Montag, 31. August 2020

Auch in Spanien sind Millionen in Erwerbslosigkeit und Kurzarbeit: Während der Druck für ein Grundeinkommen wächst, hat die rechtsradikale Regierung in Andalusien eine andere Lösung parat – Arbeitszwang


Dossier

Spanische CGT zu Corona: Unsere Gesundheit geht vor!„… Die sozialen Opfer der Coronavirus-Krise in Spanien können hoffen. Das Sozialministerium „sei dabei, ein lebenslanges Grundeinkommen“ zu koordinieren, erklärte am Sonntagabend Wirtschaftsministerin Nadia Calviño in einem Interview gegenüber dem Privatfernsehen LaSexta. „Es steht in der Regierungsvereinbarung und wir werden es im Laufe der Legislatur umsetzen“, erklärte die Ministerin und eine der Vizechefinnen der Koalitionsregierung aus der sozialistischen PSOE und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) unter Ministerpräsident Pedro Sánchez. Das Grundeinkommen sei „nicht nur für diese Ausnahmesituation“, bekräftigte Calviño, „sondern für immer“. (…) „Denn das Virus versteht sich sehr wohl auf soziale Klassen“, erklärte der linksalternative Politiker gegenüber den Medien. Insgesamt verloren durch die Pandemie in Spanien bisher 3,5 Millionen Menschen ihre Anstellung oder ihre Aufträge als Selbstständige. „Das Grundeinkommen ist eine demokratische Pflicht, um unsere Verfassung zu erfüllen. Wir können keinen Bürger zurücklassen“, fügte er hinzu. Er hoffe, dass die Regierung mit diesem Vorhaben ein breites, lagerübergreifendes Abkommen erziele. Als Sozialisten und Linksalternative vergangenen Dezember die Grundlage für eine Koalition schufen, war von einem Grundeinkommen von 1.100 Euro für eine Familie mit zwei Kindern die Rede. Die Presse schätzt die Kosten auf jährlich bis zu 3,5 Milliarden Euro…“ – aus dem Beitrag „Lebenslang Geld für jeden” von Reiner Wandler am 07. April 2020 in der taz online externer Link zu einer geplanten Maßnahme, die aber erst durch den massiven Druck sozialer Proteste näher an ihre Verwirklichung gerückt wurde. Siehe dazu auch weitere aktuelle Beiträge zum Grundeinkommen, eine Hintergrundmeldung zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie Berichte über gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Maßnahmen der rechtsradikalen andalusischen Regionalregierung im Dienste der Unternehmen:
  • Spanien: Ein „lebensnotwendiges Mindesteinkommen“ auf dem Papier und die Bedingungen als hohe Hürden New
    “… Viele Menschen in Spanien sind hart getroffen von den ökonomischen und sozialen Verwüstungen im Gefolge der Corona-Krise: Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen die zweithöchste in Europa nach Griechenland. Angesichts der stark steigenden Arbeitslosigkeit und der Not vieler Selbstständiger und Kleinstunternehmer hat die spanische Regierung etwas vorgezogen, was bereits vor der Corona-Krise vereinbart wurde: »In Spanien wird es für arme Familien erstmals ein monatliches „Grundeinkommen“ geben. Das beschloss die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez unter dem Eindruck wachsender sozialer Not durch die Corona-Krise. Das Vorhaben war bereits Teil der Koalitionsvereinbarungen zwischen dem sozialistischen Regierungschef und seinem Partner Pablo Iglesias vom Linksbündnis Unidas Podemos.« (…) Allerdings wurde bereits in dem Beitrag vom 29. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass die neue Leistung offensichtlich an zahlreiche Bedingungen geknüpft ist: »Die Hilfen betragen monatlich zwischen 460 und 1000 Euro, je nach Zusammensetzung und Größe des Haushalts. Anspruchsberechtigt sind in der Regel Personen zwischen 23 und 65 Jahren, die seit mindestens drei Jahren einen selbstständigen Haushalt führen, mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig waren und deren Einkommen pro Person im Haushalt unter 230 Euro im Monat liegt.« Und das Fazit damals: Eines ist die neue Leistung in Spanien aber nicht: ein „bedingungsloses Grundeinkommen“. Wenn, dann kann man sie am ehesten in den Formenkreis des deutschen Hartz IV-Systems, also einer nicht-bedingungslosen Grundsicherung, einordnen. Denn: Für die Bewilligung des Mindesteinkommens werden erstmals in Spanien die Daten der Sozialversicherung, des Finanzamtes und anderer staatlicher Stellen abgeglichen, um Missbrauch auszuschließen. Die von dem Mindesteinkommen Begünstigten müssen sich an Programmen zur sozialen und beruflichen Integration beteiligen, wenn sie diese angeboten bekommen. Für die neue Sozialhilfe müssen die Empfänger aktiv auf dem Arbeitsmarkt nach Arbeit suchen. (…) Die Folgen können vor diesem Hintergrund nicht überraschen: Bis zum 7. August sind nur 3.966 von bis dahin mehr als einer halben Million Anträgen positiv beschieden worden. Dass nur gut 0,5 Prozent Bescheide positiv seien, ist offensichtlich ein desaströses Ergebnis. »Inzwischen gehen auch Gewerkschaften auf die Barrikaden, die der sozialdemokratischen Regierung nahe stehen. Pepe Álvarez, Generalsekretär der großen UGT, spricht von »Chaos« und fügt an: »Das IMV wird niemand erhalten.« Er spricht von nun mehr als 700.000 Anträgen, von denen bisher mit 30.000 »nur ein kleiner Teil beschieden wurde. Bekommen hat das Hilfsgeld tatsächlich bisher niemand«, fügte er an.«” Beitrag von Stefan Sell vom 24. August 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • Spanien führt ein „Grundeinkommen“ ein, aber nicht bedingungslos, eher eine Art Hartz IVSpanien war schon während der letzten schweren Krise 2009 hart getroffen von den wirtschaftlichen Verwüstungen. Und auch in diesen wirren Tagen der Corona-Krise erreichen uns zahlreiche Katastrophenmeldungen hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie von der iberischen Halbinsel. Noch unabsehbar sind die ökonomischen Folgen des harten Lockdown, der in den vergangenen Wochen das Land lahmgelegt hat. Die Schneise der Verwüstung trifft ein Land, das schon vor Corona mit massiven Armut- und Verarmungsproblemen konfrontiert war, obgleich es nach außen so aussah, als würden sich die Spanier nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2009 und der sich anschließenden „Euro-Krise“ seit einiger Zeit wieder auf dem Höhenflug befinden. Aber „die“ Spanier gibt es ebenso wenig wie „die“ Deutschen. Schon »vor der Coronakrise lebten viele immer noch von der Hand in den Mund, mit Zeitverträgen, die manchmal nur ein paar Tage dauern. Und viele dieser Menschen stehen jetzt mit Nichts da, deren Jobs in der Tourismusindustrie, im Handel oder der Reinigungsbranche sind weggefallen … 20 Prozent gelten durch prekäre Arbeitsbedingungen in Spanien als arm. Bei etwa vergleichbaren Lebenshaltungskosten wie in Deutschland«, so dieser Beitrag: Regierung will soziale Abstürze verhindern externer Link. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen die zweithöchste in Europa nach Griechenland mit aktuell 17 Prozent. Allein im März stieg die Zahl der Arbeitslosen in Spanien um fast eine Million auf etwa 3,5 Millionen. Rund 900.000 Kleinstunternehmer und Selbstständige haben den Staat inzwischen um Hilfe bitten müssen, weil ihre Einnahmen weggebrochen sind. In dieser Situation hat die derzeitige spanische Regierung etwas vorgezogen, was bereits vor der Corona-Krise vereinbart wurde. In Spanien wird es für arme Familien erstmals ein monatliches „Grundeinkommen“ geben. Das beschloss die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez unter dem Eindruck wachsender sozialer Not durch die Corona-Krise. Das Vorhaben war bereits Teil der Koalitionsvereinbarungen zwischen dem sozialistischen Regierungschef und seinem Partner Pablo Iglesias vom Linksbündnis Unidas Podemos. (…) Nun wird der Ansatz im Zuge der verheerenden Auswirkungen der Corona-Krise also vorgezogen. Das „Grundeinkommen“ kommt – wörtlich wird es als „ingreso mínimo vital“ bezeichnet. Das kann man übersetzen mit „Mindesteinkommen zum Leben.