Dienstag, 30. September 2014
APEC-Gipfel in Peking - ein anderes Entwicklungskonzept
29.09.2014: Während in Deutschland und der EU derzeit die geplanten Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada) und TTIP/TTIS (EU-USA) heiße Diskussionen und breite Widerstände bis in die Spitzen der bürgerlichen Parteien auslösen, werden auf der anderen Seite unseres Planeten – im asiatisch-pazifischen Raum – Konferenzen und Verhandlungen durchgeführt und geplant, die in ähnlicher Weise wirtschaftliche Integration und Weiterentwicklung fördern sollen. Und doch ist dort vieles etwas anders – insbesondere, weil ein selbstbewusstes und sozialistisches China eigene Maßstäbe setzt.
Seit China vor zwei Jahren damit beauftragt wurde, 2014 den Gipfel für die 'Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit' (APEC) auszurichten, hat die Regierung des Landes eine Menge Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt. Das dritte APEC-Treffen hoher Beamter, das vom 6. bis 21. August stattfand, war das letzte seiner Art vor der Zusammenkunft des APEC-Gipfels Endes des Jahres in Peking. Das Treffen umfasste rund 100 Sitzungen, die eine breite Themenpalette abdecken. Es ging dabei um Handel und Investitionen, Normen und Konformität, Zollverfahren, Konnektivität, Landwirtschaft und Lebensmittel, Forstwirtschaft, E-Commerce, Korruptionsbekämpfung, Katastrophenhilfe und Gesundheit.
Ein ehrgeiziges Ziel
Für China ist der APEC-Gipfel das wichtigste diplomatische Ereignis dieses Jahres im eigenen Land. Die chinesische Führung glaubt, dass der Asien-Pazifik-Raum sich schnell zum Zentrum des globalen Wirtschaftswachstums entwickeln wird und für China nicht zuletzt aufgrund seines wachsenden wirtschaftlichen Einflusses die Zeit gekommen sei, regionale Wirtschafts-Angelegenheiten zu leiten und zu koordinieren.
Dem APEC-Gipfeltreffen 2014 stellte China das Motto "Gemeinsam eine zukunftsorientierte Asien-Pazifik-Partnerschaft aufbauen" voran. Die Teilnehmer werden darüber diskutieren, wie man die wirtschaftliche Integration in der Region, wirtschaftliche Innovationen sowie Reformen und Expansion fördern und den Aufbau der Infrastruktur und Konnektivität verbessern kann.
Beim APEC-Gipfel 2013 in Bali hatte Chinas Präsident Xi Jinping einen guten Start. Er bewarb die Gipfelthematik als Bestandteil von Chinas Bemühungen um den Aufbau wirtschaftlicher Korridore in diversen Unterregionen und um die Förderung eines großen asiatisch-pazifischen Markts, der 21 Volkswirtschaften und 2,8 Milliarden Menschen umfasst. Außerdem schlug er zwischenzeitlich offiziell die Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) vor. Seitdem hat China wichtige Schritte zur Vorbereitung unternommen und ein eingetragenes Gründungskapital von 50 Milliarden Dollar als Ziel festgesetzt.
Zwei Jahre hintereinander trug China mit mehr als 50 Prozent zum Wachstum in Asien bei. 2013 machte Chinas Handel mit APEC-Mitgliedern einen Anteil von 60 Prozent am gesamten Außenhandelsvolumen aus; rund 70 Prozent der chinesischen Auslandsinvestitionen gehen an APEC-Mitglieder, 83 Prozent der eingezahlten ausländischen Direktinvestitionen stammen von ihnen. Acht der zehn wichtigsten Handelspartner Chinas gehören zur APEC. Und bis Ende 2013 unterzeichnete Chinas 12 Freihandelsabkommen mit 20 Ländern und Regionen, über sechs Abkommen wird noch verhandelt, die Mehrzahl davon involviert ebenfalls APEC-Mitglieder.
Kampf um Handelsabkommen
Der diesjährige APEC-Gipfel findet unter komplizierten Bedingungen statt. Die Welt marschiert weiter in Richtung Globalisierung, die Doha-Runde der WTO-Verhandlungen macht nach ihrem Neustart nur langsame Fortschritte; regionale und bilaterale Freihandelsabkommen werden eins nach dem anderen unterzeichnet; und die asiatisch-pazifische Wirtschaftskooperation steht an einem Scheideweg zwischen Integration und Fragmentierung.
Als wichtigste regionale Organisation zur Zusammenarbeit im Asien-Pazifik-Raum schlug die APEC 2004 als erstes das Asiatisch-Pazifische Freihandelsabkommen (FTAAP) vor. 2006 wurde das FTAAP beim APEC-Gipfeltreffen in Hanoi zu einer langfristigen zu prüfenden Vision erklärt.
Tatsächlich befinden sich zwei weitere wichtige Freihandelsabkommen für die Asien-Pazifik-Region bereits in der Verhandlungsphase, die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) und die Regionale umfassende wirtschaftliche Partnerschaft (Comprehensive Economic Partnership, RCEP).
