Sonntag, 16. Februar 2020

IG Metall geht erneut Kampf um 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland an


Dossier

Kampagne der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen: "35 reicht! Keine Zeit für neue Mauern"Die IG Metall führt Gespräche mit der Unternehmerseite und mobilisiert gleichzeitig in den Betrieben: »Wir wollen bis Ende 2018 belastbare Eckpunkte erreichen, auf deren Grundlage Anfang 2019 Tarifverhandlungen aufgenommen werden sollen«, sagte Olivier Höbel, IG Metall Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen. »In den Belegschaften hat in den vergangenen Jahren ein intensiver Diskussionsprozess über gute Arbeit und gutes Leben stattgefunden. Die Angleichung der Arbeitsbedingungen durch eine Arbeitszeitverkürzung im Osten hat dabei eine herausragende Rolle gespielt.« Dieses Projekt steht im Mittelpunkt von vielen betrieblichen Aktionen, die gegenwärtig stattfinden. Thomas Knabel, Chef der IG Metall Zwickau ergänzt: »Unsere Mitglieder in den Betrieben stehen für die anstehenden Aktionen bereit, weil sie zurecht jetzt eine Lösung der Ostangleichung erwarten. Es wurde in den vergangenen Monaten viel geredet, nun müssen sich die Arbeitgeber zu konkreten Lösungen bewegen.« Bei BMW und Porsche in Leipzig, bei Volkswagen in Chemnitz, bei VW, GKN und Johnson-Control in Zwickau, bei Mahle in Reichenbach, bei Mercedes in Ludwigsfelde und bei Airbus in Potsdam, bei ZF in Brandenburg und bei Otis in Berlin – überall das gleiche Bild: Jetzt ist unsere Zeit, die 35 muss her! (…) Von der notwendigen Solidarität und praktischen Unterstützung ist noch nicht so viel zu spüren, Parteien, Parlamente, Kirchen und Vereine halten sich noch zurück…“ Artikel von Stephan Krull in der jungen Welt vom 25.10.2018 externer Link, siehe dazu:
  • »Wir brauchen ein Signal für die Beschäftigten« – Metaller im Osten arbeiten noch immer drei Stunden mehr als im Westen New
    Im Gespräch mit Oliver Rast bei der jungen Welt vom 11. Februar 2020 erklärt der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich externer Link zur Tarifauseinandersetzungen in der Elektro- und Metallindustrie  in Mecklenburg-Vorpommern u.a.: “… Das Bundesland ist industriell eine eher strukturschwache Region. Besonders in den Jahren 2000 bis 2010 bangten die Beschäftigten um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Das Damoklesschwert Werksschließung schwebte über ihnen, da stand die pure Existenzsicherung im Vordergrund, keine Frage. Aber: Seit einigen Jahren sind Beschäftigte auch in Mecklenburg-Vorpommern etwas offensiver geworden, wollen Tarifverträge und Arbeitsbedingungen wie ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen oder Süden der Republik. Sicherlich hat dazu auch beigetragen, dass Werksschließungen wie beim Fahrzeughersteller Schmitz-Cargobull in Toddin bei Ludwigslust verhindert oder Tarifverträge wie im ZF-Airbag-Werk in Rostock-Laage seitens unserer Gewerkschaft durchgesetzt werden konnten. Erfolgserlebnisse machen mutig. (…) In der Tarifrunde 2018 der Elektro- und Metallindustrie gab es eine Gesprächsverpflichtung zwischen den Tarifpartnern, über sogenannte Angleichungsschritte zur 35-Stunden-Woche im Osten zu debattieren. Diese Gespräche sind auch unter dem Stichwort »Ostverhandlungen« zentral geführt geworden. Konkrete Ergebnisse gab es indes nicht. Die zentralen Gespräche sind gescheitert! (…)Die Führung des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall wollte keine verbindlichen Zusagen machen, sich auf nichts konkret einlassen. Eine zentrale, bundesweite Lösung für einen Weg in die 35-Stunden-Woche konnte so nicht zustande kommen. Deshalb müssen wir nun auf regionale Verhandlungen und Vereinbarungen setzen. (…) Dass das