“Die Auswertung einer empirischen Befragung zeigt auf, weshalb der Rechtspopulismus auch in gewerkschaftlichen Kontexten Unterstützer findet, und liefert Beispiele praktischer Solidarität dagegen. Die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien – auch und gerade unter Arbeiter*innen – haben zu intensiven Debatten in Gesellschaft, Gewerkschaften und Betrieben geführt. Im Fokus steht dabei, warum nicht die politische Linke von der Verschiebung profitiert, welche Folgen dieser Wandel für die praktische Solidarität hat und ob es einen Zusammenhang zu neuen arbeitsweltlichen Zumutungen oder gesellschaftlichen Abstiegserfahrungen gibt. Die Befragungsstudie der TU Darmstadt stellt »engagierte Gewerkschafter*innen« ins Zentrum: Als informelles Scharnier zwischen Hauptamtlichen und Mitgliedern sind sie besonders sensibel für drängende Themen und wirken als Sprachrohr in beide Richtungen. Diese bislang kaum beachtete Gruppe wurde mit einem Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden erforscht. Die engagierten Gewerkschafter*innen wurden nach ihren Deutungen des Flüchtlingsthemas, der Umbrüche in der Arbeitswelt, des neoliberalen Umbaus des Sozialstaats und nach den Veränderungen in der Parteienlandschaft befragt. Die Studie zeichnet ein Bild, das geprägt ist von Abstiegssorgen und Deklassierungserfahrungen, von Machtlosigkeit und Druck in der Arbeitswelt, von politischen Veränderungswünschen und verlorener Parteienbindung sowie von Sinnsuche in Zeiten weltanschaulicher Entwurzelung. Sie verdeutlicht die wichtige Rolle der Gewerkschaften in der Benennung und Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte sowie die praktische Solidarität vieler Beschäftigter mit Geflüchteten.” Info des VSA-Verlags zum Buch von Ulrich Brinkmann, Maren Hassan-Beik, Javier Pato Otero und Lukas Zappino (Oktober 2019 | EUR 10.80 | ISBN 978-3-96488-016-1) – siehe dazu:
- Wenn Gewerkschaftsmitglieder AfD wählen
Interview zu einer Studie über den Einfluss der AfD unter Gewerkschaftsmitgliedern mit Prof. Ulrich Brinkmann (UB) sowie Maren Hassan-Beik (MHB) und Lukas Zappino (LZ) vom Projektteam beim Politnetz Darmstadt am 18. November 2019 : “… MHB: Die Auswertung der Fragebögen und der Interviews ergab, dass es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen der Krisen unter den Befragten gibt. Wir konnten aber drei Gruppen mit ähnlichem Antwortverhalten ausmachen. Dies waren: Einmal die „Verunsicherten“. Sie haben ausgeprägte Abstiegssorgen, verbunden mit einem enormen politische Vertrauensverlust und eigenen Ohnmachtsgefühlen. Die Perspektive von kollektiven Handlungsmöglichkeiten wird von ihnen nicht gesehen. Hier finden wir auch eine hohe Fremdenfeindlichkeit. Dann die „Befriedeten“, eine Art Zwischengruppe. Im Unterschied zu den anderen Gruppen üben sie eine geringe Sozialkritik und fühlen eine relative Sicherheit im Kapitalismus. Es sind überwiegend jüngere Kolleg*innen, die noch wenig politischen Handlungsdruck zu verspüren scheinen. Die „Sozialkritischen“ äußern am meisten Sozialkritik und ein Unbehagen im Kapitalismus. Sie sind eher krisenresistent, äußern weniger Abstiegsängste und sehen sich selbst als politisch handlungsfähig. Fremdenfeindlichen Aussagen erhalten bei ihnen die geringste Zustimmung. Viele dieser Gruppe sind über 55 Jahre alt. (…) UB: Im Wahlverhalten zeigen diese drei Gruppen eklatante Unterschiede. Während die AfD bei den „Verunsicherten“ auf Werte von etwa 30 % kommt, sind es in den anderen zwei Gruppen lediglich 5 %. (…) MHB: Selbstverständlich reichen sozio-ökonomische Determinanten für die Erklärung des Erfolgs der AfD nicht aus. Unsere Befragten nehmen die von uns beschriebenen Krisen sehr komplex und unterschiedlich gewichtet wahr. Uns ging es auch darum, die Entstehung der Deutungsmuster, darunter auch Fremdenfeindlichkeit, zu erklären und auf die gesellschaftliche Situation zurückzuführen. (…) UB: Die Gewerkschaften spielen eine eminent wichtige Rolle. Sie genießen nach wie vor ein berechtigtes großes Vertrauen. Wir wissen, dass ein großer Teil die AfD aus Enttäuschung über die etablierten Parteien wählt, sie sind noch keine Stammwähler, keine überzeugten Rechten. Aber das Fenster schließt sich, und es gibt dringenden Handlungsbedarf. 85 Prozent unserer Befragten wünschen sich eine offensivere und stärker konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik. Das müssen sich die Gewerkschaften unbedingt vergegenwärtigen. Nur wenn sie kämpfen, können sie diesen Vertrauensvorschuss behalten. Die Erfahrung kollektiven Handelns ist wichtig, das Gefühl gemeinsam etwas durchsetzen zu können. Nur so kann den Beschäftigten die Ohnmachtserfahrung genommen werden. (…) LZ: Das heißt nicht, dass man deren Argumente übernimmt – es geht vielmehr um Aufklärung und um Entkräftung der Argumente. Gerade im betrieblichen Alltag ist das möglich, aber letztlich auch unausweichlich. Es geht darum, Ursachen sozialer Konflikte aufzuzeigen und z.B. durch solidarisches Miteinander und Kampforientierung zu zeigen, dass Veränderungen durch Solidarität möglich sind. Gerade diese Erfahrung inspiriert z.B. viele Auszubildende, die sich antirassistisch äußern. Sicherlich gibt es andererseits auch Personen, die auch mit Argumenten und Aufklärung nicht mehr erreichbar sind – hier hilft nur die sogenannte klare Kante.” – Das mit der gemeinsamen Erfahrung, ist sicher richtig. Allerdings wird der Grund für Rassismus nicht genügend analysiert. Soziale Abstiegsängste sind zwar eine Basis, aber keine ausreichende Begründung. Verstehe sowie so nicht, warum nicht nach den Gründen der Fremdenfeindlichkeit gefragt wurde (zumindest erfährt man hier dazu nichts)
Siehe dazu auch:
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