Sonntag, 15. September 2013

Ludwigshafen: Ärzte mit sozialer Ader

Das Projekt ”Street Doc” bedeutet für viele Menschen neue Hoffnung: Ab Oktober bieten Ärzte an drei Standorten in Ludwigshafen einmal wöchentlich ehrenamtliche Sprechstunden für Menschen am Rande der Gesellschaft an, die keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Auch in Ludwigshafen gibt es immer mehr Menschen, die keine Krankenversicherung haben. Menschen wie Michael*, der in einem kleinen Zimmer in der Bayreuther Straße wohnt, es seit Jahren nicht mehr verlassen hat, die Tage im Bett verbringt und nur aufsteht, um zur Toilette zu gehen. Aber auch Menschen ohne festen Wohnsitz, mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, Aussteiger, sozial isolierte Personen, oder Leute, die wegen ihrer persönlichen Situation den Zugang zum regulären Gesundheitssystem verloren haben. ”Fast immer stecken persönliche Katastrophen dahinter”, weiß Johannes Hucke von der Gemeinwesenarbeit der Ökumenischen Fördergemeinschaft. Diese Personengruppe hat keinen Zugang zum Gesundheitssystem. ”Das ist die Zielgruppe von ,Street Doc‘ - Menschen am Rande der Gesellschaft, die oft über viele Jahre ohne medizinische Behandlung sind”, erläutert der Initiator Peter Uebel. Vor etwa einem Jahr begann der Internist aus der Gartenstadt zusammen mit den Sozialpädagogen von der Ökumenischen Fördergemeinschaft mit den Planungen und konnte seitdem bereits zwölf Kollegen und fünf Arzthelferinnen für das ehrenamtliche Engagement gewinnen. ”Ursprünglich war eine mobile Lösung mit einem ausgedienten Krankenwagen angedacht”, berichtet Uebel. Doch dann bot die Stadtverwaltung in den beiden Brennpunkten Bayreuther und Kropsburgstraße (West, Mundenheim) mietfreie Wohnungen für die Arztpraxen an. Ein dritter Behandlungsraum wird in den Räumen der Apostelkirche an der Rohrlachstraße (Hemshof) eingerichtet. ”Hier ist die Suppenküche, und viele Bewohner des Hauses St. Martin kommen hier hin”, begründet Johannes Hucke die Standortwahl. An den drei Standorten werden kleine allgemeinmedizinische Praxen entstehen. Jeweils Mittwochnachmittag wird ein Arzt nacheinander an allen drei Praxen eine Stunde lang eine Sprechstunde abhalten. Patienten ohne Versicherungsschutz werden kostenfrei behandelt. ”Wir werden eine allgemeinmedizinische Basisversorgung anbieten”, beschreibt Uebel das geplante Angebot. Für eine eventuell erforderliche Weiterbehandlung entstehe gerade ein Netzwerk an Fachärzten. Die künftigen Patienten - rund 300 in der Kropsburgstraße, etwa 300 bis 400 in der Bayreuther Straße und eine wechselnde Anzahl in der Suppenküche - haben über Streetworker Robert Azari von der Ökumenischen Fördergemeinschaft und Johannes Hucke bereits ihr Interesse an dem neuen Projekt signalisiert. Wenn es dann im Oktober mit den regelmäßigen Sprechstunden losgeht, werden die beiden dazu beitragen, den Betroffenen den Weg in die Arztpraxis so leicht wie möglich zu machen. Oder aber die Ärzte darauf hinweisen, wo Menschen direkt in ihrer Unterkunft medizinisch betreut werden müssen. ”Wir müssen sehen, wie sich alles einspielt”, sagt Uebel voller Elan und ergänzt: ”Es ist ein Projekt der Improvisation.” Wichtig sei, dass es jetzt erst einmal losgehe. Und so haben die Ärzte und Mitarbeiter der Ökumenischen Fördergemeinschaft in den vergangenen Wochen kräftig Möbel geschleppt. Mit gespendeten Untersuchungsliegen, Schreibtischen und Stühlen wurden die Praxen eingerichtet. Auch ein Laptop und Software zur Erfassung der Patientendaten sind gespendet worden. Was noch fehlt, sind Verbrauchsmaterialien und die Medikamente zur Versorgung der Patienten. Die ”Street Docs” hoffen da auf Spenden, um auch dies für die Betroffenen finanzieren zu können. ”Mein Wunsch wäre es, wenn noch einige Ärzte mitmachen würden”, sagt Uebel. Und auch ehrenamtliche Arzthelferinnen werden dringend gesucht: ”Meine Traumfrau wäre eine Arzthelferin, die gerade in Rente gegangen ist, noch fit ist, und die mit Organisationsgeschick die Fäden zusammenhält.” ”Street Doc” ist ein Kooperationsprojekt von Fachärzten, der Fachstelle für Wohnraumsicherung der Stadt und dem Haus St. Martin in Trägerschaft der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen. *Name von der Redaktion geändert Kontakt Peter Uebel, Telefon 0621/59570000. Von Anette Konrad

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