Dossier
„13 verschiedene Initiativen sitzen auf dem Podium, von bedrohten Projekten wie Potse und Drugstore oder der Kneipe Syndikat bis zu Initiativen wie »Zwangsräumungen verhindern«. Um sie herum werden fleißig Schilder und Transparente aufgehängt. »Gegen den Ausverkauf unserer Häuser«, »Kein Mensch ist freiwillig obdachlos« und »Recht auf Wohnen ins Grundgesetz« steht dort. Zwischendrin läuft eine Person mit einem Hai-Kopf aus Pappe herum. Der ist nicht etwa aus dem Theaterfundus geklaut, vielmehr ist der Miethai mittlerweile zum Symbol für ausbeuterische Vermieter und rücksichtslose Immobilienspekulanten geworden. Es ist der Startschuss für die große Demonstration gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn am 6. April, an dem gleichzeitig auch die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« mit der Unterschriftensammlung beginnt. Über 200 Initiativen unterstützen den Aufruf, in der Hoffnung, dass sich mindestens genauso viele Menschen beteiligen wie im Jahr zuvor, als über 25 000 Menschen auf die Straße gingen. Das entspricht auch der Zahl der Unterschriftenlisten, die an diesem Tag verteilt werden sollen: »Dann kann jeder eine Liste mitnehmen und seine Nachbarinnen und Nachbarn unterschreiben lassen«, erklärt Ralf Hoffrogge. Sollte das klappen, wäre die erste Hürde für den geplanten Volksentscheid locker geschafft…“ – aus dem Bericht „Unerschrocken gegen Miethaie“ von Marie Frank am 26. März 2019 in neues Deutschland über die Pressekonferenz am selben Tag in Berlin. Zu Aktionen, Debatten und Initiativen rund um den 6. April einige weitere aktuelle Beiträge:- „Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn“
“Der Mietenwahnsinn wird immer schlimmer. Nach wie vor werden Menschen durch steigende Mieten verdrängt und zwangsgeräumt. Kiezläden, Gewerbe und Nachbarschaften werden zerstört. Menschen erfrieren während Häuser leer stehen. Doch das letzte Jahr stand auch im Zeichen zahlreicher Proteste und Aktionen, die uns Mut machen: 25.000 Menschen haben im April 2018 in Berlin kämpferisch gegen hohe Mieten und Verdrängung demonstriert, unzählige Mieter*innen organisieren sich in Hausgemeinschaften, Leerstand wurde besetzt und Zwangsräumungen wurden blockiert. In Kreuzberg verhinderten Kiezinitiativen weltweit zum ersten Mal einen Google Campus. Gestärkt durch diese Erfolge mobilisieren wir dieses Jahr erneut zu einer Demonstration in Berlin. Auch in vielen anderen Städten wird an diesem Tag gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung demonstriert! (…) Daher fordern wir einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik und die Enteignung von profitorientierten Wohnungsunternehmen. Wir unterstützen gemeinwohlorientierte Lösungen der Wohnungsfrage.” Aufruf auf der Aktionsseite Mietenwahnsinn zur solidarischen Demonstration in Berlin am 6. April 2019, 12 Uhr ab Alexanderplatz. Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn“ sind zu den europaweiten Aktionstagen u.a. in diesen Städten Demonstrationen und Aktionen geplant: Amsterdam, Barcelona, Dortmund, Dresden, Frankfurt, Freiburg, Jena, Köln, Leipzig, Lissabon, München, Münster, Paris, Potsdam, Stuttgart und weitere… Siehe auch das „Bündnis gegen Verdrängung und #Miete nwahnsinn“
- „Aktionen gegen Leerstand und Aufwertung in Stuttgart-Süd“ am 26. März 2019 bei de.indymedia berichtet nicht nur davon, dass am 6. April auch in Stuttgart eine Demonstration stattfindet, sondern auch: „In den vergangenen Tagen gab es anläßlich der Mietendemo am 6. April drei kleine Aktionen in Stuttgart Süd. Mit zweien wurde auf Leerstand aufmerksam gemacht. Zum einen an der Wilhelm-Raabe-Straße 4. Hier wurden vor fast einem Jahr zwei besetzte Wohnungen zwangsgeräumt. Angeblich sollten sie renoviert und neuvermietet werden. Mittlerweile stehen in dem Haus die beiden zwangsgeräumten Wohnungen und noch eine Weitere leer. Von dem angedrohten Bußgeld der Stadt wegen Zweckentfremdung lässt sich die Investorenfamilie Passy aus London offenbar wenig beeindrucken. Bei bisher zwei überhaupt in Stuttgart