Dienstag, 30. September 2014
Daimler Düsseldorf: 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter treten in den Streik – kämpferischer Auftakt zum 24-Stunden-Streik
30.09.14 (6:00 Uhr) - Pünktlich ab 0.00 Uhr verließ ruhig und entschlossen die Nachtschicht das Düsseldorfer Daimler Werk. Eine mutige Entscheidung, hatten doch verschiedene Meister der Nachtschicht noch unmittelbar vor der Aktion massiv Druck ausgeübt und mit Abmahnungen gedroht. Das konnte die Belegschaft aber nicht abhalten. Am Tor 3 versammelten sich über 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter zusammen mit Angehörigen, Freunden und Unterstützern. 6.500 Kolleginnen und Kollegen produzieren hier den Daimler-Transporter „Sprinter“. Geht es nach dem Willen der Daimler-Konzernleitung, sollen Teile der Produktion in die USA verlagert werden. Eine ganze Schicht steht damit zur Disposition - mindestens 1.800 Arbeitsplätze will Daimler in Düsseldorf vernichten. Arbeitsplätze auf die hier keiner verzichten kann und will.
Die heutige Aktion war Ergebnis der seit 10 Tagen nicht abreißenden Welle kleinerer selbständiger Streiks, Versammlungen und heftiger Debatten im Werk - ausgehend von einer kämpferischen Belegschaftsversammlung am 19. September. Nachdem die Zeitung "Stosstange" von Kollegen für Kollegen bereits seit längerem Streiks auf allen Schichten beginnend mit der Nachtschicht vorschlug und die Belegschaft deutliche Maßnahmen forderte, wurde dies vom IG-Metall-Vertrauenskörper und Betriebsrat vor einigen Tagen aufgegriffen und organisiert.
"Die Aktion heute ist genau richtig", so ein Kollege aus der Montage. "Wir haben viel zu oft 'Ja' gesagt, wenn es hieß, Samstags Autos bauen!' Jetzt sagen wir laut 'Nein'." Er glaubt nicht, dass die Sache mit dem heute statt findenden 24-Stunden-Streik vom Tisch ist. So wie er, denken viele. Tosende Zustimmung als vom Kundgebungslaster aus IGM-Sekretär Volker Comfoir die Frage stellt: Seid ihr bereit zu streiken?
„725 Karossen verliert Daimler heute, wenn wir alle drei Schichten bestreiken“, so ein Kollege aus dem Rohbau stolz: „Das tut den Daimler-Bossen richtig weh“. Diesen Kampfwillen angemessen aufzufangen, dafür musste die IG Metall einiges aufbieten – was man von ihren Kundgebungen schon kaum mehr gewohnt ist: Kämpferische Reden, die auch Alibi-Veranstaltungen und faulen Kompromissen eine klare Absage erteilten. Gegen 0.45 Uhr wurden Fackeln entzündet. Ein Musiker spielte auf der Bühne internationale Arbeiterlieder, von Bert Brecht, Bella Ciao, das Steigerlied. Am lautesten wurde es bei den türkischen Liedern.
Auch der konzernweite Zusammenhalt wurde betont mit Solidaritätserklärungen der Vertrauenskörperleitungen von Daimler Betrieben unter anderem aus Sindelfingen, Bremen und Wörth. Sie wurden von Bernd Kost von der Vertrauenskörperleitung der IG Metall vorgetragen. Immer wieder von Beifall unterbrochen.
Bemerkenswert war unter den Arbeitern ein wachsender Geist der Klassenzusammengehörigkeit. Dass die Arbeiter überall die gleichen Probleme und den Kapitalismus als Gegner haben; „eigentlich alle zusammen kämpfen müssen“. Die Delegationen unter anderem von ThyssenKrupp, AcelorMittal, Mannstaedt Werke, Ford Köln wurden mit großer Zustimmung begrüßt: „Alle Achtung“, so ein Kollege aus der Montage, „dass die heute Nacht da sind!“ Viele „Daumen nach oben“ bekamen die anwesenden Frauen der Daimler-Arbeiter für ihr Transparent: „Echte Männer streiken! Wir haben echte Männer. Daimler Frauen und Kinder sind dabei.“ Auch über den Sozialismus als grundlegende Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung gab es reichlich Gesprächsbedarf. Mindestens 30 „Rote Fahne“ wurden gerne gekauft, wie schon in den Tagen vorher. Umweltpolitisch wurde das Buch „Katastrophenalarm!“ vorgestellt und unter anderem die Erfahrungen vieler mit dem Pfingststurm diskutiert, der in Düsseldorf besonders gewütet hatte.