“ Wobei man unterscheiden muss zwischen der Leistung und dem Mindesteinkommen zum Leben, das gleichsam als Referenzpunkt verdient – immer wieder taucht hier der Betrag von 1.050 Euro auf. Zu der nunmehr angeblich ab Juni beantragbaren Leistung erläutert Reiner Wendler in seinem Artikel Knapp unter dem Mindestlohn externer Link: »Das neue Mindesteinkommen richtet sich an 850.000 Haushalte mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern. Das neue Gesetz klassifiziert die bedürftigen Haushalte in 14 Gruppen, je nach Anteil der Erwachsenen und Kinder, und legt das entsprechende Mindesteinkommen fest. Wer dies nicht erreicht, erhält die Differenz vom Staat.« »Alleinstehende haben ein Recht auf mindestens 461 Euro im Monat. Das ist knapp unter dem, was Rentner erhalten, die nie eingezahlt haben. Das Existenzminimum für Lebensgemeinschaften aus Erwachsenen und Kindern wird auf bis zu 1.015 Euro monatlich festgelegt, knapp weniger als der gesetzliche Mindestlohn. (…) An anderer Stelle externer Link findet man diese Beschreibung, die auf Zugangshürden verweist: »Die Hilfen betragen monatlich zwischen 460 und 1000 Euro, je nach Zusammensetzung und Größe des Haushalts. Anspruchsberechtigt sind in der Regel Personen zwischen 23 und 65 Jahren, die seit mindestens drei Jahren einen selbstständigen Haushalt führen, mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig waren und deren Einkommen pro Person im Haushalt unter 230 Euro im Monat liegt.« Auf den angesprochenen Überschneidungsbereich zu bereits bestehenden Sozialhilfe-Leistungen in bestimmten Regionen hat auch Jessica Sturmberg in ihrem Beitrag externer Link hingewiesen (…) Eines ist die neue Leistung in Spanien aber nicht: ein „bedingungsloses Grundeinkommen“. Wenn, dann kann man sie am ehesten in den Formenkreis des deutschen Hartz IV-Systems, also einer nicht-bedingungslosen Grundsicherung, einordnen. Denn: Für die Bewilligung des Mindesteinkommens werden erstmals in Spanien die Daten der Sozialversicherung, des Finanzamtes und anderer staatlicher Stellen abgeglichen, um Missbrauch auszuschließen. Die von dem Mindesteinkommen Begünstigten müssen sich an Programmen zur sozialen und beruflichen Integration beteiligen, wenn sie diese angeboten bekommen. Für die neue Sozialhilfe müssen die Empfänger aktiv auf dem Arbeitsmarkt nach Arbeit suchen. Man achte auf die Wortwahl: Der spanische Sozialminister Pablo Iglesias wird mit den Worten zitiert, die Maßnahme könne bis zu 1,6 Millionen Menschen aus der extremen Armut holen. Und die Überschrift der Meldung externer Link bringt den Charakter dessen, was in Spanien nun auf die Schiene gesetzt wurde, ganz gut zum Ausdruck: Spanien führt „minimales Grundeinkommen“ ein – unter bestimmten Voraussetzungen und nicht für alle. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.” Beitrag von Stefan Sell vom 29. Mai 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • „La renta básica deja de ser una utopía“ von Ignacio Fariza am 06. April 2020 in El Pais externer Link ist ein Beitrag, in dem unterstrichen wird, dass das Grundeinkommen nicht nur in Spanien in diesen Tagen deutlich mehr Verfechter gewonnen hat, sondern weltweit. Und gibt einen entsprechenden Überblick zu Maßnahmen in einer Reihe von Ländern, die in „dieselbe Richtung“ gehen…
  • „Establecer una Renta Mínima Vital que proteja a los más vulnerables“ am 03. April 2020 beim Gewerkschaftsbund UGT externer Link steht her nicht deshalb als Beispiel zahlreicher gewerkschaftlicher Forderungen nach einem Grundeinkommen, weil der Verband der extremen Sozialpartnerschaft plötzlich die Sympathien des LabourNet Germany genießen würde, sondern weil es ein Hinweis darauf ist, dass selbst dieser Verband auf die Verbreitung dieser Forderung in der Öffentlichkeit reagieren musste. Andere Gewerkschaften, gerade Basisgewerkschaften und regionale Gewerkschaften hatten diese Forderung schon wesentlich früher erhoben.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=169570

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