Donnerstag, 10. November 2016

Die Unverschämtheiten der Jobcenter


jobcenter-sex_bearbeitet-3Wer? Wie lange? Wie oft?

Jobcenter befragt Schwangere unter Strafandrohung nach ihren Sexualkontakten. So will es den Kindesvater ausfindig machen

Von Susan Bonath

Quelle: jungeWelt vom 25. Oktober 2016

Wer Hartz IV benötigt, wird vom Jobcenter durchleuchtet. Die Behörden wollen es genau wissen: Hat der Betroffene verwertbares Vermögen deponiert? Verschweigt er einen Partner, den man zum Unterhalt verdonnern könnte? Das Jobcenter Stade (Niedersachsen) geht noch weiter. Es verlangte nun von einer schwangeren Mandantin der Bremer Rechtsanwaltskanzlei »Rightmart« unter Strafandrohung detaillierte Auskünfte über ihr Intimleben und ihre Sexualpartner. Außerdem nötigte es sie zu eigener Recherche. Ziel sei es, den unterhaltspflichtigen Vater ausfindig zu machen. Das Dokument unter dem Titel »Zusatzfragebogen -ungeborene Kinder- (Kindesvater unbekannt)« veröffentlichte die Kanzlei Ende vergangener Woche.
Darin soll die werdende Mutter die Namen und Geburtsdaten der Männer auflisten, mit denen sie »in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte«. Nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) umfasst letztere 181 bis 300 Tage vor dem errechneten oder tatsächlichen Geburtstermin. Sollte die Betroffene keine Angaben machen können, mahnt das Jobcenter, habe sie dies »ausführlich und nachvollziehbar« zu begründen. Außerdem soll sie darlegen, welche »intensiven Nachforschungen zur Ermittlung des Kindesvaters« sie selbst angestellt habe. Schließlich verlangt ihr das Amt eine Erklärung ab. In dieser soll sie nicht nur versichern, dass ihre Angaben wahr sind. Sie soll sich darüber hinaus verpflichten, jede Erkenntnis zum möglichen Kindesvater umgehend dem Jobcenter mitzuteilen. Ferner soll sie bekunden: »Ich wurde hiermit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich eine strafbare Handlung begehe, wenn ich den Kindesvater absichtlich verschweige oder vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe.«
»Wir dachten zuerst, es handele sich um einen bösen Scherz«, sagte Rechtsanwalt Jan Strasmann im Gespräch mit junge Welt. Inzwischen zweifelt er nicht mehr an der Echtheit des Papiers. Er habe schon allerlei Jobcenterschikanen erlebt, berichtete er. »Dass aber derart weitgehend rechtliche und moralische Grundsätze verletzt werden, ist eine neue Qualität.« Eigentlich sei es Sache der Jugendämter, Kindesväter ausfindig zu machen, so Strasmann. Diese fragten die Frauen, ob sie die Väter kennen würden. Das Jobcenter sei hier »definitiv zu weit gegangen«. Strasmann will Konsequenzen prüfen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen