Dienstag, 15. Januar 2019

Tarifrunde für die Sicherheitsbeschäftigten an Flughäfen


Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Deutsche Beamtenbund (DBB) fordern für das Sicherheitspersonal im Bereich der Passagier-, Fracht-, Personal- und Warenkontrolle an den Flughäfen einen bundesweiten Branchentarifvertrag anstelle bisheriger regionaler Vereinbarungen und einheitlich bundesweit einen Stundenlohn von 20 Euro (ver.di) bzw. 19,50 Euro (DBB).
Von gof
Tarifrunde für die Sicherheitsbeschäftigten an Flughäfen
Wie hier bei einem früheren ver.di-Warnstreik in Frankfurt am Main sind die Kolleginnen und Kollegen kampfbereit (foto: ver.di)
Die Unternehmerverbände „Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen“ (BDLS) oder der Flughafenverband ADV hetzen. „Dauer und Umfang der Streiks sind unverhältnismäßig und mehr als rücksichtslos“, so Ralph Beisel vom ADV. Tatsächlich geht es bei dieser Tarifrunde und diesen Streiks gerade um die Sicherheit der Passagiere und zügige Abfertigung der Reisenden.

Demagogisches Gejammer

Demagogisch wird den Kolleginnen und Kollegen vorgeworfen, sie würden völlig überzogene Forderungen nach bis zu 55  Prozent Erhöhung der Stundenlöhne erheben. Die von den Unternehmen behauptete riesigen Erhöhungen kommen nur deshalb zustande, weil sie bisher an manchen ostdeutschen Flughäfen fürchterlich niedrige Löhne bezahlen. Wenn die Löhne in Ost und West angeglichen werden sollen, liegt es in der Natur der Sache, dass die niedrigen Löhne überdurchschnittlich steigen. Eine kräftige Lohnerhöhung ist auch im Westen notwendig.

Dazu eine ver.di-Kollegin: "Wir verdienen im Osten rund 15 Prozent weniger als unsere Kolleginnen und Kollegen im Westen. Dabei unterscheidet sich unsere Arbeit in nichts. Den Vorschlag der Unternehmer, die Angleichung über Jahre zu strecken, lehnen wir rundweg ab. Dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in Ost und West gleich bezahlt werden, müsste eigentlich schon längst selbstverständlich sein."

Die Gewerkschaft ver.di schreibt außerdem auf ihrem Internetportal für Flughafenbeschäftigte und Passagiere: „Ziel dieses Branchentarifvertrages ist es, zugleich eine hohe Qualität der Dienstleistungen, existenzsichernde Gehälter, gemeinsame Qualifikationsstandards und gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen sicherzustellen.“

Mehrzahl der "Dienstleistungsberufe" gehört zur Arbeiterklasse

Heute sitzen diese Kolleginnen und Kollegen an sensiblen Stellen der internationalisierten Produktion und können mit ihren Streiks und Kämpfen große Wirkung erzielen.

Die MLPD hat bereits um die Jahrtausendwende analysiert, dass "riesige, neue, international organisierte Dienstleistungskonzerne (entstanden), die Flughäfen führen und verwalten oder Transporte weltweit organisieren, EDV-Systeme für eine Vielzahl von Großunternehmen gleichzeitig bereitstellen usw. ... Für die Unternehmen war das eine Methode, die Ausbeutung der Arbeitskraft zu steigern und die Arbeiterklasse zu spalten. Ideologisch sollte der Eindruck erweckt werden, die Arbeiterklasse sei eine aussterbende Klasse, weil immer mehr Beschäftigte den so genannten 'Dienstleistungsberufen' angehören.

