Dienstag, 21. April 2015
LEGIDA: Aufmarsch an Hitlers Geburtstag und hartes Polizeivorgehen
Zum zehnten Mal lief LEGIDA nun am 20.04.2015 durch Leipzig. Die Bewegung ist inzwischen ein Konglomerat aus Rassisten, Neonazis und Hooligans, immer wieder kommt es am Rande der Demonstrationen zu gewaltvollen Angriffen auf Gegendemonstranten. Am vergangenen Montag, dem Geburtstag Hitlers, trafen sich wieder mehrere hundert Menschen bei LEGIDA und den Gegenprotesten. Blockadeversuche wurden mit massiver Polizeigewalt verhindert.
Text: Sarah Ulrich
Bilder: Tim Wagner & Sarah Ulrich
In den letzten Wochen ist es medial ruhiger um LEGIDA geworden. Und auch in Leipzig selbst sank die Aufmerksamkeit für den Ableger von PEGIDA, der immer mehr einem Neonaziaufmarsch gleicht. Die Ereignisse erinnern an eine wöchentliche Version von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Immer wieder montags treffen sich LEGIDA-Anhänger auf dem Augustusplatz, halten Reden, laufen eine Runde, halten wieder Reden. Und immer wieder sind es mehr Gegendemonstranten, die sich dem Aufmarsch in den Weg zu stellen versuchen. Auch wenn auf beiden Seiten die Zahlen einsackten, so waren bis zuletzt sowohl bei LEGIDA als auch bei den Gegenprotesten mehrere hundert Menschen unterwegs.
Der gestrige Tag bildete jedoch in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme. Schon das Datum schien heikel für das Treffen der LEGIDA-Bewegung, die zu einem großen Teil aus Neonazi- und Hooliganstrukturen besteht. Denn der 20. April ist der Geburtstag Hitlers, ein in Nazikreisen gefeierter Anlass. Außerdem gab es zusätzlich zu den immer stattfindenden Kundgebungen eine Gegendemonstration des Refugees Welcome Bündnisses unter dem Motto „Nie wieder Montag“, an der sich laut Zählungen einer unabhängigen Forschungsgruppe etwa 740 Menschen beteiligten. Auf Seiten von LEGIDA gingen die Zahlen im Vergleich zu den letzten Wochen wieder etwas zurück. So trafen sich nur etwa 500-600 Teilnehmer auf dem Simsonplatz vor dem Bundesverwaltungsgericht, um danach über den westlichen Ring zu laufen.
Auch wenn es schon in den Wochen zuvor immer wieder stellenweise ein Katz und Maus Spiel zwischen Gegendemonstranten, die versuchten die geplante LEGIDA-Route zu blockieren, und der Polizei gab, war das Verhalten der Polizeibeamten dieses Mal in einem Ausmaß aggressiv, das so bisher kaum zum Ausdruck kam.
Aggressives Vorgehen der Polizei
Eine erste Eskalation stellte sich dar, als einige Personen aus der Menge der friedlich verlaufenden Gegendemonstration vor dem Neuen Rathaus an den Polizeikräften vorbei versuchten, auf den Ring zu gelangen, auf dem LEGIDA nur wenig später laufen sollte. Binnen weniger Sekunden brach ein Chaos aus, das sich durch das unkontrollierte Verhalten der Beamten verdeutlichte. So wurden die Gegendemonstranten geschubst, geschlagen und mit Pfefferspray besprüht. Ein Video dokumentiert, wie ein Polizist auf eine schon am Boden liegende Person eintritt. Den eklatanten Höhepunkt bildeten ziellose Reiterstaffeln, die ohne klar erkennbares Ziel in die Menge ritten. Ein Zufall, dass dabei niemand schwerer verletzt wurde.
Als es den Beamten schließlich gelang, die Menge zurückzudrängen, blieb die Stimmung für wenige Minuten ruhig. Doch schon kurz darauf ereignete sich die nächste leichtsinnig herbeigeführte Gefahrensituation, als eine Gruppe von etwa acht Gegendemonstranten auf einer Grünfläche lauthals ihren Protest gegen anreisende LEGIDA-Teilnehmer kundtat. Eine Bedrohung von Seiten der Protestierenden war nicht zu erkennen – und dennoch ritt eine Reiterstaffel mitten in die Kleingruppe herein und drängte sie mit aufbäumenden Pferden ab.
Nur kurze Zeit später gab es einen erneuten Versuch, die Route von LEGIDA zu blockieren. Etwa 30 Menschen setzten sich binnen Sekunden auf die Kreuzung vor dem Neuen Rathaus, mit Sichtweite zum Simsonplatz. Die Polizei forderte diese Personen jedoch nicht zunächst auf zu gehen, wie es bei einer Sitzblockade eigentlich sein sollte, sondern reagierte innerhalb kürzester Zeit mit dem massiven Einsatz von Pfefferspray. Aus verschiedenen Richtungen wurde dies auf die Blockierenden gesprüht, begleitet von Tritten. Auch Journalisten wurden bei dem Versuch, die Situation zu dokumentieren, aggressiv weggeschubst, obwohl sie den Abstand zur Maßnahme einhielten. Gegendemonstranten, die schon im Begriff waren, die Blockade zu verlassen wurden zu Boden geschubst. So räumten die Beamten innerhalb weniger Minuten die Strecke wieder frei. Laut Rettungssanitäter trugen 30 Menschen Verletzungen davon, die behandelt werden mussten.