nicht von heute auf morgen gehen konnte und weiterhin gehen wird, ist allen Beteiligten klar. Auch den Beschäftigten. Wir müssen im Blick haben, was in den einzelnen Betrieben möglich ist, wie deren ökonomische Lage ist. Aber allen Beteiligten ist gleichfalls klar, dass diese Ungleichbehandlung seit mehreren Jahrzehnten ungerecht, ein Stück weit willkürlich ist. Auch im damaligen Westdeutschland dauerte es anderthalb Jahrzehnte, bis die 35-Stunden-Woche durchgesetzt werden konnte. Unsere Zielmarke ist das Jahr 2030, dann, spätestens, wollen wir eine Arbeitswoche von 35 Stunden durchgesetzt haben…”
  • Alle für den Osten! Kampf um 35-Stunden-Woche kann die IG Metall nur als Gesamtorganisation gewinnen. Das braucht ein klares Signal des Gewerkschaftstags 
    “… Auch fast drei Jahrzehnte nach der staatlichen Einheit sollen die Metaller in Ostdeutschland drei Stunden länger arbeiten als ihre Kollegen im Westen – ohne dafür einen Cent mehr zu verdienen. Beim Gewerkschaftstag der IG Metall, der am gestrigen Sonntag abend (nach Redaktionsschluss) in Nürnberg eröffnet werden sollte, dürfte dieser Konflikt für viel Gesprächsstoff sorgen. Schöne Namen für große Schweinereien zu erfinden – darin waren die Unternehmer schon immer gut. »TV FUTURE« nannten sie ihr Forderungspaket bei den Verhandlungen um eine Arbeitszeitverkürzung im Osten. Ausgeschrieben sollte das heißen: »Flächenlösung zur Unterstützung der Tarifbindung von Unternehmen sowie zur regionalen Entwicklung«. Tatsächlich aber bedeutete es eine weitgehende »Deregulierung« des Flächentarifvertrags. Die Gestaltung der Arbeitszeiten sollte in die Betriebe verlagert werden – wo Beschäftigte und Betriebsräte mit der Drohung, Jobs zu streichen oder zu verlagern, direkt unter Druck gesetzt werden können. Nach den Vorstellungen der Konzerne sollten die Arbeitszeiten in einem Korridor zwischen 30 und 40 Wochenstunden schwanken können – je nach Auftragslage und betrieblichen Bedürfnissen. Bezirksleiter Höbel wertete das als »Frontalangriff auf den Flächentarifvertrag in Ostdeutschland«. Doch die IG Metall selbst hatte in den Verhandlungen zuvor schon deutliche Zugeständnisse gemacht, um einen Kompromiss zu ermöglichen. So sollte bis Ende 2030 ein »Parallelmodell« angewendet werden: Die Unternehmen hätten in dieser Zeit zwischen dem Status quo der 38-Stunden-Woche und der schrittweisen Verkürzung auf 35 Stunden wählen können. Damit hätte die Angleichung der Arbeitszeiten an das Westniveau noch ein volles Jahrzehnt gedauert – und wäre selbst dann nur in einem Teil der Betriebe durchgesetzt worden. (…) Der Weg, den die IG Metall jetzt gehen will, wird bereits im Leitantrag zum Thema Arbeitszeit skizziert, der in Nürnberg zur Abstimmung steht: »Sollte es nicht gelingen, zu einer Lösung in der Fläche zu kommen, werden wir dort, wo wir betrieblich handlungsfähig sind, nach schnellen Lösungen suchen«. In den Großbetrieben könnte das in der Tat rasch gelingen. Die Herausforderung wird sein, die kleineren Zulieferer nicht auf Dauer abzuhängen. In einem Antrag aus Leipzig wird für den nun eingetretenen Fall dafür plädiert, »die Lösung der Arbeitszeitfrage im Osten zum integrierten Bestandteil der Tarifrunde 2020« zu machen. (…) Die Auseinandersetzung um die 35-Stunden-Woche ist allein in Ostdeutschland nicht zu gewinnen. Mehrere Anträge zum Gewerkschaftstag fordern daher offensiv die Unterstützung der Gesamtorganisation ein. So heißt es in dem Leipziger Antrag: »Auf allen Ebenen der Organisation muss das Thema Arbeitszeit Ost als strategisches Arbeitsvorhaben verstanden werden.