Die TPP wird angeführt durch die USA, zurzeit sind 12 Länder, darunter Australien, Malaysia, Japan und Vietnam, an den Verhandlungen beteiligt, China blieb bislang ausgeschlossen. Die TPP will neue Handelsregeln aufstellen, die nicht nur Zollfreistellungen, sondern auch den Schutz geistiger Eigentumsrechte und Anreize für staatliche Unternehmen umfassen. Die US-Regierung hofft, Ende 2014 eine vorläufige Rahmenvereinbarung unterzeichnen zu können, bislang stagnieren die Verhandlungen allerdings wegen Meinungsverschiedenheiten mit Japan über Zölle für Agrarprodukte und Autos.
Die von den ASEAN-Staaten ins Leben gerufene RCEP soll neben den ASEAN-Mitgliedern selbst die sechs Länder, mit denen Freihandelsabkommen bestehen, umfassen, d.h. Australien, China, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland. Die RCEP konzentriert sich auf den Warenhandel, Ziel ist der Aufbau eines integrierten Markts durch den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelsschranken.
Beim diesjährigen Treffen des Boao-Forums für Asien äußerte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang die Hoffnung, die Verhandlungen zur RCEP bis 2015 abschließen zu können. China sei nicht gegen die Einrichtung der TPP; RCEP und TPP könnten sich parallel entwickeln und gegenseitig fördern. RCEP und TPP decken die meisten Volkswirtschaften des Asien-Pazifik-Raums ab. Daher könnten beide Organisationen nach Verhandlungsabschluss zu einer Gründungsplattform für das FTAAP werden.
Bei seiner Rede vor den APEC-Wirtschaftsführern erklärte Präsident Xi im letzten Jahr, dass die APEC eine führende und koordinierende Rolle bei der Förderung eines offenen Entwicklungsumfelds im Asien-Pazifik-Raum spielen sollte. Er forderte Inklusion (Einschluss aller Interessenten), wechselseitigen Nutzen und eine Win-Win-Situation, um die regionale Koordination der Freihandelsabkommen voranzubringen und das „Spaghetti-Teller-Phänomen" zu verhindern, d.h. eine Menge ineinander verstrickter Handelsvereinbarungen und Regeln, die ein Netz aus Interessen schaffen, das so verknotet ist wie ein Teller Spaghetti.
Die kommenden Jahre werden eine entscheidende Phase sein und zeigen, ob der Asien-Pazifik-Raum eine offene Handelsordnung etablieren kann. Chinas Vizeaußenminister Li Baodong erklärte kürzlich, dass es "Zeit ist, zu handeln."
Eine Plattform für die chinesisch-amerikanischen Beziehungen
Aufgrund innenpolitischer Probleme nahm Obama an den APEC-Gipfeln der letzten zwei Jahre nicht teil. Eine neuerliche Abwesenheit des US-Präsidenten wäre in seiner Signalsetzung für die USA sicherlich negativ und schwer erklärbar.
Am 13. August kündigte US-Außenminister John Kerry in einer Rede im East-West-Center in Hawaii die Teilnahme von US-Präsident Barack Obama am Treffen der APEC-Wirtschaftsführer in Peking an. Obama werde sich auf drei Themen konzentrieren: die Förderung sauberer und erneuerbarer Brennstoffe, Hilfen für kleine Unternehmen, eine größere Rolle der Frauen in der Wirtschaft und die Erweiterung des Bildungsaustausches. Diese drei Bereiche stimmen mit Obamas innenpolitischer Agenda überein und zielen auf die diesjährigen Zwischenwahlen der Demokraten und die Präsidentschaftswahlen 2016 ab.
Die Teilnahme von Präsident Obama wurde danach am 27. August nochmals vom US-Vertreter in der APEC, Robert Wang, bestätigt. Wie Wang weiter mitteilte, werde Obama nach dem Gipfel zu einem Privatgespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammenkommen. Die Themen des Gesprächs würden von der chinesischen Seite entschieden. Mit Rücksicht auf die amerikanischen Zwischenwahlen am 4. November hat China den 22. APEC-Gipfel geringfügig verschoben, er wird jetzt vom 10./11. November in Peking stattfinden.
Über die Asien-Pazifik-Strategie der Obama-Regierung ist viel geschrieben und diskutiert worden. Washingtons aktive Förderung der TPP-Verhandlungen und die Einführung einer Reihe neuer Handelsregeln sind die wichtigsten Säulen dieser Strategie. In seiner Rede am 13. August erklärte John Kerry, die USA würden dem Asien-Pazifik-Raum größere Bedeutung beimessen als je zuvor. Die amtierende Regierung werde ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Asien-Pazifik-Strategie in den nächsten zweieinhalb Jahren verdoppeln.
Der Aufstieg Chinas und der Verlust der eigenen Dominanz in der Region sind die Hauptsorgen der USA. Im vergangenen Jahr haben die USA ihre Anstrengungen verdoppelt, Waffensysteme in Ostasien zu stationieren und ihre Militärbündnisse mit Japan, Australien und den Philippinen gestärkt. Amerika hat seine zuvor neutrale Haltung aufgegeben, es befürwortet Japans Aufhebung des Verbots zur kollektiven Selbstverteidigung und mischte sich in Seestreitigkeiten zwischen China und seinen Nachbarländern am Ost- und Südchinesischen Meer ein. Dieses Verhalten beschädigte das wechselseitige Vertrauensverhältnis.
