Sonntag, 16. Februar 2020

[Petition] Anerkennung von “Asozialen” und “Berufsverbrechern” als Opfer des Nationalsozialismus


Dossier

"Sozialrassistische Verfolgung im deutschen Faschismus. Kinder, Jugendliche, Frauen als sogenannte »Asoziale« – Schwierigkeiten beim Gedenken" herausgegeben von Anne AlexDer Deutsche Bundestag soll die von der SS „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ genannten ehemaligen KZ-Häftlinge als Opfer des Nationalsozialismus anerkennen. Zwischen 1933 und 1945 wurden mehrere zehntausend Menschen durch Kriminalpolizei oder GeStaPo in die Konzentrationslager eingewiesen. Sie sind bis heute nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Die von den Nazis als „Asoziale“ diskriminierten Menschen (z. B. Obdachlose, Wanderarbeiter, Bettler, „Arbeitsscheue“ oder „Landstreicher“) wurden als „Ballastexistenzen“ bezeichnet. In den KZ wurden sie durch ein schwarzes Stoffdreieck (den „Winkel“) auf der linken Brustseite der Häftlingskleidung gekennzeichnet. Sie sollten aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Mit einem grünen Winkel wurden solche Häftlinge gekennzeichnet, die von der Kriminalpolizei zu „Berufsverbrecherinnen“ und „Berufsverbrechern“ erklärt wurden. In den Augen der Nazis waren das Menschen, die durch vergangene Haftstrafen (z. B. wegen Diebstahls, Einbruchs, Abtreibung oder – tatsächlicher oder vermuteter – Zuhälterei, Prostitution oder auch in einigen Fällen wegen Gewaltdelikten) „bewiesen“ hätten, dass sie einen inneren Drang zu kriminellen Taten verspürten, dass sie nicht resozialisierbar seien. Straftaten zu begehen, wurde ihnen als charakterliche Eigenart oder angebliche Profession zugeschrieben. Sie wurden nach Verbüßung ihrer Strafhaft gegriffen, ohne weiteres Strafverfahren in die KZ gebracht. Tausende wurden ermordet…” Petition an den Deutschen Bundestag gestartet von Frank Nonnenmacher im Februar 2018 bei change.org externer Link mit der Bitte um Unterzeichnung. Siehe dazu:
  • [“Asoziale” und “Berufsverbrecher”] Bundestag berät über Anerkennung weiterer NS-Opfergruppen New
    “Asoziale” und “Berufsverbrecher”, die in Konzentrationslagern inhaftiert und gequält wurden, sind bislang nicht als NS-Opfergruppen anerkannt. Das soll sich ändern. (…) Der Bundestag berät in dieser Woche über eine mögliche Anerkennung weiterer NS-Opfergruppen. Dem Parlament liegen vier Anträge aller Fraktionen außer der AfD für eine stärkere Würdigung von Menschen vor, die von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in Konzentrationslagern inhaftiert, gequält und auch ermordet wurden. (…) Wie viele der Verfolgten aus diesen beiden Gruppen heute noch leben, ist unbekannt. Es wird von einer sehr niedrigen Zahl ausgegangen, weil sie in der Regel bereits in der NS-Zeit Erwachsene waren. Als „Asoziale“ wurden von den Nazis unter anderem Obdachlose, Bettler oder Prostituierte in Konzentrationslager gebracht. Zu „Berufsverbrechern“ erklärten die Nazis Menschen, die wiederholt in der Regel wegen Eigentumsdelikten verurteilt wurden. Ihre Strafe hatten sie allerdings schon verbüßt, bevor sie in einem KZ inhaftiert wurden. (…) „Niemand wurde zu Recht in einem Konzentrationslager inhaftiert, gequält oder ermordet“, heißt es in dem Antrag der Koalitionsfraktionen…” Meldung vom 11. Februar 2020 von und bei MiGAZIN externer Link
  • [Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien] Experten: „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ als NS-Opfer anerkennen
    “Menschen, die während der nationalsozialistischen Diktatur als sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ verfolgt beziehungsweise in Konzentrationslagern inhaftiert wurden, sollen als NS-Opfer anerkannt werden. Mit Ausnahme der AfD-Fraktionen waren sich alle anderen Fraktionen und die vier geladenen Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien unter Vorsitz von Katrin Budde (SPD) am Mittwoch, 6. November 2019, einig. (…). In den vier inhaltlich sehr ähnlichen Anträgen sprechen sich die Fraktionen dafür aus, dem Schicksal der sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ im öffentlichen Bewusstsein und dem staatlichen Gedenken mehr Raum einzuräumen und die wissenschaftliche Erforschung ihrer Verfolgung zu intensivieren. Zudem sollen die Möglichkeiten für Entschädigungen verbessert werden. (…) Der stellvertretende Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Dr. Ulrich Baumann, die Historikerinnen Dr. Julia Hörath vom Hamburger Institut für Sozialforschung und Dr. Dagmar Lieske von der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Frank Nonnenmacher begrüßten die parlamentarischen Initiativen der Fraktionen ausdrücklich. Nonnenmacher warb jedoch eindringlich dafür, dass sich die Fraktionen angesichts der Bedeutung des Themas auf einen fraktionsübergreifenden Antrag einigen sollten. „Alle aufgeklärten Demokraten“ müssten anerkennen, dass es sich bei allen KZ-Häftlingen um Opfer der Nationalsozialisten handelte, unabhängig von den Gründen, aus denen sie in den Konzentrationslagern inhaftiert waren, sagte Nonnenmacher. Ulrich Baumann verwies darauf, dass die sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ bis heute in der Gesellschaft nicht als NS-Opfer anerkannt seien und schlichtweg das Wissen über ihr Schicksal fehle. Mitunter herrsche auch die Meinung, dass viele dieser Menschen „wohl irgendwie zu Recht“ im KZ gesessen hätten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ auch von anderen Opfergruppen keine Unterstützung erhalten, als NS-Opfer anerkannt zu werden. (…) Julia Hörath führte aus, dass die sogenannte Vorbeugungshaft von „Berufsverbrechern“ in jedem Fall gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze verstoßen habe und deswegen als „nationalsozialistisches Unrecht“ einzustufen sei. Als „Berufsverbrecher“ seien Menschen eingestuft worden, die mehrfach wegen Delikten verurteilt worden sind. Zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung in die Konzentrationslager hätten sie ihre Haftstrafen wegen der Straftaten jedoch längst abgeleistet gehabt. Dagmar Lieske erläuterte, dass mehrere Zehntausend Menschen von den nationalsozialistischen Behörden als „Berufsverbrecher“ eingestuft worden seien. Darunter seien Männer wie Frauen, Alte und Junge, Deutsche und Nichtdeutsche, Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten gewesen. Allein im KZ Sachsenhausen seien etwa 9.000 der sogenannten „Berufsverbrecher“ inhaftiert gewesen…” Mitteilung des Deutschen Bundestags vom November 2019 externer Link  mit Video der kompletten öffentlichen Anhörung (Länge: ca. 1:30 Std.)
  • [Interview] Anerkennung von “Asozialen” und “Berufsverbrechern” als Opfer des Nationalsozialismus
    “Mehrere zehntausend Menschen wurden im Nationalsozialismus als “Asoziale” oder “Berufsverbrecher” in Konzentrationslager eingewiesen, wo sie einen schwarzen oder grünen Winkel auf der Kleidung tragen mussten. Weil sie nicht in die »deutsche Volksgemeinschaft« passten, wurden sie als „Ballastexistenzen“ bezeichnet und weg gesperrt oder sogar ermordet. Trotzdem findet bis heute kaum Gedenken an diese Menschen statt und sie sind bis heute nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Eine Petition an den Bundestag will das nun endlich ändern, gestartet hat diese Petition Frank Nonnenmacher…” Interview von Saskia von Radio Corax mit Frank Nonnenmacher vom 1. März 2018 beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei (Audiolänge: 11:08 Min.)
  • »Niemand saß zu Recht im KZ« Kampagne fordert Anerkennung der »Asozialen« und »Berufsverbrecher« als Opfer des Nationalsozialismus 
    “Es sind die ignorierten Opfer des Nationalsozialismus: die »Asozialen« und »Berufsverbrecher«. Mehrere Zehntausend Menschen wurden in KZs ermordet, weil nicht in die »deutsche Volksgemeinschaft« gepasst haben. Eine Anerkennung hat bis heute aber nicht stattgefunden. (…) Auch soll an die Zeit nach dem Nationalsozialismus erinnert werden: Viele »Asoziale« wurden bis weit nach dem Kriegsende »verwahrt«. Die KZ-Haft gegen »Berufsverbrecher« galt nicht als spezifisch nationalsozialistisches Unrecht, sondern als »Kriminalpolitik mit anderen Mitteln«. Dies habe eine Aufarbeitung und Organisierung der Opfer erschwert. Bis heute gibt es keine offiziellen Interessengruppen. Allerdings: Im Jahr 2015 gründeten Künstler den »Zentralrat der Asozialen«. Die Gruppe versteht sich nicht als offizielles Sprachrohr, sondern will auf die vergessenen NS-Opfer aufmerksam machen – und die Kontinuitäten von Ausgrenzung deutlich machen. Denn: Bis heute werden sozialschwache und von Normen abweichende Menschen diskriminiert. Der Begriff »asozial« ist immer noch fest in der deutschen Sprache verankert. Auch die Historikerin Lieske beobachtet eine Zunahme von Sozialdarwinismus…” Beitrag von Niklas Franzen bei neues Deutschland online vom 24. Februar 2018 externer Link
  • [Interview] »Keine Vorzeigeopfer«
    Small Talk von André Anchuelo mit der Historikerin Dagmar Lieske vom 22. Februar 2018 bei Jungle World 2018/08 externer Link über die Anerkennung von »Asozialen« und »Berufsverbrechern« als NS-Opfer. “Was ist der Hintergrund der Petition? Es gibt bis heute Opfer des Nationalsozialismus, die nicht anerkannt sind, weder offiziell politisch noch in der Erinnerungskultur. Es handelt sich um Menschen, die die Nazis als »Asoziale« und/oder »Berufsverbrecher« bezeichneten. Wir haben uns damit seit einigen Jahren wissenschaftlich befasst. Es ist klar, dass die meisten aus dieser Gruppe nicht mehr leben. Es geht also nicht mehr so sehr um eine materielle Entschädigung für Überlebende, sondern um die Anerkennung dieser Gruppe, so dass weitere Forschung ermöglicht wird und eine Verankerung in der Erinnerungskultur stattfindet. Damit wenden wir uns zunächst an den Bundestag als politische Instanz, aber natürlich wollen wir dadurch auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Aspekt des Nationalsozialismus anregen…”
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=128270

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