Gerhard Jenders*
Am 8. Mai 1945 endete das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, das zwölf Jahre zuvor mit der Machtübertragung an Adolf Hitler begonnen hatte. Die Nazis hatten zunächst Andersdenkende gnadenlos verfolgt, dann in ihrem Rassenwahn Juden, Sinti und Roma zu Millionen ermordet und die Welt mit einem Krieg überzogen, der 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Mit all dem war am 8. Mai 1945 endlich Schluss: Die deutsche Wehrmacht kapitulierte. (Die Kapitulation trat um 23.01 Uhr in Berlin in Kraft, in Moskau war das wegen der anderen Zeitzone schon am nächsten Tag, deshalb wird dort der 9. Mai gefeiert.)
Wie konnte der Faschismus in Deutschland an die Macht kommen?
Schon der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 war vom deutschen Militarismus und Nationalismus begonnen worden und hatte über 10 Millionen Menschen das Leben gekostet. Als Deutschland danach eine Republik wurde, gab es keinen Bruch mit der Macht der Militaristen und der Kriegsgewinnler, Militärverbände unter nationalistischem Kommando, sogenannte „Freikorps“ sicherten die Macht gegen die, die radikale Veränderungen wollten.
Auf der anderen Seite wurden, verstärkt durch die Weltwirtschaftskrise, soziale Unterschiede und Ungerechtigkeiten deutlich sichtbar. Die Arbeiterbewegung war sich aber nicht einig im Kampf gegen diese Zustände, die rechten Parteien wollten dies nutzen, um die Menschen, die mit der Lage unzufrieden waren, auf ihre Seite zu ziehen. So kam die Bezeichnung „sozialistisch“ in den Namen der NSDAP. Dabei wurde die schon lange recht starken antisemitischen Ressentiments genutzt, um gegen „jüdische Großbanken“ und das „Weltjudentum“ als Schuldige zu hetzen und von den deutschen Konzernen abzulenken. So fand Hitler Unterstützung bei deutschen Großindustriellen und bei Medienkonzernen wie Hugenberg. Mit den für die damalige Zeit modernsten Propaganda-Mitteln erzielte er Wahlerfolge, am 30. Januar 1933 wurde er zum Reichskanzler ernannt.
Damit wurde der Terror der SA-Schlägertrupps, der schon vorher eher halbherzig von Staat und Justiz verfolgt worden war, offizielle Innenpolitik. Der Rassismus der Nazis, der von der Überlegenheit der „Nordischen Rasse“ faselte und die Juden zum Sündenbock für alle Probleme machte, wurde zur Staatsdoktrin.
Militär und Rüstung wurden verstärkt, am 1. September 1939 war die Aufrüstung so weit, dass die Wehrmacht über die Grenzen geschickt wurde, um andere Länder zu überfallen. Dabei ging es nicht nur um Machtstreben, sondern auch um den Zugang zu Rohstoffen, um Ackerland für Großbauern, um Arbeitssklaven für die deutsche Industrie. Mit ihrer „Herrenmenschen“-Ideologie fühlten sich die Generäle und ihre Soldaten dazu berufen, andere zu unterwerfen und zu töten. Es endete mit der Ermordung von 6 Millionen Juden, einer halben Million Sinti und Roma und – nach der Verwüstung weiter Teile Europas durch die deutsche Wehrmacht – der Verwüstung des eigenen Landes.
Für die Menschen in den von den Nazis überfallenen Ländern war klar, dass sie mit dem 8. Mai 1945 endgültig von der Unterdrückung befreit waren. Befreit waren auch die Menschen, die von den Nazis in den Lagern gefangen gehalten worden waren, weil sie Widerstand geleistet hatten. Von vielen Deutschen, die sich von der Nazi-Propaganda hatten mitreißen lassen und die die Verbrechen nicht sehen wollten, wurde das Ende des Krieges aber zunächst als „Zusammenbruch“ bezeichnet.
Im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess wurden führende Politiker der Nazis abgeurteilt. Auch Großindustrielle, die vom Krieg und der Zwangsarbeit in den KZs profitiert hatten, wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie wurden jedoch sehr schnell begnadigt, denn im Klima des „Kalten Kriegs“ kam es in den Westzonen darauf an, schnell ein funktionierendes, wirtschaftlich erstarkendes Land als „Bollwerk“ gegen den Ostblock aufzubauen. Auch in der Politik wurden „erfahrene“ Männer mit NS-Vergangenheit als „Experten“ eingesetzt: Der langjährige Leiter des Bundesnachrichtendienstes Gehlen war unter den Nazis an hoher Stelle in ähnlicher Funktion tätig gewesen, Bundeskanzleramts-Chef Globke war Mitverfasser der NS-Rassegesetze gewesen.
