat. Aber es gibt keine politische Mehrheit dafür, weil die
Wähler von Rot-Rot-Grün aktuell keine sozialere Politik mehr erwarten.
Und damit haben sie ja nicht Unrecht. Gegenwärtig würden bei einer
rot-rot-grünen Mehrheit die Grünen den Bundeskanzler stellen. Ich glaube
nicht, dass in dieser Konstellation der Sozialstaat wiederhergestellt
würde, von einer friedlichen Außenpolitik ganz zu schweigen. Es gibt
kaum eine Partei, die einen härteren Konfrontationskurs gegenüber
Russland vertritt als die Grünen. Also ist Rot-Rot-Grün im Bund erledigt?
Wagenknecht: Parteien sind immer in Bewegung. Wir müssen sagen, was
wir wollen. Wenn sich eine Parteienkonstellation findet, die mehr
Sozialstaat und Abrüstung ermöglicht, dann wird eine Regierung nicht an
uns scheitern. Aber eine formale Mehrheit von SPD, LINKEN und Grünen
heißt nicht, dass dann auch wirklich Renten verbessert, Mindestlöhne
erhöht und deutsche Soldaten aus Kriegseinsätzen zurückgezogen werden.
Es gab ja bis vor Kurzem eine solche Mehrheit im Bundestag, ohne dass
sie für eine Politik im Interesse der Mehrheit genutzt wurde. Und das
lag nicht an uns. Wie sieht die Kommunikation zwischen den Fraktionsführungen von SPD und LINKE aus?
Wagenknecht: Man ist im Gespräch, trinkt ab und an einen Kaffee miteinander.
Bartsch: Wir haben ein normales, entspanntes Verhältnis. Ich freue
mich, wenn Olaf Scholz zwölf Euro Mindestlohn fordert und Andrea Nahles
eine Kindergrundsicherung vorschlägt. Aber in dieser Regierung wird die
SPD das nicht durchsetzen. Die SPD muss ihre Probleme selber lösen und
aus Ideen auch Politik machen. Die Frage an uns ist: Warum sind wir
nicht der erste Ansprechpartner für viele Millionen Wählerinnen und
Wähler, die nicht mehr an die SPD glauben?
Wagenknecht: Solange die SPD mit der CDU nur die zunehmende soziale
Ungleichheit verwaltet, werden ihr die Wähler davonlaufen. Das können
wir nicht ändern. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Menschen
erreichen, die sich von der SPD abwenden. Für eine Antwort bleibt nicht viel Zeit - bis zur Europawahl im
Mai ist es nicht weit. Und wenn es derzeit einen Trend gibt, dann ist es
die allgemeine Rechtsentwicklung.
Bartsch: Die Rechten versuchen, Europa zu erobern, um das große
Friedensprojekt Europa zu zerstören. Diese Gefahr ist real. Ob das
Salvini in Italien ist, Le Pen in Frankreich, Orbán, Kaczynski, wie sie
alle heißen. Es gibt einen Kulturkampf von rechts. DIE LINKE hat lange
vor den Folgen sozialer Verwerfungen gewarnt. In der Analyse wird uns
von den Menschen viel Kompetenz bescheinigt. Wo wir weniger Zutrauen
haben: bei der Frage, wie wir unsere Zukunftsvorstellungen von Europa
auch wirklich umsetzen können. Das zu ändern, ist die Herausforderung. Die EU und ihre Politik werden von links und von rechts kritisiert. Wo ist die Trennlinie?
Wagenknecht: Natürlich geht es uns, anders als den Rechten, nicht
darum, Nationalismus zu fördern. Das macht im Ergebnis die EU selbst,
indem sie Privatisierungen, Deregulierung und Lohndumping vorantreibt.
Da sagen natürlich immer mehr Leute, das ist nicht in unserem Interesse.
Die EU tut nichts gegen Steuerdumping, maßregelt dann aber Staaten, die
Haushaltsdefizite haben. Da muss man sich nicht wundern, wenn sich die
Bevölkerung von einer solchen EU abwendet. Dort setzt unsere Kritik an.
