Montag, 28. Januar 2019

Linkspartei mit an Bord? In Brandenburg und Berlin wird an der Verankerung einer »Schuldenbremse« in den Landesverfassungen gebastelt

Unter der neoliberalen Knute


Von Emil Zoller
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Bald wird nur noch »gebremst« saniert: Arbeiten in einem 1916 erbauten Schulgebäude in Berlin (13.8.2018)
Die bereits für den Bund geltende »Schuldenbremse« nach Artikel 109 des Grundgesetzes tritt 2020 auch für die Länder in Kraft. Während aber dem Bund noch eine Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zugestanden wird, werden die Länder ihre Haushalte gänzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen müssen. Für sie besteht lediglich die Möglichkeit, »eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen«, zu schaffen. Zudem dürfen sie Regelungen vornehmen, um eine »von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung« bei ihrem Schuldenmanagement zu berücksichtigen. Letzteres ist aber alles andere als einfach und kann je nach gewählter Methode zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen. Kurzum: Um in Krisenzeiten auch in einer angespannten Haushaltslage noch halbwegs vernünftig wirtschaften zu können, müssen die Länder landesrechtliche Lösungen finden, damit ihnen das Korsett des Artikels 109 nicht vollends die Luft abschnürt.
Im Interesse größtmöglicher Handlungsfähigkeit unter den Bedingungen der grundgesetzlichen Kreditbeschränkung kann die in Nordrhein-Westfalen von der »rot-grünen« Landesregierung geschaffene landesrechtliche Regelung als durchaus mustergültig bezeichnet werden. Vor allem, weil man in Düsseldorf – da nicht zwingend nötig – auf eine Änderung der Landesverfassung völlig verzichtet und statt dessen nur die Landeshaushaltsordnung geändert hat. Im Kern ist dort kaum mehr geregelt, als dass in außergewöhnlichen Notsituationen Kredite aufgenommen werden dürfen und ansonsten das Finanzministerium ermächtigt ist, alles Nähere »zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme« selbst in die Hand zu nehmen. Auch enthält die Haushaltsordnung in NRW keine über den Kernhaushalt des Landes hinausgehende Knebelung der sogenannten Schatten- oder Extrahaushalte, in denen staatliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen häufig geführt werden. Alles in allem dürften Landtag und Landesregierung unter den gegebenen Umständen damit den denkbar größten und zugleich flexibelsten haushaltspolitischen Spielraum besitzen.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich derweil nun auch SPD, CDU, Linke und Bündnisgrüne im brandenburgischen Landtag auf Gesetzentwürfe geeinigt, um einem vollständigen Kreditverbot zu entgehen. Eine erste Beratung im Landtag ist bereits für den kommenden Donnerstag angesetzt. Im Gegensatz zur NRW-Lösung scheint man in Potsdam allerdings davon überzeugt zu sein, die Schuldenbremse auf alle Zeit in Stein meißeln zu müssen, da hier eine Verankerung in der Landesverfassung geplant ist. Darüber hinaus sieht die dazugehörige Änderung der Haushaltsordnung vor, auch die Extrahaushalte unter die Knute der Schuldenbremse zu stellen.
Ähnliches bahnt sich in Berlin an. Der jungen Welt liegen Entwürfe aus dem Hause des Finanzsenators vor, die ebenfalls die Festschreibung des Kreditverbotes in der Verfassung vorsehen und zusätzliche Gestaltungsspielräume über Extrahaushalte verhindern sollen. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) während des Streits über die Beteiligung der Wohnungsbaugesellschaft Howoge am Schulsanierungsprogramm wiederholt betonte, linke Finanzpolitik bedeute nach seinem Verständnis auch, wo immer möglich Kreditspielräume für zusätzliche öffentliche Investitionen zu schaffen. Besonders für die Partei Die Linke könnte eine Debatte zur verfassungsrechtlichen Fixierung der Schuldenbremse schnell zur inneren Belastungsprobe werden. Gerade sie hatte das Neuverschuldungsverbot bisher stets als neoliberale Fessel für öffentliche Investitionen gebrandmarkt und als einzige Partei im Bundestag gegen ihre Aufnahme ins Grundgesetz gestimmt.
Die Gewerkschaften lehnen die Schuldenbremse bislang weiterhin ab. In Niedersachsen, wo ebenfalls dieser Tage eine geplante Änderung der Landesverfassung publik wurde, betonte der dortige DGB-Vorsitzende Mehrdad Payandeh: »Angesichts des gigantischen Bedarfs macht es keinen Sinn, Rücklagen zu bilden, statt zu investieren. Die Schuldenbremse wird keinen einzigen Kitaplatz, keinen Kilometer befahrbare Straße, weder Schulen noch bezahlbare Wohnungen schaffen. Statt dessen bleiben zukünftige Generationen auf einer maroden Infrastruktur sitzen.«

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