Die Zeiten der Kreidetafel scheinen vorbei – Lehrerfortbildung in Oldenburg (8.3.2018)
Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
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Noch so »schlaue« Apparate, so der Journalist Tom Strohschneider im Wirtschaftsmagazin Oxi (10/2018), könnten eines nicht: die Frage beantworten, »wozu immer weiter entfaltete Produktivkräfte überhaupt dienen sollen«. Dazu braucht es mündige Bürger, und die sollen – dem eigenen Anspruch nach – aus dem Schulsystem hervorgehen. Allerdings fragt man sich, was es mit der Erziehung zur digitalen Mündigkeit auf sich hat, wenn das Thema Technologie und Schule fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer fälligen Modernisierung bzw. Abschaffung der vorhandenen und bewährten analogen Gerätschaften diskutiert wird. Das Internet, so heißt es fast unisono von seiten der Politik, müsse schleunigst Einzug in die Klassenzimmer halten. Die Zeiten der guten alten Kreidetafel seien endgültig passé.
Erprobte Lehrmethoden und Kommunikationsformen, so der in Basel lehrende Medienwissenschaftler Roberto Simanowski in der Neuen Zürcher Zeitung (24.7.2018), stünden schon deswegen als veraltet am Pranger, weil sie ohne digitale Medien auskommen. »Das Argument der Revolutionäre lautet, dass die Schule realitätsnah operieren müsse und die Jugend nicht mit den Werkzeugen der Vergangenheit auf die Zukunft vorbereiten könne«, so der Autor des 2018 erschienenen Buchs »Stumme Medien: Vom Verschwinden der Computer in Bildung und Gesellschaft«. Er gibt zu bedenken, dass die Vorstandschefs von IT-Firmen im Silicon Valley schon ihre Gründe dafür haben werden, dass sie ihre eigenen Kinder lieber in technologiefreie Waldorfschulen stecken. Im Grunde sei es alles andere als einleuchtend, dass man um so mehr auf digitale Medien im Unterricht umstellen will, je mehr diese den außerschulischen Raum bestimmten. Für eine vorsichtigere als die bislang übliche Herangehensweise sprächen auch Ergebnisse universitärer Forschung. »Aus neurowissenschaftlicher Perspektive«, so Simanowski, »fördert der Computer vieles von dem, was Pädagogen als problematisch erachten: eine Kultur der Hyperattention und Hyperstimulation, in der Sofortbelohnung vor Lustaufschub geht, mit der Folge, dass man immer dann, wenn die Dinge komplex werden, ohne Verzug und Ehrgeiz zur nächsten Ablenkung klickt.« Zwar stellt er keinesfalls in Abrede, dass es viele interessante Formen der Nutzung digitaler Medien und sogenannter sozialer Netzwerke im Netz geben könne. Doch er hält es für vernünftig, den einen oder anderen Gedanken darauf zu verwenden, wie der »digitale Smog« in den Köpfen durch Gegenmaßnahmen reduziert werden könne.
Die Digitalisierung der Schule dürfe – das ist ihm besonders wichtig – nicht jenseits des didaktisch und pädagogisch Sinnvollen im Interesse der IT-Unternehmen betrieben werden. Der schulische Informatikunterricht beinhaltet in seinen Augen eine ethische Komponente. »Programmieren mag das Denken trainieren, soweit es um mathematische Logik geht, man muss aber auch das Denken über das Programmieren üben. Mann muss nicht nur zu programmieren verstehen, man muss die gesellschaftlichen Konsequenzen des Programmierens verstehen. Man muss nicht nur wissen, wie ein Algorithmus funktioniert, man muss wissen, wie er die menschliche Situation ändert«, so Simanowski. Keinesfalls dürfe die derzeit vielbeschworene digitale Bildungsrevolution auf eine »berufstaugliche Zurichtung des Menschen als Rädchen im Getriebe der Gesellschaft« hinauslaufen. Eben diese, daran erinnert der Wissenschaftler, ist im 20. Jahrhundert unter dem Stichwort »Erziehung zur Mündigkeit« entschieden abgelehnt worden.
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