Dienstag, 22. Januar 2019

Die Behinderung des Kampfes gegen Militarismus und Aufrüstung in Deutschland


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Die Behinderung des Kampfes gegen Militarismus und Aufrüstung in Deutschland:
DIE GEWERKSCHAFTEN
von Cemil Fuat Hendek aus der Zeitschrift Boyun Egme-Almanya Ausgabe Oktober/November/Dezember 2018, S. 14-15
 In den letzten Jahren ist in Deutschland eine Novellierung zu beobachten: Die ständig sehr schüchtern und hinter dem Vorwand „Verteidigung“ betätigte Militarisierung des deutschen Imperialismus, wird weiter in die Höhe getrieben. Die Rüstungsindustrie erhöht die Produktion, um einerseits die Armierung der Bundeswehr zu bedienen und andererseits brauchen die Soldaten der Bundesregierung , die unter dem Deckmantel „humane Hilfe“ in die immer mehr werdenden fremden Länder ziehen, Rüstung. Sie steigert auch den Waffenexport und türmt weltweit auf allen Kriegsschauplätzen deutsche Waffen. Sie bedient die aggressiven Regime nicht nur mit Waffen und Munition, sondern auch mit verschiedenster Ausrüstung und Kriegstechnologien. Um all die zu bewerkstelligen, addiert der Bundesstaat jährlich neue Summen zu den Anteilen für die Bundeswehr und die Rüstung in den Haushaltsplan.
Auf der anderen Front herrscht leider eine bittere Realität. Die Bemühungen der Kreise, die all diese Entwicklungen mit Sorge beobachten, finden kaum Resonanz. Sie schaffen es nicht die Unterstützung der großen Masse der Werktätigen zu bekommen. Abgesehen von den Positionierungen der Kommunisten dazu, lesen wir öfters auch Artikel aus der linken Szene, die sich mit den schwachen Momenten des Kampfes gegen Militarismus in Deutschland auseinandersetzen. Diejenigen, die den Kernpunkt der Sache, nämlich den deutschen Imperialismus – der immer offensiver wird – und deren Bemühungen für einen neuen Platz innerhalb des imperialistischen Hierarchie thematisieren, sind leider sehr selten. Und es gibt noch etwas: Viele erinnern sich mit Bedauern an die Friedensbewegung, die mit hunderttausenden Demonstranten Ende der 1970er und Anfang der 90er Jahre ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sie fragen sich, wo denn diese geblieben seien. Keiner spricht aber darüber, welche eigentlichen Schwachpunkte diese Bewegung hatte und wie diese trotz der Massenhaftigkeit nicht fortbestehen konnte.
Diese Frage kann folgendermaßen beantwortet werden: „Deshalb, weil die Friedensbewegung in all diesen Jahren nicht in Zusammenhang mit der Problematik des Klassenkampfes angegangen wurde. So musste es langsam zum Verdruss, zur Niederlage und zur Liquidation führen.“ Obwohl diese Erklärung wohl nachvollziehbar ist, können ohne ein Wissen über den historischen Hintergrund die Schwachpunkte der heutigen Friedensbewegung nicht verstanden werden. Dies ist solange nicht möglich, bis die Organisationen und Parteien, die damals den Ton angaben beim Namen genannt werden.
In diesem Zusammenhang ist auf ein Buch, das 2017 veröffentlicht wurde, aufmerksam zu machen. „Lieber tot als rot!“ Das Buch beinhaltet eine detaillierte Studie der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung seit 1914. Die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften, der Armee und dem deutschen Militarismus werden anhand von Dokumenten aufgezeichnet. Bei diesem Buch handelt es sich um ein Werk, das einen historisch beobachtbaren und beschämenden Aspekt der ruhmreichen Kampfgeschichte der deutschen Arbeiterklasse entblößt.
Im Grunde handelt es sich hier um einen „Zündstoff“, an den sich nicht einmal die vertrauenswürdigsten Kommunisten heranwagen. Denn egal wen man fragen würde, jeder würde behaupten, dass die Friedensbewegung einer der wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung der Gewerkschaften sei. Ob dem tatsächlich so ist, sollten wir aber zur Diskussion stellen. Vielleicht sollten wir die Personen, die wir damit konfrontieren möchten, mit folgender Frage in Verlegenheit und Erklärungsnot bringen: „Ja, es stimmt wohl, dass die Friedensbewegung ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung der Gewerkschaften ist. Aber in welchem Zusammenhang? Um die Bewegung für den Frieden und die Abrüstung zu stärken, oder als ein verlängerter Arm des deutschen Staates zu fungieren?“