Es dauerte lange, bis in der Bundesrepublik Deutschland mit der Aufarbeitung des Verbrechen begonnen wurde. Erst etwa 20 Jahre nach 1945 wurde den Tätern von Auschwitz der Prozess gemacht. Noch einmal 20 Jahre dauert es, bis am 8. Mai 1985 der damalige Bundespräsident Weizäcker der Opfer des NS-Terrors gedachte und den Widerstand gegen die Nazis würdigte. Und erst 50 Jahre nach 1945 wurde mit der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht – Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 – 1944“ weiten Kreisen der Bevölkerung deutlich, dass nicht nur die SS eine verbrecherische Organisation war, sondern dass auch die „einfachen Soldaten“ an den Verbrechen beteiligt waren.
Wie sieht es heute aus, 74 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus? Haben die Menschen in Deutschland gelernt, dass Überheblichkeit, Nationalismus und Rassenwahn in den Untergang führen? Dass Profitgier über Leichen geht – auch über ihre eigenen? Dass nie wieder Krieg sein darf – weder bei uns noch anderswo?
Leider sehen wir ein anderes Bild: Wieder wird aufgerüstet, denn die NATO-Staaten haben sich das Ziel gesetzt, jährlich 2% des Bruttosozialprodukts für Waffen auszugeben. Das würde für Deutschland fast 30 Milliarden mehr Geld fürs Töten bedeuten. Dabei sollen die Waffen immer „effizienter“ werden – am Ende drohen uns autonome Killer-Roboter, die auf Grund von Algorithmen entscheiden, wer getötet wird.
Und wieder sind Rechtspopulisten und Rechtsextremisten aktiv: Im Untergrund konnte der NSU mordend durch das Land ziehen, auf den Straßen ziehen Nazi-Horden wie „DIE RECHTE“ durch unsere Städte und treiben offen antisemitische Hetze. Und in den Sälen hetzen AfD-Politiker wie Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und Gauland, für den die Terrorherrschaft der Nazis ein „Vogelschiss“ war.
Am 8. Mai 1945 sind wir von der Herrschaft des Faschismus in Deutschland befreit worden – am 8. Mai 2019 müssen wir dafür kämpfen, dass das faschistische Gedankengut endgültig aus den Köpfen verschwindet. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit! Nie wieder sollen Hass, Nationalismus und Rassismus Leid über die Menschen bringen. Lasst uns gemeinsam eintreten für Toleranz, Respekt und Vielfalt!
https://yenihayat.de/2019/04/26/der-8-mai-1945-und-heute/
Am 8. Mai 1945 endete das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, das zwölf Jahre zuvor mit der Machtübertragung an Adolf Hitler begonnen hatte. Die Nazis hatten zunächst Andersdenkende gnadenlos verfolgt, dann in ihrem Rassenwahn Juden, Sinti und Roma zu Millionen ermordet und die Welt mit einem Krieg überzogen, der 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Mit all dem war am 8. Mai 1945 endlich Schluss: Die deutsche Wehrmacht kapitulierte. (Die Kapitulation trat um 23.01 Uhr in Berlin in Kraft, in Moskau war das wegen der anderen Zeitzone schon am nächsten Tag, deshalb wird dort der 9. Mai gefeiert.)
Wie konnte der Faschismus in Deutschland an die Macht kommen?
Schon der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 war vom deutschen Militarismus und Nationalismus begonnen worden und hatte über 10 Millionen Menschen das Leben gekostet. Als Deutschland danach eine Republik wurde, gab es keinen Bruch mit der Macht der Militaristen und der Kriegsgewinnler, Militärverbände unter nationalistischem Kommando, sogenannte „Freikorps“ sicherten die Macht gegen die, die radikale Veränderungen wollten.
Auf der anderen Seite wurden, verstärkt durch die Weltwirtschaftskrise, soziale Unterschiede und Ungerechtigkeiten deutlich sichtbar. Die Arbeiterbewegung war sich aber nicht einig im Kampf gegen diese Zustände, die rechten Parteien wollten dies nutzen, um die Menschen, die mit der Lage unzufrieden waren, auf ihre Seite zu ziehen. So kam die Bezeichnung „sozialistisch“ in den Namen der NSDAP. Dabei wurde die schon lange recht starken antisemitischen Ressentiments genutzt, um gegen „jüdische Großbanken“ und das „Weltjudentum“ als Schuldige zu hetzen und von den deutschen Konzernen abzulenken. So fand Hitler Unterstützung bei deutschen Großindustriellen und bei Medienkonzernen wie Hugenberg. Mit den für die damalige Zeit modernsten Propaganda-Mitteln erzielte er Wahlerfolge, am 30. Januar 1933 wurde er zum Reichskanzler ernannt.
Damit wurde der Terror der SA-Schlägertrupps, der schon vorher eher halbherzig von Staat und Justiz verfolgt worden war, offizielle Innenpolitik. Der Rassismus der Nazis, der von der Überlegenheit der „Nordischen Rasse“ faselte und die Juden zum Sündenbock für alle Probleme machte, wurde zur Staatsdoktrin.
