Dienstag, 15. Januar 2019

Lesen lohnt sich, auch Bibellesen (Ralph Hartmann)


Glaubt der politisch interessierte Zeitgenosse den offiziellen Informationen des bundesdeutschen Auswärtigen Amtes, dann verlaufen die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit Serbien wie geschmiert. Zumindest auf den ersten Blick ist man gut vorangekommen: »Serbien hat am 22. Dezember 2009 einen Beitrittsantrag zur Europäischen Union gestellt. Im Juni 2013 hat der Europäische Rat beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu eröffnen … Am 21. Januar 2014 haben die Beitrittsverhandlungen mit Serbien begonnen. Im Dezember 2015 konnte das hierfür relevante Kapitel 35 und gleichzeitig Kapitel 32 (Finanzkontrolle) geöffnet werden. Im Juli 2016 gelang aufgrund serbischer Reformfortschritte die Öffnung der gleichfalls prioritären Kapitel 23 (Justiz und Grundrechte) sowie 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit) … Das im April 2008 unterzeichnete Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) bildet den Rahmen für die EU-Annäherung Serbiens und trat zum 1. September 2013 in Kraft … Mit Inkrafttreten eines Visaerleichterungsabkommens im Dezember 2009 wurde zudem die Visapflicht für serbische Bürgerinnen und Bürger bei der touristischen Einreise in den Schengen-Raum aufgehoben … Serbien erhält von der EU finanzielle Unterstützung über das Instrument der Heranführungshilfe IPA II (Instrument for Pre-Accession Assistance). Für den Förderzeitraum 2014 bis 2020 erhält Serbien rund 1,5 Milliarden Euro.«

Der erste Blick trügt jedoch, und der zweite macht mehr als stutzig. Denn eingebettet in den Fortschrittsbericht sind auch aufschlussreiche Sätze wie zum Beispiel: »Fortschritte im Normalisierungsprozess zwischen Serbien und Kosovo werden die Geschwindigkeit der Beitrittsverhandlungen maßgeblich beeinflussen.« »Als Schlüsselkriterium benannte der EU-Rat für Allgemeine Angelegenheiten sichtbare und nachhaltige Fortschritte in den Beziehungen zu Kosovo.« All das gipfelt in der Feststellung: »Vor einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen muss eine umfassende Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo sichergestellt sein …«

Da also liegt der Hase im Pfeffer. Hinter den im feinen Diplomatendeutsch abgefassten Formulierungen verbirgt sich ein erpresserisches Ultimatum, das da lautet: Willst du EU-Mitglied werden, dann musst du die staatliche Unabhängigkeit Kosovos bedingungslos anerkennen. Mit anderen Worten: Serbien soll völkerrechtlich akzeptieren, dass das autonome Gebiet Kosovo zu Recht mit dem verbrecherischen 78-tägigen Bomben- und Raketenkrieg der NATO aus dem serbischen Staat herausgebrochen wurde und nunmehr ein selbständiger souveräner Staat an seiner Südgrenze ist. Für die übergroße Mehrheit der Serben ist diese Forderung der EU umso schmerzlicher, da Kosovo im Mittelalter das politische, wirtschaftliche und religiöse Zentrum Serbiens, Sitz der Nemanjidendynastie und des serbisch-orthodoxen Patriarchen war. Nach der serbischen Niederlage in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) im Jahre 1389 und dem Vorrücken der Türken veränderte sich schrittweise die ethnische Zusammensetzung seiner Bevölkerung. Viele Serben zogen nach dem Norden, vom Süden her drängten die Albaner in das riesige Tal zwischen dem Schargebirge und den Bergen des Prokletije nach, wo sie unter türkischer Herrschaft massenhaft islamisiert wurden. Für die Serben aber blieb Kosovo im Kampf gegen das Türkenjoch Bestandteil ihres Landes und gilt auch weiterhin als »Wiege der serbischen Staatlichkeit und Kultur«.

Nun aber soll Serbien gezwungen werden, dieses von der NATO aus seinem Territorium herausgebombte und besetzte Gebiet völkerrechtlich als souveränen Staat anzuerkennen. Anderenfalls kann es nicht in die EU aufgenommen werden. Eine üble und letztlich schäbige Erpressung!

Die Forderung wird von den gleichen aufgestellt, die Russland der »Annexion«, also der gewaltsamen Einverleibung, der Krim bezichtigen, obwohl die Halbinsel seit der Herrschaft von Katherina der Großen zu Russland gehörte, ihre Bewohner nach dem Putsch in Kiew mit überwältigender Mehrheit für die Rückkehr in die russische Föderation stimmten und während des gesamten Prozesses kein einziger Schuss fiel. Moskau wird wegen der »Annexion« der Krim mit Sanktionen bestraft, aber Belgrad soll mit der Aufnahme in die EU belohnt werden, wenn es die gewaltsame Abtrennung Kosovos, und damit eines großen Teils seines Staatsterritoriums völkerrechtlich anerkennt. Was für eine wunderbare Doppelmoral!

Aber die Serben lieben es ganz und gar nicht, wenn ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt wird. So meinte der serbische Verteidigungsminister Aleksandar Vulin im Mai 2018 wenn für die EU der Schlüsselpunkt die Lösung des Kosovo-Problems sei, eines Problems, an dessen Entstehung die EU aktiv mitgewirkt habe, dann sei es Zeit, über die Änderung der Prioritäten der serbischen Außenpolitik nachzudenken. Wörtlich erklärte er: »Eine EU, die Bedingungen stellt, von denen sie weiß, dass sie nicht erfüllt werden, ist eine EU, die eine Rechtfertigung dafür sucht, dass wir nicht ihr Mitglied werden können. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und seiner Wege gehen.« Und auch die einflussreiche orthodoxe Kirche hat die politische Führung unter Staatspräsident Aleksandar Vučić gewarnt, Kosovo als das »Herz Serbiens« aufzugeben. Das sei nichts anderes als »Hochverrat«.

Wer annimmt, dass sich die Serben so mir nichts dir nichts erpressen lassen, der baut auf Sand. Bereits in der Heiligen Schrift klärt Jesus in seinem Gleichnis vom auf Felsen errichteten Haus und jenem auf Sand gebauten auf:
»Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.«

Die Entscheider in EU und NATO, in der Mehrheit eifrige Kirchengänger, sollten einmal zur Bibel greifen und Matthäus 7, 24 bis 27 lesen.

Lesen lohnt sich, auch Bibellesen.

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