Mittwoch, 19. Dezember 2018

Eineinhalb Jahre nach den Anti-G20-Protesten stehen in Hamburg fünf junge Aktivisten vor Gericht

»Sie sollen sich nicht allein fühlen«

  • Von Philip Blees
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  • 18.12.2018, 10:13 Uhr
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  • Lesedauer: 4 Min.
    • Diesen Dienstag, am 18. Dezember, beginnt in Hamburg ein Gerichtsverfahren gegen Ihre Genossen. Worum geht es dabei?
      Der Prozess wird gegen fünf Personen geführt, vier davon aus Frankfurt am Main und Offenbach. Ihnen wird vorgeworfen, an Protestaktionen gegen den G20-Gipfel auf der Elbchaussee am Freitagmorgen des 7. Juli 2017 teilgenommen zu haben. Dort hätten sie sich an schwerem Landfriedensbruch beteiligt. Bei dieser Demonstration sind auch Autos in Brand gesetzt worden und es gab Sachschäden.
      Das wird ihnen aber nicht vorgeworfen?
      Den vier Leuten aus Frankfurt und Offenbach soll keine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden, sondern, bei der gewalttätigen Demonstration mitgelaufen zu sein. Deswegen werden sie jetzt angeklagt.
    • Wie kam es zum Prozess?
      Es gibt Aufnahmen von Überwachungskameras einer S-Bahn-Station. Darauf sollen sie zu sehen sein. Das Material wurde mit anderen Aufnahmen verglichen und dabei sei festgestellt worden, dass die Vierergruppe auch bei der Demonstration auf der Elbchaussee gewesen sei - auf der im Übrigen viele vermummt waren.
      Hatte damit auch die Öffentlichkeitsfahndung zu tun?
      Nein, ihre Identität wurde durch Abfrage bei anderen Dienststellen ermittelt.
      Was geschah dann?
      Am 27. Juni 2018 wurden die Wohnungen der Betroffenen durchsucht. Zugleich brachte die Polizei alle nach Hamburg. Einen Tag später kamen zwei Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen waren, wieder frei, die anderen beiden sitzen seitdem in Untersuchungshaft.
      Wurde daraufhin mit der Solidaritätsarbeit begonnen?
      Ja, genau. Noch am gleichen Abend sind in Frankfurt rund 100 Leute zusammengekommen und haben einen Solikreis gegründet: »United We Stand Frankfurt/Offenbach«. Es gab auch schon drei Demonstrationen. Am vergangenen Donnerstag sind beispielsweise wieder Leute auf die Straße gegangen, um Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Sie sollen sich nicht allein fühlen. Wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren politisch führt, müssen auch wir den politischen Raum besetzen.
      Haben Sie Kontakt zu den Gefangenen?
      Ja, wir stehen in regelmäßigem Briefaustausch. Es wurden 2000 Postkarten gedruckt und in den Knast geschickt. Wobei der Kontakt zu Gefangenen immer schwierig ist.
      Wie geht es ihnen denn?
      Soweit ganz gut. Sie sind gespannt auf den Prozess und wollen, dass sich nun mit den Vorwürfen richtig auseinandergesetzt wird. Bisher gibt es keine Beweise, man stützt sich vor allem auf Indizien. Da ist eine gerichtliche Klärung willkommen. Leider ist es aber auch so, dass einer seinen Job verloren hat und jetzt 23 Stunden am Tag eingeschlossen ist. Diese Isolation ist natürlich unangenehm.
      Sie sagten, die Anklage wolle das Verfahren »politisch führen«.
      Die Staatsanwaltschaft hat letzte Woche einen Befangenheitsantrag gegen das Landgericht gestellt. Dieser wurde abgelehnt. Das ist schon ein ungewöhnlicher Vorgang. Ich kenne das auch von anderen politischen Verfahren aus der Vergangenheit nicht. Außerdem versucht sie, die Verteidigung mit verschiedenen Mitteln zu schwächen. Bei dem Prozess soll die harte Hand des Staates gezeigt werden - auf Kosten der Betroffenen. Der Staat möchte zeigen, dass er in der Lage ist, sich gegen solche vermeintlichen Gewaltexzesse zu wehren.
      Gibt es Erfolgsaussichten für die Staatsanwaltschaft?
      Die Anklage stützt sich, wie gesagt, allein auf Indizien. Den beiden wird keinerlei Tatbeteiligung vorgeworfen. Verurteilt werden soll das Mitlaufen. Im Prozess wird eine zentrale Frage sein, ob es sich dabei um eine Demonstration gehandelt hat. Die Staatsanwaltschaft vergleicht das mit Fußballhooliganismus. Dort ist das Mitlaufen schon strafbar. Auch die Identifizierung der Angeklagten wird relevant sein. Dann werden noch alle Autobesitzerinnen und Autobesitzer befragt, deren Fahrzeuge dort in Mitleidenschaft gezogen wurden.
      Das ganze Verfahren soll 30 Verhandlungstage dauern.
      Der Prozess ist bis März 2019 angesetzt. Es ist aber zu erwarten, dass er noch länger geht.
      Wie kann der Fall in die gesamte Aufarbeitung der G20-Ereignisse eingeordnet werden?
      Das ist der erste Fall, bei dem der Komplex an der Elbchaussee thematisiert wird. Der Prozess wird seitens der Staatsanwaltschaft als sehr wichtig eingestuft. Das merkt man. Dort arbeiten bis zu 40 Leute an dem Fall. Die große Frage, was überhaupt eine Demonstration ist und was nicht, wird diskutiert und eine weitere Rechtsprechung dazu kann wegweisend sein. Die Polizei Hamburg hat auch noch mal angekündigt, in die Öffentlichkeitsfahndung zu gehen. Insofern hat das Verfahren eine große Bedeutung auch für weitere Repressionen.
      Christoph Pauly ist beim Solidaritätsbündnis »United We Stand« aktiv.
    • https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108224.g-in-hamburg-sie-sollen-sich-nicht-allein-fuehlen.html

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