Wir wollen ein Europa der Menschen, nicht der Banken und Konzerne.
Bartsch: Es ist falsch, die AfD zum zentralen Bezugspunkt von Politik
zu machen. Wir machen Politik für die Bürgerinnen und Bürger und setzen
uns mit der verheerenden Politik der vergangenen Jahre und deren Folgen
auseinander. Diese Politik wurde wesentlich von Angela Merkel und
Wolfgang Schäuble geprägt. Sie haben dafür gesorgt, dass die Banken in
Europa gerettet wurden und die Menschen den Glauben an Europa verloren
haben. Wer trägt die Verantwortung für diese Politik und was muss man
verändern - das ist unser Maßstab. Was die LINKE zu Europa erzählt, ist noch nicht so ganz klar. Das
Wahlprogramm ist - anders als bei anderen Parteien - noch in der
Diskussion.
Bartsch: Wobei wir Konsens in zentralen Punkten haben: zum Beispiel
beim Nein zur Militarisierung oder dazu, dass man der enormen
Jugendarbeitslosigkeit in südeuropäischen Staaten endlich begegnen muss.
Es gibt noch einen großen Konsens: Das Projekt Europa war ein
Friedensprojekt. Das ist der Ursprung der europäischen Idee. Die ist bei
uns tief verankert. Die jetzige Politik, auch die deutsche Politik,
konterkariert dieses wichtige Projekt. Das ist für uns inakzeptabel.
Unsere politische Aufgabe ist es, deutlich zu machen, dass es bei dieser
Wahl um etwas geht. Beim letzten Mal lag die Wahlbeteiligung unter 50
Prozent. Wenn alle diejenigen, die wir bei der Bundestagswahl erreicht
haben, auch bei der Europawahl abstimmen, wäre das ein Riesenerfolg.
Wagenknecht: Wir müssen aussprechen, was ist. Und wir müssen
kritisieren, was falsch läuft. Es wäre völlig irre, das den Rechten zu
überlassen, denn die Menschen spüren doch, dass vieles falsch läuft. Die
EU-Verträge sind nicht im Interesse der Arbeitnehmer, der Rentner, der
kleinen und mittleren Unternehmen, sondern vor allem im Interesse der
Großunternehmen und der Superreichen. Deshalb verliert die EU Rückhalt. Im Herbst wird die Fraktionsspitze turnusmäßig neu gewählt. Werden Sie wieder kandidieren?
Wagenknecht: Aktuell spricht für mich nichts dagegen, aber das entscheide ich, wenn es soweit ist. Es dauert auch nicht mehr lange bis zur Wahl des Parteivorstands.
Die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger können laut Statut
nicht wiedergewählt werden. In der Fraktion dürfte Ihnen da neue
Konkurrenz bevorstehen.
Wagenknecht: Kandidaturen sind ein demokratischer Vorgang, jedes Mitglied der Fraktion kann sich bewerben.
Bartsch: Bis zum 26. Mai muss sich die gesamte Partei auf die
Europawahl, die Bürgerschaftswahl in Bremen und die Kommunalwahlen
konzentrieren. Dann kommen die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen
und der Wahlkampf in Thüringen. Das hat Priorität, nicht interne
Debatten. Erst einmal geht es um Politik, nicht um Personen. Ich
beantworte ja auch nicht die Frage, ob ich 2025 Kanzler werden will. Wollen würden Sie schon?
Bartsch: Fragen können Sie schon. (lacht) Sind die drei Landesregierungen, an denen die LINKE beteiligt ist -
Thüringen, Berlin, Brandenburg -, Referenzprojekte für Ihre Partei?
Wagenknecht: Wir müssen es besser schaffen, die Balance hinzubekommen
zwischen der Verantwortung in Landesregierungen und der Opposition zur
Bundespolitik. Und wir müssen besser dabei werden, uns als Juniorpartner
in Regierungen zu behaupten, Konflikte auch mal öffentlich auszutragen.