Der Verfasser des Buches Malte Mayer hat in seiner umfangreichen, historischen Studie eine tabuisierte Realität untersucht und zwar die Beziehung zwischen den Gewerkschaften und der Armee in bestimmten kritischen historischen Momenten. Die aufgezeigten Dokumente gehen bis in die Zeit vor dem I. Weltkrieg zurück. Auf dem Weg in diese Zeit zeigt er Schritt für Schritt auf, wie an all den wichtigen Wendepunkten, die Gewerkschaften Verrat begangen haben, deren Konsequenzen nicht nur für Deutschland, sondern über die europäischen Grenzen hinweg, Auswirkungen auf die ganze Welt hatten.
Es ist jedem linksgesinnten Menschen bekannt, dass die an der Führung der Gewerkschaften sitzenden Sozialdemokraten, die deutschen Imperialisten, die den I. Weltkrieg schürten, nach dem Motto „Burgfrieden“ unterstützt haben. Dies ist eine peinliche Seite der Geschichte der Gewerkschaften, die fast jede(r) übersieht und worüber Stillschweigen bewahrt wird. Und was ist mit den darauf aufbauenden Machenschaften? Sie übernahmen die Mission der Konterrevolution, um wiederum 1920 die Novemberrevolution, deren 100. Jubiläum wir dieses Jahr feiern, blutig niederzuschlagen. Und was taten sie, um dieses Ziel zu erreichen? Fanden nach der Niederschlagung der Revolution geheime Absprachen mit den Generälen statt? Und welche Funktion erfüllten sie in den Jahren 1930-1933, während die Nazis an die Macht kamen? Was ist mit ihren Taten Anfang der 50er Jahre, während der Bemühungen gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik? Und was war es 1958 als die atomare Aufrüstung der Bundeswehr debattiert wurde? Und was ist mit ihrer Reaktion auf die „wilden“ Streiks, die sich anstatt gegen die Einstellung der Generäle der Nazizeit in der Bundeswehr, gegen den spontan entstandenen Widerstand richtete? Und das Bewilligen der Ausnahmegesetzgebung von 1968, der Umgang mit den Massendemonstrationen gegen die Ratifizierung der Ausnahmegesetzgebung im Bundesparlament, die Politik der IG Metall in Punkto Waffenindustrie, die Beziehung der Gewerkschaften zur Friedensbewegung in den 1980er Jahren, …?
Malte Meyer beantwortet nicht nur oben gestellte Fragen, er geht auch auf etliche andere Fälle ein. Er bringt all die Verbindungen der Gewerkschaften zum deutschen Imperialismus und ihren alltäglichen Aktivitäten im militärisch-industriellen Komplex, zur Zeit des I. Weltkriegs und auch späterer Zeiten hervor. Und zeichnet all die verräterischen Handlungen anhand von Dokumenten der Gewerkschaften und Reden ihrer führenden Kader auf. All die Knoten des Verrats, die in den meisten Fällen bedingt sind, durch ein kollektives Verstummen der vielen Gewerkschaftsmitglieder, entstehen bis zur Beschleunigung der Militarisierung der Bundesrepublik zu Beginn der 1990er Jahre. Auch die Fußnoten beinhalten interessante Informationen und entblößen zahlreiche Einzelheiten über die Ziele und Hintergründe vieler bisher veröffentlichter Bücher und Immatrikulationsthesen.
Letztendlich bringt Malte Meyer eine Realität hervor! Die Gewerkschaften, die ihre Positionen innerhalb der zum Zweck des Schutzes des bestehenden Systems gegründeten Institutionen haben, gestalten und tragen den Antikommunismus mit. Beispielsweise Ideen für die „Reformen“ in der Bundeswehr(was auch immer damit gemeint sein mag!) ausarbeiten und unter den Jugendlichen, mit dem Ziel der Förderung und Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr werben. Dies ist ein Beispiel dafür, wie diese Institutionen als untrennbare Organe des Staats gemeinsam funktionieren. Und das Fundament dieses Organs bildet der Antikommunismus.
Ich empfehle jedem, der sich für die Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung interessiert, das über 300 Seiten umfassende, mit sehr lehrreichen Informationen, Kommentaren und Dokumenten untermauerte Buch von Malte Meyer zu lesen.

Malte Meyer: Lieber tot als rot!
Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914
Münster 2017 (Edition Assemblage), 336 Seiten, 19, 80 Euro
ISBN 978-3-942885-71-3
 Quelle: DEUTSCHLAND aus Betrachtung der in Deutschland lebenden Kommunisten, Eine Artikelauswahl aus der Zeitschrift des Nazim Hikmet Kulturzentrums e.V. Berlin „Boyun Egme-Almanya“, Januar 2019

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