Montag, 18. März 2019

Mit Wunderkerzen gegen Repression: Warmlaufen für »Tag der politischen Gefangenen« in Hamburg Von Kristian Stemmler

Auf dem Gorch-Fock-Wall macht der Zug zu einer Zwischenkundgebung Halt. Wunderkerzen werden entzündet, vom einige 100 Meter entfernten Untersuchungsgefängnis Holstenglacis sind Rufe Gefangener zu hören. Ihnen gilt diese Demonstration, zwei Tage vor dem »Internationalen Tag der politischen Gefangenen«. Rund 450 Demonstranten sind am Sonnabend in Hamburg einem Aufruf des »Bündnisses gegen Repression« gefolgt und haben sich mit den im Gefängnis einsitzenden Menschen solidarisiert. Im Fokus: die anhaltende Verfolgung von Gegnern des G-20-Gipfels im Juli 2017.
Hinter den Mauern des Untersuchungsgefängnis sitzt seit Oktober 2018 auch der Franzose Loic S. ein. Er ist einer von fünf Angeklagten im »Elbchaussee-Prozess« vor dem Landgericht Hamburg, bei dem es um Krawalle in Altona am Morgen des 7. Juli 2017, dem ersten Gipfeltag, geht. »Loic, wir grüßen dich von hier und wünschen dir, dass du die ganze Scheiße überstehst«, rief ein Sprecher der Gruppe »United we stand«, die von der Justiz verfolgte G-20-Gegner unterstützt, bei der Zwischenkundgebung unter dem Jubel der Demonstranten aus.
Der »Elbchaussee-Prozess« sei so wichtig, weil die Staatsanwaltschaft durchsetzen wolle, dass die Angeklagten nicht aufgrund konkreter Straftaten verurteilt werden, sondern allein wegen ihrer Anwesenheit. Der Aktivist kritisierte, dass die Polizei in Sachen G 20 rund 3500 Ermittlungsverfahren gegen Gipfelgegner führe. 143 Gerichtsverfahren seien abgeschlossen, 60 mit Hafstrafen und etwa dieselbe Zahl mit Geldstrafen. Trotz der vielen Fälle von Polizeigewalt sei dagegen bis heute kein einziger Beamte angeklagt worden. Erst am Freitag hatte die Staatsanwaltschaft das gegenüber dem NDR bestätigt. Gegen 60 Polizisten werde ermittelt, gegen 94 Polizisten seien Verfahren eingestellt worden, eine Anklage habe es bisher nicht gegeben.
»Ein Ende der Repression ist nicht in Sicht«, konstatierte der Aktivist mit Blick auf die fünfte Öffentlichkeitsfahndung der Hamburger Polizei in Sachen G 20, die am Mittwoch gestartet worden war (siehe jW vom 14.3.19). In einer Pressemitteilung vom Donnerstag kritisierte das »Bündnis gegen Repression«, dass unter den 66 auf der Homepage der Polizei veröffentlichten Fotos erneut Bilder von Menschen seien, die »vom Erscheinungsbild nach deutlich minderjährig« seien. Damit würden Minderjährige »an den Pranger gestellt«.
Bereits am Freitag hatten rund 400 Menschen aus Anlass des »Internationalen Tages gegen Polizeigewalt« auf St. Pauli demonstriert. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen die rassistischen Polizeikontrollen der Taskforce Drogen rund um die Hafenstraße. Erst am Donnerstag nachmittag waren rund 100 Polizeibeamte bei einer Razzia zum wiederholten Mal in den Hinterhof des Wohnprojekts »Plan B« eingedrungen, hatten nach Angaben des Hamburger Abendblattes 16 als Dealer verdächtige Afrikaner festgenommen.
In einer Mitteilung wies die Gruppe „Copwatch Hamburg« am Freitag darauf hin, dass es sich bei der Razzia offenbar um eine »lang geplante Aktion der Polizei Hamburg in Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde und der gambischen Regierung« handelte. Die Festgenommenen seien einer eigens dafür eingeflogenen gambischen Delegation vorgeführt worden, um Abschiebungen vorzubereiten. Ein Betroffener berichtete laut Copwatch, noch am Abend seien weitere Afrikaner auf die Wache gebracht worden. Es sei offensichtlich darum gegangen, so viele Menschen wie möglich vor die gambische Delegation zu führen.
Mit Drohungen und Beschimpfungen habe die Delegation die Festgenommenen zum Sprechen bringen wollen, um über die Sprache die Herkunft zu ermitteln und gambische Papiere auszustellen, die eine Abschiebung ermöglichen. Martina Vega von Copwatch Hamburg erklärte, vor allem in den von der Polizei als »gefährliche Orte« klassifizierten Gebieten in Hamburg würden unter dem Vorwand der Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität jeden Tag schwarze Menschen und People of Color kontrolliert. Diese »Kriminalisierung und Stigmatisierung« von Nachbarn und Besuchern des Stadtteils hätten »nichts mit Drogen zu tun, sondern mit Rassismus«.

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