Neben seiner Kritik an den kaltschnäuzigen Daimler-Vorstand trieb der Betriebsratsvorsitzende, Thomas Weilbier aber auch eine subtilen Spaltpilz zwischen die Belegschaften in NRW. Statt - wie viele sich wünschen -gemeinsam mit der Opel-Belegschaft zu kämpfen, verweist er vor allem auf eine angeblich "unvergleichbare Situation". Und er warnte davor auf andere Ratschläge zu hören, als die der IG Metall. Das richtet sich offensichtlich gegen die Kolleginnen und Kollegen um die konzernweite Zeitung "Stoßstange" an der auch Genossinnen und Genossen der MLPD mitarbeiten. "Wir können kämpfen, andere müssen das erst noch lernen", so Weilbier. Eine merkwürdige Interpretation der Entwicklung bei Opel Bochum. Dort hat gerade die IGM-Spitze um Bezirksleiter Knut Giesler alles getan, um einen entschlossenen Kampf zu verhindern. Und wenn eine Belegschaft bewiesen hat zu kämpfen, dann die Bochumer Opelaner!
Knut Giesler, der bei Opel die versuchte Abwicklung des Werkes massiv betrieben hat, blies in seiner Rede auch direkt in das Horn tatsächlicher oder vermeintlicher Überkapazitäten. Ohne Opel direkt anzusprechen, führte er aus, dass es bei Daimler keine Qualitätsprobleme, Überkapazitäten und roten Zahlen gäbe. Damit macht er die Interessen der Belegschaft aber von den Profitinteressen der Konzerne abhängig. Sollen die Belegschaften auf die Arbeitsplätze verzichten, wenn die Konzernspitze sich angeblich oder tatsächlich verspekuliert hat? Damit wird nachträglich noch versucht, den Kniefall der IGM-Spitze vor dem GM/Opel-Management zu rechtfertigen.
Unter den Arbeitern sprachen sich dagegen alle angesprochenen für einen gemeinsamen Kampf aus. Gestärkt wurde der Schulterschluss der Kölner Ford-Belegschaft mit den Düsseldorfer Daimler-Kollegen. Die traditionelle rheinische Rivalität war wie weg geblasen, als die Kölner Delegation mit großem Hallo begrüßt wurde.
Was aber viele nicht nicht mitbekamen: die Kundgebungsregie verhinderte, dass die Delegationen anderer Belegschaften persönliche Grüße an die Streikenden richten konnten. Immerhin wurden schriftliche Solidaritätsschreiben der anwesenden Delegationen verlesen.
Insgesamt herrschte der Geist des gemeinsamen Kampfes vor, auch wenn es noch Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber es gab auch einzelne Ausfälle. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Helmut Bauer ätzte aggressiv antikommunistisch gegen eine "Rote Fahne" Verkäuferin „Halts Maul, wenn ich eine Fackel hätte, würde ich als erstes deine Zeitungen anzünden“ und ähnliches. Diese Art der üblen Spaltung und Hetze wurde auch von umstehenden Kollegen zurück gewiesen. Offenbar ist ihm sein Antikommunismus wichtiger als der gemeinsame, überparteiliche Kampf der Belegschaft um ihre Arbeitsplätze.
VK-Leiter Bernd Kost endete seinen Beitrag mit den Worten: "Wir lassen uns nicht zerquetschen, sondern werden kämpfen, bis wir als Sieger vom Platz gehen." Die Belegschaft wird sich daran erinnern.
Etwas Neues bei Daimler Düsseldorf war eine selbständige Kundgebung mit offenem Mikrophon nach dem Ende der offiziellen Kundgebung der IG Metall, als noch etwa 200 Kolleginnen und Kollegen auf dem Platz waren und sich circa 100 an der Kundgebung beteiligten. Dabei zeigte sich ein großes Bedürfnis nach Austausch der gemachten Erfahrungen und Diskussion am Offenen Mikrofon.
Manche Erfahrungen sind schon verarbeitet, wie sich in der Ablehnung von Sozialtarifverträgen und Standortsicherungsverträgen zeigt. Am offenen Mikrofon konnten dann auch die verschiedenen Delegationen ihre Grüße persönlich überbringen. Ebenso eine Vertreterin der MLPD. Sie betonte besonders die Klassensolidarität über Betriebs- und Branchengrenzen hinweg. Diese Kämpfe zusammenzubringen ist keine Erfindung der MLPD, sondern notwendig, um die gemeinsamen Interessen auch gemeinsam zu erkämpfen. Das wird von der MLPD, die Betriebsgruppen in den wichtigsten Konzernbetrieben Deutschlands und viele Erfahrungen aus den Arbeiterkämpfen der letzten Jahrzehnte hat, selbstverständlich aktiv unterstützt.
Mehrere Kollegen ergriffen das Wort und einer erklärte „Kein Sprinter für 24 Stunden! Das ist ein guter Auftakt. Aber eigentlich müsste es heißen: kein Sprinter bis die Konzernpläne vom Tisch sind.“
Um kurz vor 3.30 Uhr wurde die Aktion bester Laune gemeinsam beendet und sich für die wenige Stunden später stattfindende Kundgebung verabredet. Diese Belegschaft wird die Initiative behalten und ihren offensiven Kampf fortsetzen. Diese Nacht war dafür eine weitere wichtige Erfahrung im Lernprozess der letzten Tage und Wochen!
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