Montag, 29. April 2019

Zankapfel "Neue Seidenstraße"

GIPFELTREFFEN IN PEKING


Heute und gestern trafen sich in Peking auf Einladung Chinas Vertreter von mehr als 100 Ländern, um über das Infrastruktur- und Investitionsprojekt "Neue Seidenstraße" zu verhandeln. Sie schlossen Vereinbarungen über 57 Milliarden Euro.
Von gc
Zankapfel "Neue Seidenstraße"
Lokomotive auf der georgisch-aserbeidschanischen Bahnstrecke Poti-Baku, die Teil der "Neuen Seidenstraße" werden soll (Foto: Viggen)
Offiziell geht es China mit dem Projekt um ein neues Handelswegenetz, das die Wirtschaftsräume Asien, Afrika, Europa und Lateinamerika enger zusammenschließen soll. Die "Neue Seidenstraße" besteht aus zwei Routen. Die nördliche Landroute verläuft von China über Zentralasien, den Iran, Syrien, die Türkei nach Russland und nach Europa. Die südliche Seeroute soll Chinas Seehandel mit Südostasien, Ostafrika, dem Nahen und Mittleren Osten und Europa verbinden.1
Die
Die "Neue Seidenstraße" (Grafik: RF)

IN KÜRZE:

  • Vertreter von mehr als 100 Ländern schlossen beim Seidenstraßen-Gipfel Vereinbarungen über 57 Milliarden Euro
  • Projekt verschärft Konkurrenzkampf und allgemeine Kriegsgefahr
  • Wachsender Widerstand in einer Reihe von Ländern
Auch in Lateinamerika investiert China in Infrastrukturprojekte, die vor allem der Rohstoff-Ausbeutung dienen. So beteiligt sich die chinesische Export-Import-Bank Exim am Bau des "Bioceánicos", einer Eisenbahnstrecke zwischen Brasilien und Peru. Im Nordosten Boliviens finanziert China Erdöl-Bohrungen und Infrastruktur-Projekte. China ist in Lateinamerika inzwischen größter Investor, noch vor der Weltbank und der interamerikanischen Entwicklungsbank.2

Ziel: führende Weltwirtschaftsmacht

China schloss im Rahmen der "Neuen Seidenstraße" bereits 170 bilaterale Verträge mit 125 Ländern. Chinesische Finanzinstitutionen haben laut dem Präsidenten der Zentralbank bisher 440 Milliarden US-Dollar für den Aufbau verschiedener Projekte angeboten. Insgesamt ist von einem Gesamtumfang geplanter Investitionen in Höhe von 4 Billionen Dollar die Rede.

Der eigentliche Zweck dieser gigantischen Investitionen und zahlreichen Kooperationen mit beteiligten Ländern ist der weitere Aufstieg der neuimperialistischen Macht China zu einer weltbeherrschenden Stellung. Dazu heißt es in der Broschüre "Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder": "Mit seinem Programm 'Made in China 2025' leitete China eine Änderung seiner Expansionsstrategie ein im Kampf um die Neuaufteilung des Weltmarkts. Im Vordergrund steht nun, die uneingeschränkt führende Weltwirtschaftsmacht zu werden und den US-amerikanischen Hauptrivalen zu überholen."3

Macht- und militärpolitische Offensive

Inzwischen hat das Projekt bereits Auswirkungen auf 60 Prozent der Weltbevölkerung und rund 35 Prozent der Weltwirtschaft. An der maritimen Seidenstraße liegen die bedeutendsten und größten Containerhäfen weltweit. Tiefseehäfen, Anlagen für den Containerumschlag, neue Bahnstrecken ins afrikanische Hinterland, Straßen, Flughäfen, Industrie und Staudämme wurden errichtet.

Die wirtschaftspolitische Expansion ist mit einer macht- und militärpolitischen Offensive verbunden. So investiert China auch in die Errichtung und den Ausbau von Militärbasen wie unter anderem im ostafrikanischen Dschibuti. Gegenüber der wachsenden Kritik an ihren neokolonialen Methoden muss die chinesische Regierung allerdings bereits Zugeständnisse machen - wenn auch teilweise eher kosmetischer Art. Myanmar, Malaysia, Nepal oder Pakistan haben inzwischen Projekte aufgekündigt oder neu verhandelt, die sie in zu große Abhängigkeit oder Risiken gebracht hätten.