Bartsch: Parteienbündnisse mit der SPD und teilweise mit den Grünen
gibt es in nicht wenigen Kommunen, auch in Bundesländern. Wenn das
Zustandekommen bisher irgendwo auf Landesebene gescheitert ist, lag es
nie an der LINKEN - etwa im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern oder vor
Jahren in Hessen. In Thüringen funktioniert Rot-Rot-Grün seit fast fünf
Jahren entgegen allen Weissagungen, dass es dort bald weder Bratwürste
noch Bananen mehr geben werde, sehr gut. Ähnliches gilt für Berlin. Wenn
die LINKE stark ist, dann funktionieren diese Bündnisse im Interesse
der Menschen ziemlich gut.
Wagenknecht: Besser ist es natürlich, wenn wir den Chef stellen, denn
dann können wir mehr gestalten. Aber eine Landesregierung hat nur
begrenzte Möglichkeiten; sie kann nicht die Steuerpolitik beeinflussen
und auch nicht Hartz IV überwinden. Sie kann aber beispielsweise
Kita-Gebühren abschaffen. So etwas ist auch passiert.
Bartsch: Letztlich wird es grundsätzliche politische Veränderungen
nur dann geben, wenn Die LINKE in Regierungsverantwortung auf der
Bundesebene ist. Dann gibt es relevante Veränderungen, versprochen. Ganz sicher? Wir kommen darauf zurück.
Versprochen. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110869.wagenknecht-und-bartsch-wir-brauchen-druck-auch-in-deutschland.html
Die Party dauerte bis in die frühen Morgenstunden, für manche ging es
sogar noch etwas länger. »Wenn ich heute Nacht schlafe, bin ich von mir
selbst enttäuscht«, hatte Nikolaj Jacobsen vorher gesagt. Nach dem
Gewinn der Weltmeisterschaft im eigenen Land wollte der Trainer der
dänischen Handballer gar nicht aufhören zu feiern. Die Dänen liebten den
früheren Linksaußen als Spieler, seit Sonntagabend ist daraus Verehrung
geworden. Der 47-Jährige hat Dänemark als Trainer zum WM-Titel geführt,
weil er es schaffte, den Superstar des Teams hinter sich zu bringen,
und ihn danach zum Superstar des Turniers zu machen.
Mikkel Hansen breitete die Arme aus, blickte auf und ließ die
Ovationen der Zuschauer auf sich wirken. Der Anführer der dänischen
Handballer hätte diese Pose gar nicht einnehmen müssen, seine Wirkung
als Erlöser war auch ohne sie klar und eindeutig. Eine Berühmtheit ist
Hansen in seiner Heimat schon seit einigen Jahren, seit dem Endspiel von
Herning reicht diese Bezeichnung nicht mehr. Im Alter von 31 Jahren
stieg der Rückraumspieler von Paris Saint Germain zum zweiten König in
Dänemark auf, weil das Land durch ein 31:22 gegen Norwegen zum ersten
Mal Handball-Weltmeister ist. Dieser Erfolg ist noch größer als der
Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro.
Das Finale war noch nicht beendet, aber doch so einseitig verlaufen,
dass Hansen schon während der zweiten Halbzeit die größtmögliche Bühne
seiner Sportart mit der Erlösergeste zu seiner Bühne machen konnte. Die
knapp 15 000 dänischen Fans in der Jyske Bank Boxen bereiteten sich
schon darauf vor, ihre Mannschaft weltmeisterlich zu feiern, als der
spektakulärste Akteur seiner Zeit die Aufmerksamkeit auf sich zog. Die
WM, in der die Dänen neben Deutschland Co-Ausrichter waren, sollte das
Turnier von Mikkel Hansen werden. Der langhaarige Mann aus Helsingör
zierte das offizielle WM-Plakat, er spielte eine Hauptrolle in diversen
Werbesports und musste vor und während des Turniers die meisten
Interviews geben. Alles war darauf ausgelegt, dass sich Hansen zum König
krönt.
