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„Wir werden die Ölindustrie Mexikos retten“ – So will Präsident López Obrador den Staatskonzern Pemex umkrempeln
In seinen ersten 100 Tagen Amtszeit hat Präsident López
Obrador viel erreicht. Doch der staatliche Ölkonzern Pemex
bleibt weiterhin eine Baustelle.
Handelsblatt v. 30.3.2019
von Klaus Ehringfeld
Mexiko-Stadt. Um die ersten drei Monate von Andrés Manuel López Obrador an der Spitze Mexikos zu bewerten, empfiehlt sich ein Blick auf die Wirtschaftsdaten des Landes – und der ist positiv. Die Währung ist so fest wie seit Jahren nicht mehr, Investoren schießen Milliarden in das Land, die Verbraucher sind zuversichtlich, und der Wachstumsabschwung fällt moderater aus als prognostiziert.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas blüht unter dem
ersten linken Präsidenten der Geschichte des Landes nahezu auf.
„Alle Katastrophen- und Untergangsszenarien, die vor allem die
internationalen Ratingagenturen gezeichnet haben, haben sich
nicht erfüllt“, sagt Rodolfo Navarrete, Chefökonom des
mexikanischen Börsenhauses Vector im Gespräch mit dem
Handelsblatt.
Doch der staatliche Ölkonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) könnte dem Land großes Kopfzerbrechen bereiten – und mittelfristig zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Mexikos Bonds führen. „Pemex ist praktisch bankrott“, sagt Navarrete. Das größte lateinamerikanische Unternehmen ist zugleich das am höchsten verschuldete der Welt.
Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 107 Milliarden Dollar. Und die Ölförderung geht zudem immer weiter zurück. Die Förderung sank in den vergangenen sieben Jahren von 3,3 Millionen Fass täglich auf rund 1,6 Millionen Fass gegenwärtig und steht derzeit bei dem Niveau von 1979.
López Obrador hat bereits im Wahlkampf angekündigt, die unter seinem Vorgänger Enrique Peña Nieto eingeleitete Privatisierung des Konzerns zu stoppen. Zwar werden die vergebenen 75 Konzessionen an Private nicht gekündigt, aber neue Vergaberunden für weitere Öl- und Gasfelder sind zunächst einmal gestoppt. Der Präsident fordert von den Multis, innerhalb von drei Jahren Öl zu fördern.
Die staatlichen Investitionen in den Erdölsektor gingen vor allem seit Beginn der Energiereform im Jahr 2014 drastisch zurück und konnten durch die privaten Geldgeber nicht kompensiert werden. Zugleich erhöhten sich die Schulden von Pemex drastisch um mehr als 40 Milliarden Dollar. „Zum einen verschwand das Geld durch Korruption und zum anderen hat die Regierung von Peña Nieto mit dem Geld die Haushaltslöcher gestopft“, erklärt Vector-Ökonom Navarrete. „Wir werden die Ölindustrie Mexikos retten“, versicherte Präsident López Obrador jüngst. Wir werden Pemex verändern und damit Mexiko verändern. Dem Linkspräsidenten schwebt vor, dem 1938 verstaatlichten Konzern wieder zu dem alten Glanz zu verhelfen, den es vor Jahrzehnten einmal hatte, als es das Vorzeigeunternehmen des Landes war. Damals speiste Permex den Staatshaushalt zu einem Drittel aus seinen Einnahmen.
Zur Wiederbelebung von Pemex will der Staatschef elf Milliarden Dollar in Produktion und Suche nach neuen Lagerstätten investieren und gleichzeitig die Schuldenlast dieses Jahr um 5,5 Milliarden reduzieren. Zudem sollen sechs brachliegende Raffinerien wieder reaktiviert und eine neu gebaut werden. So soll Mexiko unabhängiger vom Benzimport werden. Gegenwärtig muss der Staat 70 Prozent seiner Kraftstoffe teuer im Ausland einkaufen. Das entspricht 400.000 Fass täglich.