Auf Seiten von LEGIDA sammelten sich schließlich mehrere hundert Menschen, darunter Neonazis und Hooligans. Die obligatorische Gulaschkanone und die Bühne wurden aufgebaut. Schon bei der Anreise einiger LEGIDA-Teilnehmer ertönten die Rufe „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, ein bekannter Spruch aus der Neonaziszene. Auch der Leipziger AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider war zugegen. In der Nähe der Satire-Gegenkundgebung von „LEGIDA-Das Original“ trafen sich etwa sieben gewaltbereite Neonazis und provozierten Fotografen. Eine weitere Gegenkundgebung unweit der Route wurde von den Beamten insofern eingeschränkt, als dass nicht einmal der Versammlungsleiter zu ihr durchgelassen wurde.
Als LEGIDA dann gegen zwanzig Uhr loslief und Rufe wie „Antifa Hurensöhne“ rief, versuchten etwa 40 Menschen auf Höhe der Runden Ecke einen erneuten Blockadeversuch. Auch hier eilten Polizeibeamte schnell herbei, umzingelten die Blockade jedoch vor der Räumung zunächst. Ohne den Einsatz von Pfefferspray, dafür mittels Festnahmetaktiken wurden die Blockierenden einzeln weggetragen. Dabei wurden zahlreichen Menschen die Arme verdreht, einzelnen sogar die Hände ins Auge gedrückt. Journalisten wurden auch bei dieser Situation nur ungern gesehen. So geschah es mehrfach, dass sich Beamte gezielt vor die Kamera stellten oder die Hand davor hielten. In einem Fall wurde sogar der Versuch getätigt, einen Platzverweis zu erteilen.
LEGIDA mit nationalistischer Neuausrichtung
Doch auch dieser Blockadeversuch wurde mithilfe rabiater Mittel schnell geräumt, sodass LEGIDA nur kurze Zeit später ihre Route laufen konnte. Interessante Neuerung der Bewegung ist das Fronttransparent, auf dem nun nicht mehr der islamfeindliche Spruch „Gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden“, sondern der deutlich nationalistische Spruch „Gemeinsam für Deutschland“ steht. Diese Neuorientierung deutet noch einmal verstärkt darauf hin, dass es sich bei LEGIDA zu einer Bewegung der radikalen Rechten mit neonazistischen und völkisch-nationalen Ideologien handelt.
Auf dem Rückweg zum Simsonplatz flogen aus der Reihe der Gegendemonstranten Feuerwerkskörper in Richtung der LEGIDA-Teilnehmer, verletzt wurde dabei jedoch niemand. Angekommen am Simsonplatz redeten dann noch die LEGIDA-Redner, darunter der bekannte Rechtsradikale und ehemalige JN-Funktionär sowie Funktionär der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ Manfred Rouhs.
Den Abschluss machte LEGIDA wie immer mit dem Versuch, die Nationalhymne zu singen. Zum Ende kam von der Bühne die Ansage, dass die Polizei die Teilnehmenden bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz begleite, die Begleitung ab dort zum Bahnhof dann aber von Mitgliedern des Fussballvereins „Lokomotive Leipzig“ übernehmen. Dieser ist schon lange dafür bekannt, eine Fanszene zu haben, die aus Neonazis und gewalttätigen Hooligans besteht. Am Augustusplatz kam es später noch zu Angriffen von Neonazis auf Gegendemonstranten.
Und so lief LEGIDA auch an diesem Monat wieder ungestört durch Leipzig. Erstaunlich ist, dass die Polizei nun bereits zum zehnten Mal nichts unversucht ließ, um jegliche Blockadeversuche zu unterbinden. Auch wenn das Gesetz der Versammlungsfreiheit gilt, werden in anderen Bundesländern solche Situationen häufig als zu heikel und mit zu hohem Gefahrenpotenzial eingeschätzt Deshalb wird die Route dann verkürzt wird oder die rechte Demonstration darf sogar gar nicht erst laufen. Damit reiht sich auch dieser Polizeieinsatz ein in eine sächsische Kontinuität des Polizeiverhaltens, dass rechten Aufmärschen viel Platz einräumt, den Gegenprotesten jedoch kaum. Ob dies an einem Gewaltaufruf auf einer linken Internetplattform liegt, wie die Polizei die Nicht-Genehmigung von Kundgebungen rechtfertigte, ist fragwürdig. Denn zum einen kann auf dieser Seite jeder publizieren, daher weiß man nicht gewiss, ob der Aufruf tatsächlich aus dem linken Spektrum kommt. Zum anderen haben auch die bisherigen Polizeieinsätze bei LEGIDA gezeigt, dass die Beamten sich sehr genau darum bemühen, den rechten Aufmarsch zu ermöglichen. Dass dabei Demonstrierende sowie Journalisten mehrfach verletzt wurden und die Polizei damit schon länger in der Kritik steht, scheint nicht zu stören. Die Blockierenden stimmten dazu bei ihrer Räumung ein Lied an die Polizei an. Dies bestand aus nur einem Wort, der Forderung nach „Verhältnismäßigkeit“.
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