Nach dem Finale wurde der 31-Jährige als wertvollster Spieler
der Weltmeisterschaft ausgezeichnet, die meisten Treffer (72) des
Turniers hatte er auch erzielt. Am Ende wurde die Finalrunde der vier
weltbesten Teams ab dem Halbfinale zu Mikkel-Festspielen. »Er hat dieser
WM seinen Stempel aufgedrückt«, sagte Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen,
der in seinem Nebenjob außerdem Coach der Rhein-Neckar Löwen ist.
Jacobsen hat Anteil daran, dass sich sein bester Spieler auf dem Zenit
seiner Schaffenskraft befindet. Denn ihm gelang es, den exzentrischen
Topstar in das Mannschaftsgefüge zu integrieren, ohne die herausragenden
individuellen Fähigkeiten von Hansen zu beschneiden. »Das ist unser
größter Tag, danke an alle Fans«, sagte Hansen unmittelbar nach den
letzten Minuten dieser 26. Handball-Weltmeisterschaft am Mikrofon des
Hallensprechers. Die Fans huldigten ihrem König mit »Mikkel,
Mikkel«-Rufen.
Wozu Hansen in der Lage ist, wenn er sein Leistungsoptimum erreicht,
stellte er im Halbfinale unter Beweis. Im Gegensatz dazu zeigte Hansen
gegen die Norweger eine für seine Möglichkeiten durchschnittliche
Leistung, die allerdings noch immer dazu reichte, sieben Tore selbst zu
werfen und fünf vorzulegen. Gegen Frankreich hatte er sich zuvor beim
38:30-Erfolg im Halbfinale zu dem Akteur aufgeschwungen, der die Partie
gefühlt im Alleingang entschied. Zwölf Treffer erzielte Hansen gegen den
Titelverteidiger und setzte seine Kollegen außerdem immer wieder
glänzend in Szene. »Wir hatten kein Mittel gegen Mikkel«, räumte später
Nikola Karabatic ein, der bei Paris Saint Germain Seite an Seite mit
Hansen spielt.
Der WM-Titel war aber nicht allein das Werk von Mikkel Hansen, auch
wenn er seine Teamkollegen mit seiner besonderen Fähigkeit überstrahlte,
komplizierte Bewegungsabläufe und Würfe kinderleicht aussehen zu
lassen. Allein im Rückraum gibt es noch zwei Typen, von deren Art man im
Kader der Deutschen, die WM-Vierter wurden, vergeblich Vertreter
suchte. Rasmus Lauge (SG Flensburg-Handewitt) und Morten Olsen (TSV
Hannover-Burgdorf) spielen zwar in der Bundesliga, haben aber einen
dänischen Pass und stellten gemeinsam mit Hansen den besten Rückraum
dieser Weltmeisterschaft. Im Tor bewies Niklas Landin (THW Kiel) seine
Extraklasse und auf den Außenpositionen ist die Mannschaft von Nikolaj
Jacobsen ebenfalls herausragend besetzt.
Die WM im eigenen Land sollte der Höhepunkt in der Laufbahn dieser
außergewöhnlich talentierten Mannschaft werden, der Plan ging perfekt
auf. Die Dänen gewannen alle zehn Partien, nie wurde es knapper als beim
Vorrundenduell gegen Norwegen und dem Hauptrundenspiel gegen Schweden,
beide Partien endeten 30:26. Wie stark Dänemark in der Gegenwart ist,
bewiesen das Halbfinale und das Endspiel, die zu Machtdemonstrationen
der Jacobsen-Schützlinge wurden - und zur Krönungszeremonie des neuen
Königs von Dänemark.
Für den venezolanischen Basisaktivisten Andrés Antillano gibt es
keinen Zweifel: Die Selbstvereidigung des Gegenpräsidenten Juan Guaidós
habe keine verfassungsrechtliche Basis: »Der Artikel 233, auf den er
sich bezieht, gilt für ganz andere Fälle, wie den Tod oder eine schwere
Erkrankung des Präsidenten«, sagt er im nd-Interview. Damit spricht er
dem Versuch des rechten Oppositionspolitikers, sich als
Interims-Staatschef zu krönen, die Legalität ab. Mit diesem Schritt
vertiefe die Opposition die politische und institutionelle Krise und
setze allein auf Konfrontation, was einen gewalttätigen Ausweg
wahrscheinlicher macht.
