Montag, 18. März 2019

Zu wenige (Heinrich Peuckmann)


Ich war der einzige im dunklen
Kinosaal, der einzige
der kam zu Kamens Tag
des anspruchsvollen Films


Ich war ein paar Minuten früher
dort, doch keiner folgte mir
Willst du ihn wirklich zeigen
den Film, allein für mich


fragte ich den Vorführer, den
ich kannte vom Fußballspielen
und dessen Namen ich vergaß
Na klar, allein für dich


such dir den besten Platz. So
lief dann »Wem die Stunde schlägt«
For Whom The Bell Tolls
von Hemingway, allein für


mich. Und ich sah Marias
Liebe zu Robert, sah Ingrid
Bergman und ihren Abschied
für immer und litt mit ihnen


Habe ich geweint? Ach Ingrid
Bergman, ach Kamens Tag
des anspruchsvollen Films und
ich, allein auf meinem Logenplatz


Wo es stand, das Kino
regelt jetzt eine Kreuzung
den Verkehr, Auffahrt zur
Hochstraße, die die Stadt


zerschneidet. Asphaltschlange
tiefe Wunde, Beleidigung des
Auges, gegen die niemand
wirklich niemand protestierte


beim Bau. Keine Ästhetik, nicht
wieder gut zu machen, niemals
Zerstörung meiner kleinen
Stadt. Nein, wir waren immer
schon zu wenige, schon damals
in dem dunklen Kinosaal
ich auf dem Logenplatz
und nur noch Hemingway


die Ingrid Bergman und jener
Vorführer, der den Film laufen
ließ allein für mich und
dessen Namen ich vergaß

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