Montag, 28. Januar 2019

Schon wieder blockiert Italien ein Flüchtlingsrettungsschiff


Das Ausharren auf See ist für die Flüchtlinge eine traumatische Erfahrung, sagt Kapitänin Pia Klemp

  • Von Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Schon wieder europäisches Tauziehen um ein Rettungsboot auf dem Rücken der Flüchtlinge: Italien hat die niederländische Regierung aufgefordert, eine Lösung für das Schiff »Sea-Watch 3« einer deutschen Hilfsorganisation zu finden. Ein entsprechender Brief sei an Den Haag gegangen, erklärte Innenminister Matteo Salvini am Freitag. Das Boot fährt unter niederländischer Flagge und hatte vor einer Woche 47 Flüchtlinge vor Libyen aufgenommen.
Die niederländische Regierung jedoch wies die Verantwortung zurück. »Es ist Aufgabe des Kapitäns der «Sea-Watch3», in der Nähe einen sicheren Hafen zu finden«, erklärte das für Asylfragen zuständige Justizministerium auf dpa-Anfrage in Den Haag. Migranten ohne Recht auf Asyl müssten an der europäischen Außengrenze gestoppt oder zurückgeschickt werden. Ohne eine derartige strukturelle Lösung würden die Niederlande keine Migranten mehr aufnehmen. Die Antwort ist absurd, vor allem, da die Seenotrettungsstelle zuständig ist, der »Sea-Watch3« einen Hafen zuzuweisen. Diese liegt in der italienischen Hauptstadt Rom.
Das Schiff der Berliner NGO Sea-Watch ist zum zweiten Mal innerhalb eines Monats auf dem Meer blockiert. Mittlerweile wartet es vor Italien vergeblich auf Anweisungen. Obwohl sich mehrere Städte in Italien zu einer Aufnahme bereit erklärten, verbietet es die populistische Regierung in Rom.
Man suche Schutz »vor bis zu 7 Meter hohen Wellen, Regen und eisigem Wind«, twitterte Sea-Watch. Wegen eines Sturms steuerte die »Sea-Watch 3« in italienische Gewässer und liegt nun zwei Kilometer vor dem sizilianischen Syrakus.
 In einer Online-Petition fordert »Sea-Watch« die Zuweisung eines sicheren Hafens: »Wir fordern die europäische Kommission auf: Ziehen Sie ein für alle mal einen Schlussstrich unter das würdelose Geschachere mit Menschen«, heißt es in der Petition, die bereits 35.000 Menschen unterschrieben haben.
Der niederländische Botschafter in Italien solle einberufen werden, um zu erklären, was seine Regierung tun wolle, sagte Vize- Regierungschef Luigi Di Maio. »Wir sind bereit für die maximale Zusammenarbeit, aber unsere Linie für die NGOs ändert sich nicht.«
Italien hält seine Häfen für private Rettungsschiffe seit Monaten geschlossen und hat bereits mehrere Schiffe auf See blockiert. »Syrakus muss der nächste sichere Hafen werden«, sagt Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Unter den 47 Migranten seien 13 Minderjährige. Hinzu kommen 22 Crewmitglieder. Den Geretteten gehe es soweit gut.
Der Bürgermeister der sizilianischen Stadt erklärte sich bereit, das Schiff aufzunehmen. Allerdings liege die Entscheidung nicht bei der Kommune, sagte Francesco Italia nach Angaben italienischer Medien. Auch andere Städte wie Neapel zeigten Bereitschaft.
Bei dem rechten Innenminister Matteo Salvini stießen sie wie gehabt auf taube Ohren. »Während der Innenminister für die Interessen der Italiener arbeitet, sorgt sich der (Bürgermeister von Neapel) weiter nur um die Migranten«, sagte Salvini. Zynisch ist der Kommentar gerade angesichts der vielen Menschen nicht nur in Neapel, die ihre Bereitschaft signalisiert haben, die Menschen aufzunehmen.
Die EU-Staaten können sich seit Jahren nicht auf eine Verteilung von Bootsflüchtlingen einigen. Die »Sea-Watch 3« war um den Jahreswechsel etwa drei Wochen auf See blockiert, bevor die Flüchtlinge in Malta an Land durften. Von dort sollten sie auf andere EU-Staaten verteilt werden.
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Für die Flüchtlinge an Bord und auch für die Crew ist das Ausharren auf See eine schreckliche Erfahrung. Eine der Kapitäninnen der »Sea-Watch«, Pia Klemp, schildert das gegenüber »nd«: »Es ist wie eine zweite Traumatisierung. Die Menschen sind gerettet, aber müssen über Tage im ungewissen auf dem Schiff ausharren. Manchmal zusammen mit Toten, die wir ebenfalls bergen und an Land bringen«.
Die EU-Kommission betonte am Freitag, die Ereignisse zu verfolgen und mit den EU-Staaten in Kontakt zu sein. »Die Sicherheit der Menschen an Bord muss unser oberstes Anliegen und unsere Priorität sein«, sagte ein Sprecher. Es werde dringend eine vorhersehbare Regelung für solche Fälle gebraucht.
Italien und die EU unterstützen Libyen darin, die Flüchtlinge wieder in das Bürgerkriegsland zu bringen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das, da den Auswanderern dort unter anderem Folter drohte. Seit Beginn des Jahres sind laut Internationaler Organisation für Migration mindestens 217 Menschen bei der Überfahrt über das Mittelmeer gestorben. mit Agenturen

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