Rating-Agenturen wie Standard & Poors sowie Moody's halten die Investitionen und hier vor allem die Sanierungsmaßnahmen für zu gering, um die Schuldenspirale zu stoppen. Sie gehen davon aus, dass der Staatskonzern mindestens die doppelte Summe an Investitionen benötigt. Finanzminister Carlos Urzúa bezeichnet daher Pemex auch als die „größte wirtschaftliche Herausforderung“ der neuen mexikanischen Regierung.
Dabei ist die Wirtschafts- und Finanzlage unter López Obrador gut. 42 Milliarden Pesos (knapp zwei Milliarden Euro) sind in den ersten drei Monaten der Regierung in das Land geflossen. Unter Vorgänger Peña Nieto belief sich die Summe im gleichen Zeitraum auf gerade einmal 15 Milliarden Peso. Der Leitzins Cetes liegt bei knapp acht Prozent und zieht somit viel Kapital an.
Die ersten mehr als 100 Tage der Regierung von López Obrador waren gekennzeichnet von Überraschungen wie diesen, aber auch von Aktionismus, von erfüllten Versprechen, von applaudierten, aber auch heftig kritisierten Entscheidungen. Der Auftakt der Amtszeit des 65-Jährigen ist das spiegelgetreue Abbild seines Wahlkampfs. Allein das ist schon selten bei Politikern – und in Mexiko ein Novum.
López Obrador, wie der Staatschef nur kurz genannt wird, hat Versprechen schnell umgesetzt, sich mit Nichtregierungsorganisationen angelegt, staatliche und halbstaatliche Institutionen abgeschafft. Alles dient dem übergeordneten Ziel seiner Präsidentschaft: „Wir wollen eine Wirtschafts- und Sozialmodell in Mexiko etablieren, in dem es keine Korruption gibt und wir mit Ehrlichkeit regieren“.
Dabei behält López Obrador seinen autoritären, provokanten, ichbezogenen und bisweilen ruppigen Stil aus dem Wahlkampf auch als Präsident bei. Gerade erst sorgte er in Spanien, aber auch in der Heimat mit der Forderung für Aufregung, die Regierung in Madrid möge sich für die Übel der Kolonisierung bei Mexiko entschuldigen. Denn die Taten der Eroberer müssten heute als „Menschenrechtsverletzungen“ kategorisiert werden. Gleiches forderte López Obrador von Papst Franziskus, dem Oberhaupt der Katholischen Kirche. Schließlich sei die Eroberung Mexikos „mit Schwert und Kreuz“ erfolgt. Die harsche Ablehnung dieser Forderung der sozialistischen Regierung Spaniens war noch zu erwarten. Überraschender war schon das fast einheitliche Kopfschütteln der gesamten mexikanischen Intellektualität im gesamten politischen Spektrum – von links bis rechts.
Undiplomatisch, schädlich für die internationalen Beziehungen
lauteten noch die wohlmeinenderen Kommentare. Die Forderung sage
vor allem viel über López Obrador selbst aus, der einen
willkürlichen Politikstil pflege und „wenig von diplomatischen
Gepflogenheiten“ verstehe, urteilt der Analyst Jorge Zepeda
Patterson, der gewöhnlich der Politik des Linkspräsidenten sehr
zugewandt ist.
Fernab solcher „Wutanfälle“, wie Zepeda Patterson die Forderung von López Obrador nennt, hat sich der Präsident als akribischer Arbeiter erwiesen. Fünf Mal die Woche zitiert er die Hauptstadtpresse um sieben Uhr morgens in den Nationalpalast im Herzen von Mexiko-Stadt zu einer Konferenz, in der er gut gelaunt, bestens informiert und bisweilen belehrend die Themen des Tages vorgibt.
Seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember dominierten diese Konferenzen der Aufbau einer Nationalgarde zur Bekämpfung des Organisierten Kriminalität, die Schaffung einer Wahrheitskommission, um die Verbrechen an den 43 Studenten von Ayotzinapa aufzuklären und die Abschaffung der Privilegien für Staatsdiener und Ex-Präsidenten. Für all die Maßnahmen lieben die Mexikaner ihren Präsidenten. 80 Prozent der Bevölkerung bescheinigen ihm in der Startphase seiner Regierung einen sehr guten Job. In Umfragen werden vor allem die Streichung der Pensionen für Ex-Präsidenten, die Kürzung der Gehälter für Staatsdiener – inklusive seines eigenen – und der Verkauf des Präsidentenflugzeuges sowie die neue Nationalgarde hervorgehoben.
https://www.handelsblatt.com/politik/international/mexiko-wir-werden-die-oelindustrie-mexikos-retten-so-will-praesident-lpez-obrador-den-staatskonzern-pemex-umkrempeln/24162888.html?ticket=ST-2345702-KsqHcKJfu5icd00PPP0L-ap1
_______________________________________________Doch der staatliche Ölkonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) könnte dem Land großes Kopfzerbrechen bereiten – und mittelfristig zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Mexikos Bonds führen. „Pemex ist praktisch bankrott“, sagt Navarrete. Das größte lateinamerikanische Unternehmen ist zugleich das am höchsten verschuldete der Welt.
Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 107 Milliarden Dollar. Und die Ölförderung geht zudem immer weiter zurück. Die Förderung sank in den vergangenen sieben Jahren von 3,3 Millionen Fass täglich auf rund 1,6 Millionen Fass gegenwärtig und steht derzeit bei dem Niveau von 1979.
López Obrador hat bereits im Wahlkampf angekündigt, die unter seinem Vorgänger Enrique Peña Nieto eingeleitete Privatisierung des Konzerns zu stoppen. Zwar werden die vergebenen 75 Konzessionen an Private nicht gekündigt, aber neue Vergaberunden für weitere Öl- und Gasfelder sind zunächst einmal gestoppt. Der Präsident fordert von den Multis, innerhalb von drei Jahren Öl zu fördern.
Die staatlichen Investitionen in den Erdölsektor gingen vor allem seit Beginn der Energiereform im Jahr 2014 drastisch zurück und konnten durch die privaten Geldgeber nicht kompensiert werden. Zugleich erhöhten sich die Schulden von Pemex drastisch um mehr als 40 Milliarden Dollar. „Zum einen verschwand das Geld durch Korruption und zum anderen hat die Regierung von Peña Nieto mit dem Geld die Haushaltslöcher gestopft“, erklärt Vector-Ökonom Navarrete. „Wir werden die Ölindustrie Mexikos retten“, versicherte Präsident López Obrador jüngst. Wir werden Pemex verändern und damit Mexiko verändern. Dem Linkspräsidenten schwebt vor, dem 1938 verstaatlichten Konzern wieder zu dem alten Glanz zu verhelfen, den es vor Jahrzehnten einmal hatte, als es das Vorzeigeunternehmen des Landes war. Damals speiste Permex den Staatshaushalt zu einem Drittel aus seinen Einnahmen.
Zur Wiederbelebung von Pemex will der Staatschef elf Milliarden Dollar in Produktion und Suche nach neuen Lagerstätten investieren und gleichzeitig die Schuldenlast dieses Jahr um 5,5 Milliarden reduzieren. Zudem sollen sechs brachliegende Raffinerien wieder reaktiviert und eine neu gebaut werden. So soll Mexiko unabhängiger vom Benzimport werden. Gegenwärtig muss der Staat 70 Prozent seiner Kraftstoffe teuer im Ausland einkaufen. Das entspricht 400.000 Fass täglich.