EU-Länder wollen Teil vom "Kuchen"

Vor allem schauen die anderen imperialistischen Länder den Plänen Chinas nicht tatenlos zu. Eine Hauptmethode der EU-Länder im zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf besteht darin, durch Beteiligung an dem Projekt den eigenen Einfluss auszubauen, um selbst ein möglichst großes Stück vom "Kuchen" zusätzlicher Weltmarktanteile, Aufträge, Rohstoffe und billigen Arbeitskräfte abzubekommen. Zwar ist das chinesische Finanzkapital Hauptinvestor, aber auch die Deutsche Bank ist an gemeinsamen Investitionen von 3 Milliarden Euro beteiligt.

Die kürzlich erfolgte Unterzeichnung bilateraler Verträge zwischen China und Italien sowie Griechenland ließ jedoch die Alarmglocken bei den führenden EU-Mächten Frankreich und Deutschland schrillen.

Altmaiers Heuchelei

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte deshalb vor "Alleingängen" einzelner EU-Staaten. Zurecht befürchtet er, dass Chinas Taktik des Herausbrechens einzelner Mitgliedsstaaten nicht nur die gemeinsame Verhandlungsbasis der europäischen Imperialisten beim Projekt "Neue Seidenstraße" schwächt, sondern auch den Spaltpilz innerhalb der EU weiter nährt.

Im Interview mit dem Deutschlandfunk betonte Altmaier, „das Projekt werde nur dann eine Chance für alle Beteiligten sein, wenn es sich verbindet mit offenen Märkten, mit fairen Wettbewerbsbedingungen auf beiden Seiten der Seidenstraße". Das ist an Heuchelei kaum zu überbieten - hat Altmaier doch selbst die "Nationale Industriestrategie 2030“ aus der Taufe gehoben, die mit massiver Staatshilfe Zusammenschlüsse von Unternehmen zu sogenannten Global Playern fördern soll und sich vor allem gegen das aufstrebende China richtet.

US-Regierung bekämpft Projekt

Im Unterschied zu den meisten europäischen Regierungen hat die US-Regierung den Seidenstraßen-Gipfel provokativ boykottiert, weil sie dieses Projekt grundsätzlich ablehnt und bekämpft.

Der imperialistische Konkurrenzkampf um und gegen die "Neue Seidenstraße" verschärft zugleich allgemeine weltweite Kriegsgefahr. Der US-Think-Tank „Council on Foreign Relations“ erklärte dazu, man müsse ab sofort „jeder Internationalisierung chinesischer Unternehmen mit robusten Maßnahmen begegnen“.5

Wachsender Widerstand

Die „Neue Seidenstraße“ wird auf dem Rücken der Massen erbaut. Sie müssen die horrende Staatsverschuldung tragen, in die dieses Projekt viele kleine und neokolonial abhängige Länder treibt. Das kenianische Eisenbahnprojekt wird die Auslandsschuld Kenias um ein Drittel vergrößern. Sri Lanka konnte seine Schulden an China nicht zurückzahlen und überließ dem Land zum Ausgleich die Kontrolle über einen Tiefwasserhafen für 99 Jahre.

Dagegen entwickelt sich in aber auch Widerstand. In Kasachstan gab es Proteste gegen groß angelegte Landkäufe durch chinesische Unternehmen. Im Nachbarland Kirgisistan musste nach Massendemonstrationen ein Vertrag über Bergbaukonzessionen mit chinesischen Firmen rückgängig gemacht werden, der eine enorme Verschärfung der Ausbeutung bedeutet hätte.

Materielle Vorbereitung des Sozialismus

Die "Neue Seidenstraße" geht auch mit einer weiteren Verbreiterung der Internationalisierung der kapitalistischen Produktion, des Handels und der Verteilung einher. Diese fördert das Wachstum des internationalen Industrieproletariats in mehr und mehr Ländern, gerade auch in der Logistik-Branche.  Zur damit verbundenen materiellen Vorbereitung sozialistischer Produktions- und Verteilungsverhältnisse heißt es im Buch "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution:

"Die Internationalisierung der kapitalistischen Produktionsweise umfasst heute universell Produktion, Handel, Verkehr und Kommunikation. ... Nach dem Sturz der kapitalistischen Herrschaft müssen unter Führung des internationalen Industrieproletariats, des Trägers der internationalisierten Produktivkräfte, die Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum verwandelt und muss die sozialistische Produktionsweise entwickelt werden. ... Die Arbeitsteilung internationaler monopolistischer Produktionsverbände auf Grundlage des Konkurrenzkampfs muss in internationale Arbeitsteilung gleichberechtigter, freiwillig und zum gegenseitigen Vorteil miteinander verbundener sozialistischer Nationen umgewandelt werden."4

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