Antillanos Sorgen sind begründet. »Alle Optionen sind auf dem Tisch«,
sagte US-Präsident Donald Trump. Er werde weiter auf »die
Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela« dringen. Ein hochrangiger
US-Regierungsvertreter wollte auf Nachfrage eine militärische Option
nicht ausschließen. »Maduro und seine Kumpanen« hätten keine Zukunft,
sagte er. »So oder so sind ihre Tage gezählt.«
Andrés Antillano lehnt eine Einmischung der USA ab: »Ohne die
Parteinahme der USA und anderer Länder bliebe beiden Seiten gar keine
andere Möglichkeit, als sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Denn
wir haben real eine Pattsituation und die Opposition könnte ihren
zurzeit starken Rückhalt in die Waagschale werfen. Ein Dialog sollte von
internationalen Akteuren begleitet werden, aber ohne aktive
Einmischung. Das Wichtigste ist, die Krise friedlich, in demokratischem
Rahmen, aber vor allem unter uns Venezolanern zu lösen.«
Guaidó, der an einem unbekannten Ort in Caracas weilt, macht derweil
»generöse« Angebote: Er stellte eine Amnestie für Präsident Maduro und
dessen Verbündete in Aussicht. Straffreiheit sei für jeden auf dem
Tisch, der bereit sei, auf die Seite der Verfassung zu treten und die
verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen, sagte Guaidó in einem
Interview mit dem TV-Sender Univision am Donnerstagabend (Ortszeit). Die
Verfassung, auf die sich jetzt Guaidó berief, gab Maduro im Sommer 2017
die Handhabe, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen, mit der
das Parlament entmachtet wurde. Sie wurde zu Beginn der Amtszeit von
Hugo Chávez (1999-2013) unter Bürgerbeteiligung ausgearbeitet und 1999
verabschiedet.
Guaidó erhält Unterstützung von den USA sowie zahlreichen
lateinamerikanischen und westlichen Staaten. Maduro sprach von einem von
den USA angezetteltem Staatsstreich. Das Militär stellte sich auf
Maduros Seite, so wie Russland, Kuba, Nicaragua. Im Verlauf der Woche
hat der Konflikt schon über 20 Opfer gefordert. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110871.juan-guaido-illegaler-griff-nach-dem-thron.html
USA und Verbündete erhöhen Druck auf Maduro, Herausforderer Guaidó lehnt »falschen Dialog« ab
Von Tobias Lambert
Lesedauer: 4 Min.
Vier Tage, nachdem sich der Oppositionspolitiker und Vorsitzende des
Parlaments, Juan Guaidó, auf einer Massendemonstration als
Interimspräsident selbst vereidigt hat, zeichnet sich im Machtkampf
Venezuelas noch keine Lösung ab. Der linksgerichtete Präsident Nicolás
Maduro verfügt weiterhin über die reale Macht und kann unter anderem auf
die Unterstützung Russlands und Chinas setzen. Guaidó haben neben den
USA und Kanada auch zahlreiche lateinamerikanische sowie weitere
westliche Staaten anerkannt.
Eine befürchtete Eskalation im Streit zwischen Maduro und der
US-Regierung blieb am Wochenende vorerst aus. Am Mittwoch hatte der
venezolanische Präsident die diplomatischen Beziehungen mit den USA
abgebrochen und der Regierung 72 Stunden Zeit gegeben, um ihre Botschaft
zu räumen. Nachdem Guaidó darum bat, sich der Anweisung zu widersetzen,
zogen die USA am Freitag zunächst einen Teil des Personals ab. Mit
Ablauf der 72 Stunden am Samstag verkündete Venezuelas Außenminister
Jorge Arreaza dann, dass die Frist zur Ausreise auf 30 Tage ausgedehnt
werde. Beide Regierungen seien übereingekommen, zunächst über die
Einrichtung von »Interessensvertretungen« zu verhandeln.