verhängten Bußgeldern wegen Leerstands, zusammen in Höhe von 2400 Euro, dürfte die Strafe auch verkraftbar sein. Im Gegensatz dazu sind die BesetzerInnen von damals heute von Strafen in Höhe von mehreren Tausend Euro und Ansprüchen der Eigentümer von über 10.000 Euro bedroht: Am 3., 10. und 17. April stehen Strafprozesse gegen sie vor dem Amtsgericht Stuttgart an. Ein weiteres markiertes Objekt war das Haus in der Heusteigstraße 103. Hier stehen mehrere Wohnungen schon seit Jahren leer. Das Haus war schon mehrfach Thema in den Medien, geändert hat sich offensichtlich nichts. Dieses Objekt ist ein weiteres Beispiel dafür, dass eine sinnvolle Verwaltung von Häusern und deren konsequente Nutzung als Wohnraum im Kapitalismus offenbar nicht funktioniert. Gerade die Landeshauptstadt Stuttgart ist hier nochmal ein besonders negatives Beispiel: EigentümerInnen werden mit Samthandschuhen angefasst, HausbesetzerInnen wird mit Räumung und Strafen gedroht. Die heute gescheiterten Verhandlungen der Forststraße sind ein Menetekel. Schließlich wurde noch das ehemalige Hofbräu-Areal in der Böblinger Straße markiert. Der frühere Bürokomplex soll abgerissen werden. Aber an Stelle von bezahlbarem Wohnraum will Aldi dort eine weitere Filiale errichten. Darüber sollen 55 Wohnungen entstehen, von denen sich Normal- und Geringverdienende aber wohl lediglich die vier geförderten Wohnungen leisten werden können. Das Vorgehen ist klar: Um eine Filiale errichten zu können, baut die Einzelhandelskette Aldi Süd Wohnungen und lässt sich in den Medien als große Wohltäterin und innovative Löserin der Wohnungskrise feiern. Stattdessen streichen sie mit teuren Wohnungen Extraprofite und mit den Zuschüssen für die Sozialwohnungen auch noch Steuergelder ab…“
- „Zeit zum Zähnezeigen“ von Jan Greve am 27. März 2019 in der jungen Welt unter anderem zum Umfang der Proteste am 6. April: „Die soziale Frage war nie weg. Wenn auch bürgerliche Kräfte das Feld der Arbeit ideologisch einigermaßen bestellt zu haben scheinen, so brodelt es doch gewaltig beim Thema Wohnen. Explodierende Mieten in den Städten, Verteuerung auch in ländlichen Regionen, Zwangsräumungen, immer mehr Obdachlose – die Problembeschreibungen haben mittlerweile selbst konservative Blätter erreicht. In Berlin wird die Eigentumsfrage nun laut und klar gestellt: Im April startet dort das Volksbegehren »Deutsche Wohnen und Co enteignen«. Bereits vom heutigen Mittwoch an finden in der Hauptstadt Aktionstage statt, bei denen unterschiedliche Initiativen auf die Wohnungsnot aufmerksam machen. Höhepunkt soll die Großdemonstration am 6. April unter dem Stichwort »Mietenwahnsinn« sein. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr wird der Protest 2019 auch in mehr als einem Dutzend bundesdeutschen Städten sowie europaweit von Lissabon bis Budapest stattfinden…“
- „DGB startet Aktionswoche „Bezahlbar ist die halbe Miete“„ am 25. März 2019 beim DGB ist eine Pressemitteilung, in der eine Neuerung angekündigt wird: „Der Deutsche Gewerkschaftsbund startet heute eine bundesweite Aktionswoche rund ums Thema Wohnen. Unter dem Motto „Bezahlbar ist die halbe Miete“ finden in ganz Deutschland mehr als 200 Aktionen und Veranstaltungen statt. Die Aktionswoche ist der bundesweite öffentliche Auftakt des DGB-Zukunftsdialogs…“. Offensichtlich wird nun einmal Handlungsbedarf empfunden, allerdings möglichst ohne politische Festlegung…
- „SPD will Mietendeckel statt Vergesellschaftung“ von Nicolas Sustr am 21. März 2019 in neues Deutschland“ berichtet hier zu den Reaktionen der Rechten Ratingagentur-Fans auf die Bewegung gegen Mietenwahnsinn und der Haltung der SPD : „Als »Ankündigung eines finanzpolitischen Erdbebens« bezeichnet Frank-Christian Hansel, Parlamentarischer Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion der AfD die Nachricht, dass die Ratingagentur Moody’s wegen des anstehenden Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co enteignen« die Bonität Berlins herabstufen möchte. Es ist der Auftakt zur Aktuellen Stunde der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag. Unter dem Titel »Herabstufung Berlins durch Ratingagenturen verhindern: Enteignungsphantasien sofort stoppen!