Rating-Agenturen wie Standard & Poors sowie Moody's halten die Investitionen und hier vor allem die Sanierungsmaßnahmen für zu gering, um die Schuldenspirale zu stoppen. Sie gehen davon aus, dass der Staatskonzern mindestens die doppelte Summe an Investitionen benötigt. Finanzminister Carlos Urzúa bezeichnet daher Pemex auch als die „größte wirtschaftliche Herausforderung“ der neuen mexikanischen Regierung.
Dabei ist die Wirtschafts- und Finanzlage unter López Obrador gut. 42 Milliarden Pesos (knapp zwei Milliarden Euro) sind in den ersten drei Monaten der Regierung in das Land geflossen. Unter Vorgänger Peña Nieto belief sich die Summe im gleichen Zeitraum auf gerade einmal 15 Milliarden Peso. Der Leitzins Cetes liegt bei knapp acht Prozent und zieht somit viel Kapital an.
Die ersten mehr als 100 Tage der Regierung von López Obrador waren gekennzeichnet von Überraschungen wie diesen, aber auch von Aktionismus, von erfüllten Versprechen, von applaudierten, aber auch heftig kritisierten Entscheidungen. Der Auftakt der Amtszeit des 65-Jährigen ist das spiegelgetreue Abbild seines Wahlkampfs. Allein das ist schon selten bei Politikern – und in Mexiko ein Novum.
López Obrador, wie der Staatschef nur kurz genannt wird, hat Versprechen schnell umgesetzt, sich mit Nichtregierungsorganisationen angelegt, staatliche und halbstaatliche Institutionen abgeschafft. Alles dient dem übergeordneten Ziel seiner Präsidentschaft: „Wir wollen eine Wirtschafts- und Sozialmodell in Mexiko etablieren, in dem es keine Korruption gibt und wir mit Ehrlichkeit regieren“.
Dabei behält López Obrador seinen autoritären, provokanten, ichbezogenen und bisweilen ruppigen Stil aus dem Wahlkampf auch als Präsident bei. Gerade erst sorgte er in Spanien, aber auch in der Heimat mit der Forderung für Aufregung, die Regierung in Madrid möge sich für die Übel der Kolonisierung bei Mexiko entschuldigen. Denn die Taten der Eroberer müssten heute als „Menschenrechtsverletzungen“ kategorisiert werden. Gleiches forderte López Obrador von Papst Franziskus, dem Oberhaupt der Katholischen Kirche. Schließlich sei die Eroberung Mexikos „mit Schwert und Kreuz“ erfolgt. Die harsche Ablehnung dieser Forderung der sozialistischen Regierung Spaniens war noch zu erwarten. Überraschender war schon das fast einheitliche Kopfschütteln der gesamten mexikanischen Intellektualität im gesamten politischen Spektrum – von links bis rechts.
Fernab solcher „Wutanfälle“, wie Zepeda Patterson die Forderung von López Obrador nennt, hat sich der Präsident als akribischer Arbeiter erwiesen. Fünf Mal die Woche zitiert er die Hauptstadtpresse um sieben Uhr morgens in den Nationalpalast im Herzen von Mexiko-Stadt zu einer Konferenz, in der er gut gelaunt, bestens informiert und bisweilen belehrend die Themen des Tages vorgibt.
Seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember dominierten diese Konferenzen der Aufbau einer Nationalgarde zur Bekämpfung des Organisierten Kriminalität, die Schaffung einer Wahrheitskommission, um die Verbrechen an den 43 Studenten von Ayotzinapa aufzuklären und die Abschaffung der Privilegien für Staatsdiener und Ex-Präsidenten. Für all die Maßnahmen lieben die Mexikaner ihren Präsidenten. 80 Prozent der Bevölkerung bescheinigen ihm in der Startphase seiner Regierung einen sehr guten Job. In Umfragen werden vor allem die Streichung der Pensionen für Ex-Präsidenten, die Kürzung der Gehälter für Staatsdiener – inklusive seines eigenen – und der Verkauf des Präsidentenflugzeuges sowie die neue Nationalgarde hervorgehoben.
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