Mit der Höherentwicklung der Arbeitsteilung wächst die Arbeiterklasse aber tendenziell an. Lediglich die Zahl der unmittelbar produzierenden Arbeiter nimmt relativ ab, während die Zahl der Arbeiter ansteigt, die mit Kontrolle, Wartung und sonstigen Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Produktion beschäftigt sind. Die Mehrheit aller Berufsgruppen des 'Dienstleistungsbereichs' gehört zur Arbeiterklasse im engeren oder weiteren Sinn."¹

Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter

Der Konkurrenzkampf der Airlines und Flughäfen wird auf dem Rücken des Luft- und Bodenpersonals und der Sicherheitsbediensteten ausgetragen. Die Arbeit geht an die physische und psychische Substanz. 84 Prozent aller Beschäftigten in den Kontrollbereichen kritisieren ihre Löhne und Gehälter als zu niedrig an und befürchten einen Absturz in Altersarmut. Nur 7 Prozent der Kolleginnen und Kollegen können sich vorstellen, ihren Job gesund bis zur Rente zu machen.

Befristungsquoten von über 40 Prozent, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf und eine extreme Flexibilisierung der Arbeitszeit spalten die Belegschaften und sorgen für zusätzliche Belastungen und Stress. Gerade zu den Hauptreisezeiten in den Ferien, an Weihnachten usw. werden viele schlechtbezahlte und unzureichend ausgebildete Aushilfskräfte eingesetzt, wodurch das Risiko von Fehlbeladungen steigt.

Das Unterlaufen von Sicherheits- und Qualitätstandards ist alltäglich: 72 Prozent aller Beschäftigten in der Gepäck- und Passagierabfertigung erleben, dass durch den Personalmangel oft Sicherheits- und Qualitätsstandards nicht eingehalten werden können. Die Arbeit findet teilweise unter Extrembedingungen statt (im Sommer bei 40 Grad im Schatten oder mehr auf dem Rollfeld). 78 Prozent aller Beschäftigten in der Gepäck- und Passagierabfertigung leiden darunter, dass die Unternehmen kaum Maßnahmen für ihren Gesundheitsschutz anbietet.

Gleiche Löhne in Ost und West

Morgen wird dritte Warnstreikwelle an acht Flughäfen in Frankfurt a.M., Hamburg, München, Hannover, Bremen, Halle/Saale, Dresden und Erfurt rollen, nachdem in bislang vier Verhandlungsrunden die Verhandlungsführer des "Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen" provokativ die berechtigten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen ignoriert haben.

Anstelle der geforderten Lohngleichheit in Ost und West haben sie ihr „Angebot“ von der dritten auf die vierte Verhandlungsrunde Ende Dezember gerade mal um 0,2 Prozent auf 2 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwei Jahren „erhöht“. Bereit sind sie immerhin zu einem bundesweit einheitlichen Branchentarifvertrag, was bereits ein erstes Zugeständnis an die Kampfbereitschaft und Streiks der Kolleginnen und Kollegen ist.
Für einheitliche Tarifverträge in ganz Deutschland!
MLPD
Gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeiten in den ost- und westdeutschen Bundesländern versprechen die Unternehmen aber in frühestens fünf Jahren! Damit beißen sie bei dem auf breiter Front erwachenden gewerkschaftlichen Bewusstsein unter den Arbeitern und Angestellten auf Granit, für die die Forderung „Für einheitliche Tarifverträge in ganz Deutschland“, wie sie die MLPD in ihrem Programm fordert, zu einem Hauptanliegen wurde.

Tarifrunde kann wichtiges Zeichen setzen

Die versprochenen „gleichwertigen Lebensverhältnisse“ in Ost und West, wofür die Bundesregierung mit einer Kommission bis Mai 2019 Vorschläge erarbeiten will, sind ein Betrug. Kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg hat die CDU dieses Thema wieder für sich entdeckt und will unter anderem neue Vorschläge zur „Rentengerechtigkeit“ entwickeln. Dabei sind alle Bundesregierungen seit der Wiedervereinigung daran beteiligt, Ostdeutschland im Dienste der Monopole als Niedriglohnland zu erhalten.

Die neuen Streikbewegung spricht eine andere Sprache - die der Entwicklung der Arbeitereinheit in Ost und West. Die Angleichung der Löhne kann nur im Kampf gegen die Monopole und ihre Parteien durchgesetzt werden. Dafür kann diese Tarifrunde ein wichtiges Signal setzen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen