Donnerstag, 20. Juni 2019

Reich mir die Hand ...? (Ralph Dobrawa)

Es gibt sicherlich unterschiedliche Stufen, Nähe zuzulassen, Anerkennung deutlich zu machen oder Respekt auszudrücken. Ein Handschlag ist gewiss kein Bruderkuss, und eine Umarmung wiegt mitunter mehr als viele Worte. Die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Die Linke) verweigerte aus naheliegenden Gründen den im Jahr 2014 neu gewählten Stadträten der rechtsextremen NPD den Handschlag. Wahrscheinlich war jeder von uns in seinem Leben schon einmal in einer Situation, wo es ihm schwerfiel, einem anderen die Hand zu reichen, oder er dies sogar unterlassen hat, weil ihm die Art des Auftretens des anderen so sehr missfallen hat, dass dies nicht durch die mit einem Handschlag verbundene Geste kaschiert werden sollte. Vermutlich ist es Katja Wolf nicht anders gegangen. Der betroffene Eisenacher NPD-Stadtrat fühlte sich dadurch angegriffen und diskriminiert. So klagte er vor dem Verwaltungsgericht in Meiningen, um sich attestieren zu lassen, dass ihm der Handschlag zugestanden hätte. Dort sah man die Dinge aber anders und bezeichnete das Verhalten von Wolf als »hinnehmbare politische Symbolhandlung«, von Diskriminierung könne keine Rede sein. »Zwar sind kommunale Wahlbeamte bei ihren Entscheidungen an Recht und Gesetz gebunden und müssen parteipolitisch neutral sein. Auf der anderen Seite kommen sie aber durch politische Wahlen in ihre Ämter, so dass beim persönlichen Umgang miteinander durchaus auch politische und parteipolitische Grundüberzeugungen deutlich zum Ausdruck kommen dürfen. Gerade der Handschlag ist eine Handlung, die persönliche Nähe schafft, die bei grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten schwerfallen kann.« Damit gab man sich auf Seiten der NPD nicht zufrieden und wollte es wissen. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht Weimar kam dann in der Tat überraschend jetzt zu einer anderen Auffassung. Am 12. April dieses Jahres stellte es in seinem Urteil fest, dass sich aus dem Wortlaut von § 24 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung eine Verpflichtung des Bürgermeisters ergibt, neu gewählte Stadtratsmitglieder durch Handschlag zu bestätigen. Allerdings führt dies nicht zu der Konsequenz, dass die Wahl durch das Unterlassen der symbolischen Handlung und mithin der damit nicht vollzogenen Bestätigung unwirksam wäre. Wenn allerdings das Gemeinderatsmitglied, welches gewählt wurde, die Verpflichtung verweigert hätte, verlöre es sein Amt, wenn es nicht sonst bereit wäre, sich zur gewissenhaften Pflichterfüllung zu verpflichten. Der Text der zitierten Rechtsvorschrift lautet: »Die Gemeinderatsmitglieder sind in der ersten nach ihrer Wahl stattfindenden Sitzung des Gemeinderats vom Bürgermeister auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten durch Handschlag zu verpflichten.« Das OVG hob deshalb die Entscheidung des Meininger Verwaltungsgerichts auf und entschied ohne mündliche Verhandlung in dem obigen Sinne. Als die Thüringer Kommunalordnung einst abgefasst und verabschiedet wurde, hat vermutlich niemand ahnen können, welche Konstellation sich hieraus einmal bei einem zumindest partiellen Wahlerfolg der NPD ergeben würde. Unabhängig davon, dass der klagenden rechtsextremen Partei damit nunmehr formell recht gegeben wurde, erhebt sich für den Betrachter die Frage, ob einem solchen »erzwungenen« Handschlag noch irgendeine Bedeutung beikommt, zumal die Geste nunmehr fünf Jahre später – bezogen auf die damals handelnden Personen – wohl nicht mehr nachgeholt werden kann. Respekt und Anerkennung lassen sich ohnehin nicht erzwingen, auch nicht mit juristischen Mitteln. Das sollte auch den Klägern klar sein.

Wie aber wäre es, sich als (Ober-)Bürgermeisterin vor dem Pflichthandschlag demonstrativ einen Handschuh anzuziehen? Das müsste doch rechtlich erlaubt sein, denn: »Damen dürfen ihre Handschuhe beim Handgeben anbehalten« hat man zu Zeiten von Benimmregeln noch gelernt.

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