«, hatte die Rechtsaußen-Partei diese beantragt. Die Stoßrichtung ist ganz nach dem Geschmack aller drei Oppositionsparteien. »Enteignungen wären wirkungslos. Keine Miete würde sinken«, ist CDU-Fraktionschef Burkard Dregger überzeugt. Die Enteignungsdebatte sei »Gift für unseren demokratischen Rechtsstaat«, so der konservative Politiker. Die mögliche Sozialisierung der Evangelischen Hilfswerk-Siedlung nennt er als Problem, und dass auch ein Wohnungsunternehmen israelischer Eigentümer in der Liste der sozialisierungsreifen Großimmobilienbesitzer auftaucht, bringt er mit Erinnerungen an die Nazizeit in Verbindung. »Um die Mietenkrise zu lösen, brauchen wir kreative und konstruktive Lösungen«, fordert Dregger. Konkret benannt werden diese von ihm nicht…“
- „Zufall statt Sozialismus“ von Christian Rath am 22. März 2019 in der taz in dieselbe Richtung – des grünen Hausbesitzerverbandes?: „Allerdings würde von den fairen und stabilen Mieten nur ein kleinerer Teil der Berliner Mieterinnen und Mieter profitieren. Vergesellschaftet würden nämlich nur Wohnungen von Unternehmen mit mindestens 3.000 Wohneinheiten. Unter den knapp zwei Millionen Berliner Wohnungen wären das etwa 200.000 bis 250.000. Bei den übrigen Wohnungen (soweit es keine Sozial-, Genossenschafts- oder Kommunalwohnungen sind) würden die Mieten weiter steigen, vielleicht sogar noch schneller als zuvor. Denn jetzt würde ja noch weniger gebaut als bisher: Der Senat hätte kein Geld mehr und große Investoren würden Berlin nun meiden…“
- „Das Kämmerle muss geräumt werden“ von Anna Hunger am 20. März 2019 bei kontext als Beispiel dafür, wie die „andere Seite“ inzwischen weiterhin handelt: „Wie in der Stuttgarter Forststraße 168 versucht die Immobilienfirma Schwäbische Bauwerk auch in der Reinsburgstraße 65, die MieterInnen aus ihren Wohnungen zu ekeln. Mit fiesen Schikanen und exorbitanter Mietsteigerung. Aber so einfach ist das nicht mit dem Kleinkriegen. Das erste Schreiben erreicht Angela Gerace Ende Juni vergangenen Jahres. “Bitte überweisen Sie die Miete ab 1.7.2018 auf das neue Konto”, teilt die Schwäbische Bauwerk kurz mit. Damit war klar, dass es einen neuen Hauseigentümer gibt. Im Oktober liegt der zweite Brief im Kasten. Wenn keine Zustimmung für die Mieterhöhung erfolge, “sehen wir uns gezwungen eine Klage beim Amtsgericht einzureichen”. Da ist der Tonfall schon ein anderer. Frau Gerace, 72 Jahre alt, lebt seit 1970 in der Reinsburgstraße 65. Es war Oktober, daran erinnert sie sich noch, als sie eingezogen ist. 1971 wird ihre Tochter Sandra geboren. Jetzt steht sie, zusammen mit Nachbar Erwin Dobler, aufgelöst in ihrer Wohnung und rekonstruiert die Ereignisse…“
- „Den Aktionären verpflichtet“ ist eine Broschüre der Berliner Mietergemeinschaft, die im Februar 2019 folgendermaßen angekündigt wird: „Der Arbeitsausschuss “Immobilien-Aktiengesellschaften” der Berliner MieterGemeinschaft hat eine 44 Seiten – starke Broschüre mit dem Namen “Den Aktionären verpflichtet _ Immobilien-Aktiengesellschaften: Umverteilungsmaschinerie und neue Macht auf den Wohnungsmärkten” veröffentlicht. “Die Immobilien-Aktiengesellschaften (…) verfügen (…) über den Zugang zu weitaus größeren Kapitalmengen als jeder andere Immobilienhalter. Dies wiederum ermöglicht Expansionsmöglichkeiten sowie die Durchführung großangelegter Modernisierungsprogramme. Den Mietern bleibt das Nachsehen und sie fühlen sich von den politischen Entscheidungsträgern weitgehend allein gelassen. (…) Es ist somit tatsächlich allerhöchste Zeit, ernsthaft über eine postneoliberale Sozialpolitik und eine entsprechend ausgerichtete Wohnungspolitik nachzudenken und die Weichen entsprechend zu stellen. Dabei ist entscheidend, nicht die Folgen der Wohnungsmisere zu lindern, sondern die Ursachen durch einen von Bund und Ländern finanzierten kommunalen Wohnungsbau zu beseitigen…“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen