Dienstag, 21. April 2015

Der Kri­sen­fall Griechenland: Ein Lehr­stück über Kre­dit und Macht in Europa

Di, 21. April 2015 | 19:30 Mehringhof, Versammlungsraum (Gneisenaustr. 2a) Vortrag und Diskussion Der Kri­sen­fall Griechenland: vom Euro rui­niert – um Euro-​Kredit kämp­fend – am Euro-​Regime scheiternd Ein Lehr­stück über Kre­dit und Macht in Europa Seit dem Wahl­sieg der lin­ken Syriza eska­liert der Streit um die „Ret­tung Grie­chen­lands“. Der dreht sich, so heißt es, vor allem um die Frage, wie die „wirt­schaft­li­che Kon­so­li­die­rung“ die­ses süd­eu­ro­päi­schen Lan­des am bes­ten zu errei­chen sei: Eher durch „Haus­halts­kon­so­li­die­rung“, also gna­den­lo­ses Zusam­men­strei­chen von allen als über­flüs­sig defi­nier­ten Staats­aus­ga­ben ins­be­son­dere für den Unter­halt des Vol­kes? Oder doch eher durch „kre­dit­fi­nan­zierte Wachs­tums­an­reize“, also eine Poli­tik, die für den Dienst des Vol­kes am Wachs­tum sor­gen soll? Eigent­li­ches Sor­ge­ob­jekt der Poli­tik, so heißt es wei­ter, seien die „klei­nen Leute“: Wo die grie­chi­sche Regie­rung dar­auf ver­weist, dass grie­chi­sche Ange­stellte, Rent­ner, Arbeits­lose, Kranke… schon jetzt Opfer bis weit über jede Schmerz­grenze hin­aus erbracht hät­ten, da zitiert z.B. Schäu­ble den hart arbei­ten­den deut­schen Steu­er­zah­ler, der bereits vor Jah­ren die schar­fen Ein­schnitte als not­wen­dig ein­ge­se­hen habe, die man darum jetzt auch von den Grie­chen erwar­ten dürfe. Ob nun Objekt erns­ter Sorge oder blo­ßer Beru­fungs­ti­tel: Gestrit­ten wird jeden­falls zwi­schen den Regie­rungen nicht um die Ansprü­che des jewei­li­gen Volks, son­dern die der Regie­run­gen, um deren öko­no­mi­sche Mit­tel und Anrechte – und über die gibt der Streit damit ein paar bemer­kens­werte Auskünfte: – über den Kre­dit, um den sie streiten Die Schäuble-​Fraktion besteht mit ihrer For­de­rung nach aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung euro­päi­scher Kre­dite zur Schul­den­be­die­nung und nach gleich­zei­ti­ger Strei­chung aller „unpro­duk­ti­ven“ grie­chi­schen Aus­ga­ben dar­auf: Kre­dit ist ein öko­no­mi­sches Unter­wer­fungs­ver­hält­nis. Weil sich Geld­wirt­schaft und Staat des Kre­dits bedie­nen, hat das natio­nale Geschäfts­wachs­tum und der Staat mit sei­nen Schul­den auch den Rech­nun­gen der Kre­di­teure zu genü­gen, nur so und nur dafür ver­ge­ben sie ihn. Alles pro­duk­tive Trei­ben der Gesell­schaft ist dem mit Rechts­ge­walt ver­bürg­ten Geld­ver­meh­rungs­in­ter­esse des kre­dit­ge­ben­den Finanz­ka­pi­tals unter­ge­ord­net. Kre­dit ist kein uni­ver­sell ein­setz­ba­res Mit­tel für belie­bige Zwe­cke, son­dern für das Wachs­tum des Kapi­tals, dem das gesell­schaft­li­che Leben dient – oder es hat sein Lebens­recht ver­lo­ren. Und das aner­kennt die Tsipras-​Mannschaft auf ihre Weise auch, wenn sie die Sache umge­kehrt buch­sta­biert und um neuen Kre­dit als unbe­dingt nöti­ges natio­na­les Lebens– und Wachs­tumsmit­tel strei­tet. Dann – nur dann – ver­spricht sie ja, dass auch ihr Dienst für die „Geld­ge­ber“, also deren Zweck wie­der gelin­gen kann. – über ihr gan­zes famo­ses „Pro­jekt Europa“ Im lau­fen­den Streit um Grie­chen­land und seine Pleite for­dert Schäu­ble allen voran im Namen der Euro-​Gemeinschaft, dass Grie­chen­land seine Schul­den gefäl­ligst wei­ter zu bedie­nen hat, damit der Euro stark bleibt, den nicht Grie­chen­land, son­dern Deutsch­land, d.h. mit dem sein Kapi­tal so prima nicht zuletzt an Grie­chen­land ver­dient hat und noch ver­dient. Syriza umge­kehrt ruft in Rich­tung Troika: „finanz­po­li­ti­sches Water­boar­ding!