Dienstag, 21. April 2015
Erneut toter Gefangener in Bruchsal
Seit im Herbst 2014 in der JVA Bruchsal ein Gefangener verhungerte, berichtet die Presse, auch überregional, wenn dort erneut ein Insasse stirbt. Wie steht es um die gesundheitliche Situation von Inhaftierten?
Darum, wie um den weiteren Todesfall soll es im Folgenden gehen:
Erneuter Todesfall in der JVA Bruchsal
Wie die FAZ am 10.04.2015 (a.a.O., Seite 6) berichtete, sei am 08.04.2015 morgens um 6.05 Uhr ein 22 Jahre alter Gefangener in der JVA Bruchsal tot aufgefunden worden. Nach einem Bericht der Badischen Zeitung (BZ) aus Freiburg (10.04.2015) habe der Gefangene Methadon im Blut gehabt, obwohl er nicht an einem entsprechenden Methadonprogramm teilgenommen habe. FDP-Landtagsfraktionschef Rülke wird mit den Worten zitiert, der Justizminister (SPD) schaffe es offensichtlich nicht, die Missstände im Bruchsaler Gefängnis in den Griff zu bekommen.
Ein Insasse der JVA Bruchsal behauptet, der nun verstorbene Gefangene habe sich kurz vor seinem Tod an ihn gewandt, um ein Testament aufzusetzen; des weiteren sei der Verstorbene von anderen Häftlingen, wie auch vom Personal gemobbt und drangsaliert worden. Die BZ berichtete in ihrem oben erwähnten Artikel davon, der Verstorbene habe 2012 in der Jugendstrafanstalt Adelsheim eine Beamtin schwer verletzt, weshalb er in eine andere Haftanstalt verlegt worden sei.
Gesundheitsfürsorge in Gefängnissen
Von Gefangenen gibt es immer wieder Kritik an der ärztlichen und/oder psychologischen Betreuung innerhalb der Haftanstalten. Exemplarisch kann auf den Besuchsbericht des 'Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher Behandlung oder Strafe' (CPT) vom 24.07.2014 verwiesen werde. Der CPT hatte sich speziell der Situation in der Sicherungsverwahrung angenommen und „eine Reihe von Mängeln aufgezeigt, die Anlass zu besonderer Besorgnis geben“ (a.a.O., AZ. CPT/Inf (2014) 23, Seite 16). Gerügt wurde u.a. eine unzureichende personelle Ausstattung mit Ärzten, die fehlende Möglichkeit, sich vertraulich an einen Anstaltsarzt wenden zu können, sowie ein Fehlen von ausreichend qualifizierten PsychologInnen.
Alles nur Einzelfälle?
An dieser Stelle sei auf das Schicksal zweier Freiburger Sicherungsverwahrter etwas ausführlicher eingegangen.
Franz, wie er an dieser Stelle heißen soll, leidet an einer Lernbehinderung, sowie einer psychotischen Störung (vgl. Besuchsbericht des CPT, a.a.O., Seite 16). Seinen Haftraum lässt er konsequent vermüllen und würde nicht der Mitverwahrte G. ihm wöchentlich die Zelle grundreinigen, aber auch die Wäsche zu- und einteilen, er wäre gänzlich sich selbst überlassen.
Gelegentlich sieht man ihn auf dem Flur oder Freizeitraum, wie er vor sich hin lacht und spricht, Atemübungen macht, um dann zurück in die Zelle zu gehen. Dort redet er, oft über Stunden lautstark mit sich selbst, macht Tiergeräusche nach oder singt. Sozialarbeiterin A. behauptet, man kümmere sich nach Kräften um Franz; aus Sicht der Verwahrten jedoch überlässt man hier einen seelisch Kranken sich selbst, denn besondere Betreuungsanstrengungen können im Stationsalltag nicht beobachtet werden. Vielmehr ist es der klassische Fall schlichter Verwahrung eines hilflosen Menschen.
Tragisch verlief der Fall von Otto: ähnlich wie Franz lebte er in seiner ganz eigenen Welt, schrie oft aus seinem Zellenfenster russische Flüche, da in der Sowjetunion geboren, bevor er nach Deutschland kam. Einem normalen Gespräch war er kaum zugänglich, er schlurfte morgens in die Stationsdusche, danach ging er in den Gruppenraum und klopfte energisch an die beiden Fisch-Aquarien, stellte sich auf die Körperwaage und ging zurück in die Zelle. Tag um Tag, Monat um Monat, Jahr um Jahr. Zuletzt lief er mit abnorm vergrößertem Hoden ohne Unterkleidung über den Flur, hatte geschwollene Beine und erkennbare Entzündungen.
Auch in Ottos Fall konnten die Stationsbewohner keine sonderlichen Betreuungsbemühungen erkennen, obwohl für jedermann ersichtlich war, dass er körperlich wie seelisch schwer erkrankt war. Erst nachdem in Bruchsal Rasmane verhungerte, schien ein Ruck durch den Justizapparat zu gehen. Denn am 02.09.2014 beantragte man, im Wege der einstweiligen Anordnung eine rechtliche Betreuung zu errichten. Mit Telefax vom 04.09.2014 machte Obermedizinalrat T. von der JVA Freiburg auf die Dringlichkeit erneut aufmerksam. Noch am gleichen Tag erließ das Amtsgericht Freiburg (140 XVII 808/14) eine einstweilige Anordnung, mit welcher Herr F. - als Berufsbetreuer – für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung als Betreuer eingesetzt wurde. Herr F. kam kurz danach auf die Station und erkannte nach einem kurzen Gespräch mit Otto und Inaugenscheinnahme dessen verwahrloster Zelle, dass ärztliche Hilfe unumgänglich sei.
Letztlich kam diese zu spät, denn am 11.11.2014 verstarb Otto im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg bei Stuttgart.
Was zählt das Leben von Gefangenen?
Auffällig an den Todesfällen in letzter Zeit, ob in Bruchsal oder andernorts, er trifft vielfach jene Insassen, die als besonders 'schwierig' gelten, die oft nicht in der Lage sind, für sich selbst einzustehen. Auch wenn Mitgefangene versuchen sich zu engagieren, in den Fällen von Otto und Franz haben die Stationsbewohner oftmals täglich bei der Anstalt ein Handeln angemahnt, ohne auf Gehör zu stoßen, hilft das im Regelfall herzlich wenig. Der Staat nimmt den Betroffenen die Freiheit, aber anstatt dann seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, überlässt das Personal die Inhaftierten sich selbst.
Solange hier kein grundlegender Wandel stattfindet, wird weiterhin mit Todesfällen oder Schicksalen wie dem von Franz gerechnet werden müssen.
Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
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