Obamas Chinareise im Jahr 2009 gilt in den USA allgemein als wenig erfolgreich. Daher kann es sich Obama nicht leisten, eine zweite Chance zu verpassen. Die US-Regierung weiß, dass sie bestens vorbereitet sein muss, um ein Ergebnis zu erzielen, dass sie in der Öffentlichkeit präsentieren kann. Das gilt vor allem in den Bereichen Klimawandel, Handel und Menschenrechte.
Obama sollte jedoch akzeptieren, dass sein China-Besuch ohne den gesunden und stabilen Entwicklungsrahmen der chinesisch-amerikanischen Beziehungen keine fruchtbaren Ergebnisse erzielen wird. Während ihres Treffens in Kalifornien im vergangenen Jahr hatten der chinesische und der amerikanische Präsident Einigkeit darüber erzielt, nicht in die 'Thukydides-Falle' tappen zu wollen, d.h. eine aufsteigende Macht daran hindern zu wollen, eine etablierte Macht herauszufordern. In diesem November wird Obama Gelegenheit haben, seine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen, indem er für beide Seiten nutzbringende Maßnahmen ergreift.
Die APEC von einem US-Werkzeug zu breiter Wirtschaftsdemokratie
Die Gründung der APEC erfolgte 1989 in Canberra auf Initiative von Australien, Japan und den USA. Zu diesem Zeitpunkt waren zwölf Länder Mitglied der APEC. In seinen Anfängen war der Verbund hauptsächlich ein Forum für informelle Gespräche. Mit zunehmender Zusammenarbeit wurden gemeinsame Gipfelkonferenzen, die inzwischen jährlich stattfinden, als Diskussions- und Entscheidungsforum geschaffen. In der Folge beschäftigte sich die APEC nicht nur mit Fragen der Kapitalmärkte, des Abbaus von Handelsschranken und der grenzüberschreitenden Wirtschaftskooperation, sondern auch mit wirtschaftsübergreifenden Themen wie Zukunftstechnologien, Bildung, Frauen, Jugend, ökologischer und nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung, der Reform der APEC sowie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
1994 wurde in Bogor, Indonesien, das Ziel der Errichtung einer Freihandelszone im asiatisch-pazifischen Raum für die Industrienationen bis 2010 und für die Entwicklungsländer bis 2020 festgelegt. Zur Förderung dieses Zieles entwarfen die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne. Eine Überprüfung der Ergebnisse findet in Form jährlicher Fortschrittsberichte auf den Gipfeltreffen statt. Seit 2002 sind auch bilaterale oder multilaterale Abkommen untereinander zugelassen. Die Abkommen müssen den Regeln der WTO entsprechen. APEC-Mitglieder haben bisher mehr als 40 solcher Abkommen unterschrieben. In den Ländern und Regionen lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Der Wirtschaftsraum erbringt mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und ist eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen der Welt.
Ein jüngeres Beispiel der breiten zukunftsorientierten Zusammenarbeit im Rahmen der APEC ist die Konferenz der APEC-Energieminister am 2. September in Peking. 21 Energieminister und Vertreter internationaler Organisationen berieten dort über eine nachhaltige Entwicklung bei der Energieversorgung.
Unter dem Motto "Hand in Hand auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung im asiatisch-pazifischen Raum" sollte die Konferenz die regionale Zusammenarbeit im Energiebereich und die nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung fördern. Auch die Energiesicherheit bildete dabei einen Schwerpunkt.
Auf der Eröffnung der Konferenz rief der stellvertretende chinesische Ministerpräsident Zhang Gaoli dazu auf, die Konsultation und Kooperation in der Energieerschließung zu vertiefen, die Investitionen und den Handel im Energiebereich zu fördern und die Forschung und Verbreitung der modernsten Technologien umfassend voranzutreiben. Zudem sollten die Energieeffizienz erhöht und die Energiesicherheit gesichert werden. Es gelte, gemeinsam eine zukunftsorientierte Energiepartnerschaft im asiatisch-pazifischen Raum aufzubauen.
Der Exekutivdirektor des APEC-Sekretariats Alan Bollard sagte, Innovation, Reform und Wachstum der chinesischen Wirtschaft seien wichtige Themen des APEC-Chinajahres 2014. Daran sei deutlich zu erkennen, dass China einer innovativen und qualitativen Entwicklung der Wirtschaft große Bedeutung beimesse. Er hoffe, dass durch die Konferenz Branchen übergreifende Kooperationen initiiert werden könnten, die in sich einen Bestandteil der Innovation darstellten.
Ein weiteres typisches Beispiel ist das am 19. Septemeber ebenfalls in Peking abgehaltene 3. Ministerielle APEC-Treffen über Nahrungssicherheit.
Text: hth / Quelle: Beijing Rundschau, APEC-China-2014
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