“, for­dert von der Gemein­schaft mehr Euro-​Kredit, damit das Land wie­der geschäfts­fä­hig wird, und ver­weist dar­auf, dass die ande­ren Euro-​Staaten einen grie­chi­schen Exitus finanz­po­li­tisch sel­ber nicht aus­hal­ten, weil der den Euro gefähr­det. So füh­ren die lie­ben euro­päi­schen Part­ner vor, was der feine Euro-​Club mit sei­nem Gemein­schafts­geld ist, in dem Grie­chen­land Mit­glied ist und gerne blei­ben will: Europa ist insti­tu­tio­na­li­sierte Stand­ort­kon­kur­renz. Die Euro-​Nationen wirt­schaf­ten mit einem Geld, aber sie kon­kur­rie­ren dabei um das gemein­same Geld, um Euro-​Kredit, der das Lebens­mit­tel ihrer Markt­wirt­schaf­ten ist und sein soll, erbit­tert gegen­ein­an­der. Sie brau­chen und gebrau­chen den Kre­dit dafür, sich in die­ser Kon­kur­renz zu erfolg­rei­chen Geschäfts­stand­or­ten zu machen, um Geld­reich­tum bei sich zu akku­mu­lie­ren. Und da schei­den sich Gewin­ner und Ver­lie­rer daran, wer mit sei­nen Erfol­gen in die­ser Kon­kur­renz den Zuspruch der Finanz­märkte genießt, und wer nicht. Grie­chen­land jeden­falls nicht! Das Urteil fäl­len nicht bloß die Finanz­märkte, das unter­schrei­ben und exe­ku­tie­ren die poli­ti­schen Her­ren über den Euro-​Kredit. Die deut­schen Poli­ti­ker beste­hen als Kon­kur­renz­sie­ger dar­auf, dass Grie­chen­land als Ver­lie­rer für seine Schul­den ein­steht und sich wie­der „für den euro­päi­schen Wett­be­werb fit­macht“, das heißt alles zusam­men­streicht, was sich an Grie­chen­land nicht lohnt. Ihre Kon­kur­renz­er­folge und ihre Euro-​Kreditmacht dür­fen mit dem Ruin von Kon­kur­renz­ver­lie­rern ein­fach nicht Scha­den lei­den. Und mit dem öko­no­mi­schen Erfolg haben sie im gemein­schaft­li­chen Euro auch das polit­öko­no­mi­sche Macht­mit­tel, das in ihrer ‚Gemein­schaft‘ als gül­tige öko­no­mi­sche ‚Ver­nunft‘ durchzusetzen. – über die Rolle ihrer Völ­ker, auf die sie sich so gern berufen Wenn die deut­sche Poli­tik stolz auf die von ihr – abwech­selnd in Rot-​Grün-​Schwarz-​Gelb – gesetz­lich erzwun­ge­nen Leis­tun­gen der Deut­schen beim Arbei­ten für immer weni­ger Geld als Grund für deut­sche Wirt­schafts­er­folge ver­weist; wenn die grie­chi­sche Poli­tik zu beden­ken gibt, dass ein rui­nier­tes Volk auch in Zukunft für kei­nen Wirt­schafts­auf­schwung mehr zu gebrau­chen ist – dann geben kon­ser­va­tive wie linke Euro-​Politiker zu ver­ste­hen: „Die Men­schen“ sind dafür da, dass die kapi­ta­lis­ti­schen Rech­nun­gen mit ihnen vor­an­kom­men. Sie haben sich in Fabri­ken, Büros und sonstwo nütz­lich dafür zu machen, dass mit ihren Arbeits­diens­ten mög­lichst viel Geld ver­dient wird. Darum ist ihr wich­tigs­ter Dienst über alle Kon­junk­tu­ren und Kri­sen hin­weg, in allen gro­ßen und klei­nen Stand­or­ten immer der eine: Sie haben bil­lig zu sein, ihr Lebens­un­ter­halt hat sich ent­spre­chend zu beschrän­ken, ver­schwen­de­risch dür­fen sie ja schon beim Arbei­ten genug sein. So ist ihre Armut nütz­lich – gerade in den Gewinner-​Nationen Euro­pas. Und nach der glei­chen Logik kennt ihre Ver­ar­mung über­haupt keine Gren­zen mehr, wenn sich die Armut als unnütz erweist, weil das natio­nale Kapi­tal – wie in Grie­chen­land – sie wegen sei­ner Kon­kur­renz­nie­der­la­gen nicht zu nut­zen ver­steht. Und wenn die grie­chi­sche Regie­rung darum kämpft, Land und Volk irgend­wie lebens­fä­hig zu hal­ten, um die wie­der pro­duk­tiv zu machen, dann heißt es aus der euro­päi­schen Zen­trale, dass sich Grie­chen­land das bis­he­rige Leben des Vol­kes nach den Erfolgs­maß­stä­ben des Euro-​Kapitals und –Kre­dits end­gül­tig nicht mehr leis­ten kann. So strei­ten beide Sei­ten um den natio­na­len Nut­zen ihrer Massen. Es scheint, dass sich die euro­päi­schen Mas­sen das alles eigent­lich nicht leis­ten kön­nen.

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