Die deutsche Bundesregierung sowie die Regierungen Spaniens,
Frankreichs und Großbritanniens setzten Maduro am Samstag eine Frist von
acht Tagen, in der dieser seine Bereitschaft für Neuwahlen erklären
soll. Auch die Niederlande schlossen sich an. Dagegen erkennt
Griechenlands sozialistische Regierung weiterhin Maduro an. Die vier
EU-Länder drohten, nach Ablauf ihres Ultimatums werde die Europäische
Union Guaidó offiziell als Präsidenten anerkennen. In einem Interview
mit dem spanischen Fernsehsender Antena 3 hatte dieser selbst am Freitag
gesagt, dass Neuwahlen in einem Zeitraum von »sechs bis neun Monaten«
denkbar seien. Zunächst müssten das Wahlsystem überholt und der
mehrheitlich chavistisch besetzte Nationale Wahlrat (CNE) erneuert
werden.
Auf einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates am
Samstag wies die venezolanische Regierung die europäische Forderung
scharf zurück: »Wie kommen sie darauf, dass sie irgendeine Befugnis
hätten, einem souveränen Volk Fristen oder Ultimaten zu setzen?«, fragte
Außenminister Arreaza. Im Sicherheitsrat selbst legten China und
Russland jeweils ihr Veto gegen eine Resolution zur Unterstützung
Guaidós ein. Der deutsche Außenminister Heiko Maas, der drei Tage zum
Staatsbesuch in den USA weilte, reiste am Freitag, vor der Sitzung des
Sicherheitsrates, ab - dessen nichtständiges Mitglied Deutschland seit
Jahresbeginn ist. Bereits am vergangenen Donnerstag waren die USA
innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vor allem am
Widerstand der kleineren karibischen Staaten mit dem Ansinnen
gescheitert, eine offizielle Anerkennung Guaidós durch die US-dominierte
Regionalorganisation zu erwirken.
Es scheint sich also eine Pattsituation zu festigen, in der sich
weder Regierung noch Opposition aus eigener Kraft durchsetzen können.
Guaidó kann sich bisher frei bewegen und taucht in Caracas auf
öffentlichen Versammlungen auf. Zudem könnte er mit Unterstützung
Washingtons bald Zugriff auf venezolanische Vermögensgüter im Ausland
erhalten, wie etwa das Tankstellennetz Citgo in den USA. Für einen
tatsächlichen Machtwechsel wäre er jedoch auf die venezolanischen
Streitkräfte angewiesen. Die Militärführung hat sich seit Mittwoch
allerdings wiederholt für Maduro erklärt. Mit einer Ausnahme: Der
bisherige venezolanische Militärattaché in den USA, José Luis Silva,
erkannte Guaidó am Samstag als Interimspräsidenten an und rief das
Militär auf, es ihm gleich zu tun. Guaidó begrüßte den Schritt und wies
am Wochenende abermals auf das von der Nationalversammlung beschlossene
Amnestiegesetz für all diejenigen hin, die bei der Herstellung der
»demokratischen Ordnung« behilflich seien. Laut dem selbst ernannten
Interimspräsidenten könne dies auch für Maduro selbst gelten. Den
Gesetzestext wollten die Oppositionsanhänger am Sonntag allen ihnen
persönlich bekannten Soldaten aushändigen.
Nichtstaatliche Organisationen zählten bei Protesten seit Anfang
vergangener Woche bereits mehr als 30 Tote und über 500 festgenommene
Personen. Im Gegensatz zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahr
2017 ist die Lage in den wohlhabenderen Vierteln allerdings zwar
angespannt, aber ruhig. Die Menschenrechtsorganisation Surgentes wies
darauf hin, dass die Toten überwiegend in ärmeren Wohngegenden zu
beklagen seien. Dennoch scheint die Bevölkerung in den Armenvierteln
trotz großer Unzufriedenheit hinter der Regierung Maduro zu stehen.