Militär und Rüstung wurden verstärkt, am 1. September 1939 war die Aufrüstung so weit, dass die Wehrmacht über die Grenzen geschickt wurde, um andere Länder zu überfallen. Dabei ging es nicht nur um Machtstreben, sondern auch um den Zugang zu Rohstoffen, um Ackerland für Großbauern, um Arbeitssklaven für die deutsche Industrie. Mit ihrer „Herrenmenschen“-Ideologie fühlten sich die Generäle und ihre Soldaten dazu berufen, andere zu unterwerfen und zu töten. Es endete mit der Ermordung von 6 Millionen Juden, einer halben Million Sinti und Roma und – nach der Verwüstung weiter Teile Europas durch die deutsche Wehrmacht – der Verwüstung des eigenen Landes.
Für die Menschen in den von den Nazis überfallenen Ländern war klar, dass sie mit dem 8. Mai 1945 endgültig von der Unterdrückung befreit waren. Befreit waren auch die Menschen, die von den Nazis in den Lagern gefangen gehalten worden waren, weil sie Widerstand geleistet hatten. Von vielen Deutschen, die sich von der Nazi-Propaganda hatten mitreißen lassen und die die Verbrechen nicht sehen wollten, wurde das Ende des Krieges aber zunächst als „Zusammenbruch“ bezeichnet.
Im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess wurden führende Politiker der Nazis abgeurteilt. Auch Großindustrielle, die vom Krieg und der Zwangsarbeit in den KZs profitiert hatten, wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie wurden jedoch sehr schnell begnadigt, denn im Klima des „Kalten Kriegs“ kam es in den Westzonen darauf an, schnell ein funktionierendes, wirtschaftlich erstarkendes Land als „Bollwerk“ gegen den Ostblock aufzubauen. Auch in der Politik wurden „erfahrene“ Männer mit NS-Vergangenheit als „Experten“ eingesetzt: Der langjährige Leiter des Bundesnachrichtendienstes Gehlen war unter den Nazis an hoher Stelle in ähnlicher Funktion tätig gewesen, Bundeskanzleramts-Chef Globke war Mitverfasser der NS-Rassegesetze gewesen.
Es dauerte lange, bis in der Bundesrepublik Deutschland mit der Aufarbeitung des Verbrechen begonnen wurde. Erst etwa 20 Jahre nach 1945 wurde den Tätern von Auschwitz der Prozess gemacht. Noch einmal 20 Jahre dauert es, bis am 8. Mai 1985 der damalige Bundespräsident Weizäcker der Opfer des NS-Terrors gedachte und den Widerstand gegen die Nazis würdigte. Und erst 50 Jahre nach 1945 wurde mit der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht – Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 – 1944“ weiten Kreisen der Bevölkerung deutlich, dass nicht nur die SS eine verbrecherische Organisation war, sondern dass auch die „einfachen Soldaten“ an den Verbrechen beteiligt waren.
Wie sieht es heute aus, 74 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus? Haben die Menschen in Deutschland gelernt, dass Überheblichkeit, Nationalismus und Rassenwahn in den Untergang führen? Dass Profitgier über Leichen geht – auch über ihre eigenen? Dass nie wieder Krieg sein darf – weder bei uns noch anderswo?
Leider sehen wir ein anderes Bild: Wieder wird aufgerüstet, denn die NATO-Staaten haben sich das Ziel gesetzt, jährlich 2% des Bruttosozialprodukts für Waffen auszugeben. Das würde für Deutschland fast 30 Milliarden mehr Geld fürs Töten bedeuten. Dabei sollen die Waffen immer „effizienter“ werden – am Ende drohen uns autonome Killer-Roboter, die auf Grund von Algorithmen entscheiden, wer getötet wird.
Und wieder sind Rechtspopulisten und Rechtsextremisten aktiv: Im Untergrund konnte der NSU mordend durch das Land ziehen, auf den Straßen ziehen Nazi-Horden wie „DIE RECHTE“ durch unsere Städte und treiben offen antisemitische Hetze. Und in den Sälen hetzen AfD-Politiker wie Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und Gauland, für den die Terrorherrschaft der Nazis ein „Vogelschiss“ war.
Am 8. Mai 1945 sind wir von der Herrschaft des Faschismus in Deutschland befreit worden – am 8. Mai 2019 müssen wir dafür kämpfen, dass das faschistische Gedankengut endgültig aus den Köpfen verschwindet. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit! Nie wieder sollen Hass, Nationalismus und Rassismus Leid über die Menschen bringen. Lasst uns gemeinsam eintreten für Toleranz, Respekt und Vielfalt!
https://yenihayat.de/2019/04/26/der-8-mai-1945-und-heute/
* Lehrer im Ruhestand. Betroffener der Radikalenerlasses. z.Z. Vorsitzender der Verein Unser Oberberg ist bunt, nicht braun e.V.
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