Mittwoch, 22. Februar 2017

Nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan bestätigt


Bereits an diesem Mittwoch sollen 50 weitere abgelehnte Asylbewerber an den Hindukusch geflogen werden - diesmal von München aus

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Die Angst vor der Abschiebung, die sich am Dienstag in München und andernorts verbreitet hatte, wird an diesem Morgen zur traurigen Gewissheit: Etwa 50 Afghanen sollen noch an diesem Abend vom Münchner Flughafen aus in ihr Heimatland abgeschoben werden. Das sagte am Morgen eine Sprecherin der Polizei Oberbayern auf Anfrage der dpa. Es ist bereits die dritte Sammelabschiebung von abgelehnten Asylbewerbern seit Ende vergangenen Jahres.
Zwei solcher Flüge nach Afghanistan hat es bereits gegeben - Mitte Dezember und Mitte Januar via Frankfurt am Main. Nun erwartet der bayerische Flüchtlingsrat die erste Abschiebung über München. Offenbar pendelt man sich auf einen Monatsrhythmus ein - und mutmaßlich hat die CSU-Regierung nichts dagegen, einen Kontrapunkt zu setzen zu den mittlerweile fünf SPD-regierten Ländern, die sich dagegen sperren: Schleswig-Holstein, Bremen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.
Die Innenbehörden kommentieren solche Aktionen nicht. Doch in der Münchner Presse wurde seit Tagen über den heutigen Mittwoch spekuliert. Laut »tz« sollen alleinstehende Männer in unbestimmter Zahl betroffen sein. Dass eine neuerliche Sammelabschiebung ansteht, schien zuletzt ein Interview der ARD mit dem Bundesinnenminister nahezulegen. Thomas de Maizière (CDU) wiederholte darin die umstrittene Einschätzung, zumindest Teile des Landes und seiner Hauptstadt seien sicher. Zudem sprach er davon, dass die »normale« Bevölkerung nicht das »Ziel« von Attacken der Talibanmilizen darstelle, auch wenn sie deren Opfer werden könne.
Dass de Maizière die Rückführung von Flüchtlingen mit Nachdruck betreibt, zeigte er am Dienstag durch einen Besuch der »Rückkehrberatung« in Magdeburg. Auf dem Papier seien solche Stellen Ratgeber, doch tatsächlich nehme der Druck auf Betroffene zu, kritisiert Stefanie Mürbe vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt. Das Innenministerium in dem schwarz-rot-grün regierten Land leite die Ausländerbehörden entsprechend an, diese gäben den Druck weiter. Mürbe nannte den Lokaltermin eine »Inszenierung« eines »Interesses an Freiwilligkeit«.
An Abschiebungen nach Kabul hat sich die von einer lauten AfD-Fraktion getriebene Afghanistankoalition in Magdeburg noch nicht beteiligt. Sie hat sich aber auch nicht dagegen ausgesprochen. Auch das rot-rote Brandenburg schweigt zu Afghanistan. Doch erst am Montag »informierte« sich Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) mit dem Berliner SPD-Innensenator Andreas Geisel und dem Bundesinnenminister am Schönefelder Flughafen generell über Abschiebungen. Gegen Kritik der Linkspartei soll im Land eine Logistikzentrale dafür entstehen.
Grün-Schwarz in Stuttgart weist die Verantwortung von sich. Man sehe das kritisch, könne aber nichts tun. Komme der Bund zu der Einschätzung, Abschiebungen nach Afghanistan seien vertretbar, »dann ist abzuschieben«, so die grüne Landeschefin Sandra Detzer. Damit hat sie unrecht. Die Länder können Abschiebungen in bestimmte Länder für immerhin drei Monate aussetzen. Schleswig-Holstein hat es erst vor einer Woche vorgemacht.
Pro Asyl hat Abschiebungen nach Afghanistan abermals scharf kritisiert - und eine Handreichung für Betroffene, aber auch für skeptische Landesregierungen erarbeitet. Unterhalb eines befristeten Abschiebestopps könnten die Innenministerien die Ausländerbehörden und auch die Betroffenen über ihre Rechte aufklären - etwa über die Möglichkeit von Folgeanträgen. Dabei beruft sich Pro Asyl auf eine Stellungnahme der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR: Demnach müssen stets die aktuellsten Erkenntnisse über die Lage vor Ort berücksichtigt werden: »Bei einem bereits länger zurückliegenden negativen Abschluss eines Asylverfahrens wird somit häufig Anlass bestehen, aufgrund der Veränderung der Faktenlage eine neue Ermittlung des Schutzbedarfs vorzunehmen.«
Die Einschätzung der Bundesregierung, aufgrund derer nach Afghanistan abgeschoben wird, stammt vom Oktober 2016. Ein UNHCR-Bericht, der die Lage anders sieht, ist zwei Monate jünger.

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