Guaidó hat bisher nicht einmal den Versuch unternommen, diesen
bedeutenden Teil der venezolanischen Bevölkerung ernsthaft anzusprechen.
Eine Eskalation der Gewalt scheint jederzeit möglich, eine stabile Lösung kann wohl nur am Verhandlungstisch erreicht werden.
Als mögliche Vermittler boten sich bereits die Regierungen Mexikos und
Uruguays an, die sich dem Prinzip der Nichteinmischung verschrieben
haben. Während Maduro Gesprächsbereitschaft signalisierte, sprach sich
Guaidó gegen einen »falschen Dialog« aus. Stattdessen kündigte er
weitere Straßenproteste an. Einen Fahrplan dafür wollte er noch im
Verlauf des Sonntags bekannt geben.
Der venezolanische Machtkampf war in eine neue Phase getreten,
nachdem Maduro am 10. Januar seine zweite Amtszeit antrat. Der Großteil
der Opposition hatte die Präsidentschaftswahl im Mai 2018 boykottiert
und Maduros Wiederwahl nicht anerkannt. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110918.nicolas-maduro-patt-in-venezuela-patt-im-sicherheitsrat.html
LINKE sehen Charakter der Rechtsaußenpartei als rechtsradikal durch
VS-Gutachten belegt / Netzpolitik.org veröffentlicht Dokument im
Internet
Lesedauer: 2 Min.
Dresden. Die LINKEN sehen durch ein Gutachten des Verfassungsschutzes
den Charakter der AfD als rechtsradikale Partei belegt. Zahlreiche
Äußerungen von Parteigrößen auch aus Sachsen würden die Menschenwürde
infrage stellen, erklärte die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz am
Montag in Dresden: »Die Zahl und der Inhalt der Belege sind erdrückend.
Beim Lesen muss man sich immer wieder vergewissern, ob es um die AfD
oder nicht doch um die NPD geht. Die Ähnlichkeiten bis hinein in die
plumpe Nazi-Sprache sind verblüffend.«
Köditz verwies darauf, dass in der Materialsammlung auch AfD-Größen
aus Sachsen wie Landes- und Fraktionschef Jörg Urban, der
Landtagsabgeordnete Carsten Hütter sowie die Bundestagsabgeordneten Jens
Maier, Siegbert Droese und Tino Chrupalla auftauchen. Unabhängig von
der Einstufung der AfD als Prüffall des Verfassungsschutzes bleibe die
kritische Auseinandersetzung mit der AfD und ihrem Umfeld eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Besonders genau betrachtet der Verfassungsschutz in seinem Gutachten
Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und des Thüringer
AfD-Landeschefs Björn Höcke. Er stellt fest: »Anhand der dargestellten
Verlautbarungen von Gauland und Höcke wird deutlich, dass ihrem Denken
ein ethnisch-biologisches bzw. ethnisch-kulturelles Verständnis des
Volkes zugrunde liegt.«
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD insgesamt unlängst zum Prüffall
erklärt. Noch genauer hinschauen will die Behörde beim »Flügel« und der
Jungen Alternative. Von einem Verdachtsfall spricht der
Verfassungsschutz, wenn nach seiner Auffassung »hinreichend gewichtige
Anhaltspunkte« dafür vorliegen, »dass es sich um eine extremistische
Bestrebung handelt«.
Das VS-Gutachten ist inzwischen für jeden im Internet einsehbar, nachdem es am Montag vom Blog netzpolitik.org online gestellt wurde.
»Das Dokument gehört in die Öffentlichkeit und nicht in einen
Panzerschrank«, erklärten die Betreiber der Website. Einerseits werde so
die »Mär der ganz normalen demokratischen Partei« zerstört,
andererseits sei die Beobachtung einer Partei »ein harter Eingriff in
einer Demokratie«, über dessen »Erkenntnisse öffentlich verhandelt
werden« müsse. Die AfD fordert, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang für die Veröffentlichung
des Gutachtens zur Rechenschaft zieht.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, es sei
»bedauerlich, wenn solche Unterlagen die Öffentlichkeit erreichen«. Er
könne nicht sagen, auf welchem Weg das Dokument zu den Betreibern der
Website gelangt sei. Sollte es Anhaltspunkte dafür geben, dass
strafrechtliche Konsequenzen erforderlich seien, dann würden diese auch
eingeleitet. Agenturen/nd
Boulevardmedium verbreite »wider besseres Wissen« falsche Fakten über Kapitän Claus-Peter Reisch und die Seenotretter
Lesedauer: 2 Min.
Dresden. Die Dresdner Seenotrettungsorganisation »Mission Lifeline«
geht juristisch gegen »Bild« vor. Das Blatt behaupte in einem Artikel
vom Montag »wider besseres Wissen«, »Lifeline«-Kapitän Claus-Peter
Reisch stehe in Malta wegen »Schleuserei« vor Gericht, erklärte »Mission
Lifeline« am Montag in Dresden mit. »Das ist unwahr«, erklärte der
Medienrechtsanwalt Jonas Kahl im Namen der Organisation und ergänzte:
»Wir werden gegen diese Falschberichterstattung vorgehen.«
Ausgangspunkt des »Bild«-Artikels war eine Twitter-Nachricht von
»Mission Lifeline« vom vergangenen Mittwoch. Darin schrieb die
Organisation: »Ihr seid noch nicht verheiratet? Vielleicht verliebt Ihr
Euch zufällig in einen Menschen, der*die hier noch kein Bleiberecht hat.
Könnte passieren, oder? Bleibt offen!«. Am Freitag ergänzten die
Seenotretter unter Verweis auf ihr Spendenkonto in einem weiteren Tweet:
»...und wenn Ihr glücklich seid, denkt auch an Menschen auf der Flucht!
Es macht noch glücklicher, etwas Gutes zu tun«. »Bild« versah daraufhin
einen Artikel mit der Überschrift: »Seenotretter werben für Ehen mit
Flüchtlingen«.
»Mission
Lifeline«-Sprecher Axel Steier erklärte, die Twitternachricht habe dem
Anliegen gedient, »die Menschen hinter abstrakten Begriffen wie
'Flüchtling' oder 'Ertrunkene' sichtbar zu machen«. In der politisch
aufgeladenen Debatte werde viel zu oft vergessen, dass es bei der
Seenotrettung um das Leben und die Gefühle von Menschen gehe, betonte
Steier. Durch die Rettungen entstehe zwischen den Beteiligten ein Band,
das ein Leben lang halte und mitunter auch zu Liebe führte, fügte er
hinzu. Davon habe der Tweet gehandelt. »Eine Werbung für Scheinehen
können wir darin nicht erkennen«, sagte Steier.
Auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) räumte
Steier ein, dass es sich bei der »Bild«-Überschrift um eine
Meinungsäußerung handele, gegen die nur schwer vorgegangen werden könne.
Jedoch enthalte der Artikel auch mehrere falsche Zahlen, sagte Steier
weiter. Insgesamt enthalte der Zeitungstext vier falsche
Tatsachenbehauptungen.
Es sei zudem bedauerlich, dass die
unwahre und herzlose Berichterstattung am Morgen nach dem
Holocaustgedenktag dazu führt, »dass wir persönlich und unsere
Organisation von Rechtsextremen massiv beleidigt und bedroht werden«, so
Steier.
»Lifeline«-Kapitän Reisch steht seit dem 2. Juli 2018 in Maltas
Hauptstadt Valletta vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, das von der
Hilfsorganisation betriebene Schiff fehlerhaft registriert zu haben. Ein
Urteil wird im März erwartet. »Mission Lifeline« vermutet politische
Motive hinter dem Prozess, um das Rettungsschiff am Auslaufen zu
hindern. Die maltesischen Behörden hatten die »Lifeline« vergangenen
Sommer mit 234 Flüchtlingen an Bord erst nach tagelanger Irrfahrt
anlegen lassen und das Schiff im Anschluss beschlagnahmt. epd/nd