« Antragsteller aus Jena-Saalfeld nennen als Voraussetzungen für einen Erfolg neben einer »systematischen und konsequenten Erhöhung des Organisationsgrads« in den ostdeutschen Betrieben auch »die konsequente Solidarität innerhalb der gesamten IG Metall«. Dazu gehöre ebenfalls eine Öffentlichkeitskampagne in der Gewerkschaft selbst, die den Kollegen klarmache, dass es immer noch Unterschiede bei der tariflichen Arbeitszeit gibt. So mancher dürfte sich noch daran erinnern, dass es genau an dieser Solidarität beim Streik um die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland 2003 haperte…” Artikel von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 07.10.2019 externer Link – siehe dazu auch unser Dossier: Gewerkschaftstag 2019 der IG Metall: “Miteinander für morgen – solidarisch und gerecht” externer Link
  • Angleichung Arbeitszeit Ost: “Jetzt erst recht!” IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen beendet Gespräche zur 35-Stunden-Woche 
    Abpfiff: Ein belastbares Ergebnis war mit den Arbeitgebern in der Nachspielzeit nicht möglich. Am 30. September hat die IG Metall mit den Arbeitgeberverbänden für Berlin-Brandenburg und Sachsen erneut über die Einführung der 35-Stunden-Woche verhandelt. Inzwischen haben wir unzählige Verhandlungstage und –nächte eingebracht, um mit den Arbeitgebern eine Lösung zu erzielen. In den Abendstunden haben wir nach intensiver Diskussion in der Hintergrundkommission einstimmig entschieden, die Gespräche zu beenden. Gesprächsstände, die die IG Metall mit den Arbeitgebern zuvor schon erzielt hatte, wurden von den Arbeitgebern wieder zurückgenommen. Jetzt werden wir mit den IG Metall-Geschäftsstellen und den Belegschaften auf die Unternehmen zugehen, in denen wir die Einführung der 35 als Erstes vorantreiben wollen. Dazu werden die betrieblichen Tarifkommissionen zusammengeholt und die Arbeitgeber bekommen von uns eine schriftliche Verhandlungsaufforderung. Das bedeutet auch: Jetzt kommt es auf die Durchsetzungsfähigkeit der Belegschaften an…” Meldung der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen vom 1.10.2019 externer Link, siehe dazu:
    • deren Tarif-Schnellinfo vom 2. Oktober 2019 externer Link 
    • und die jw-Meldung vom 02.10.2019 externer Link: Arbeitszeitmauer hält. IG Metall beendet Verhandlungen über Einführung der 35-Stunden-Woche Ost
    • Generalangriff auf die »35«. Hans-Gerd Öfinger über die Ost-West-Kluft bei Arbeitszeiten 
      “»35 reicht. Keine Zeit für neue Mauern«, so die Aufschrift auf T-Shirts und Plakaten, die ostdeutsche Gewerkschafter bei der großen IG-Metall-Demo Ende Juni in Berlin trugen. Sie wurmt das anhaltende Gefälle bei der Arbeitszeit. Während im Westen seit den 1990er Jahren die hart erkämpfte 35-Stunden-Woche im Tarifvertrag steht, sind es im Osten immer noch 38 Stunden. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und seine regionalen Ableger wollen diese Zwei-Klassen-Regelung beibehalten. Der Verhandlungsmarathon hat gezeigt, dass die Zusage konstruktiver Gespräche über die »35« keine fünf Cent wert waren. Statt auf Illusionen in »Sozialpartnerschaft« stehen die Zeichen auf Klassenkampf. 30 Jahre nach dem Mauerfall wollen Metaller zwischen Ostsee, Erzgebirge und Werra die Diskriminierung nicht länger hinnehmen. Die IG Metall will nun per »Betriebsoffensive« und »Häuserkampf« die kampfkräftigsten Belegschaften für Haustarife mobilisieren und erhofft sich davon eine Signal- und Pilotwirkung. Beim anstehenden Gewerkschaftstag sind auch dabei kämpferische Töne zu erwarten, zumal die selbstbewusste IG Metall nicht als zahnloser Tiger dastehen will…” Beitrag von Hans-Gerd Öfinger vom 01.10.2019 beim ND online externer Link
    • Flächentarifvertrag: 35-Stunden-Woche bleibt für Metaller im Osten ein Traum 
      “Mehr als 15 Jahre hatte die sich die IG Metall dafür eingesetzt, dass die Arbeitszeiten in Ost und West angeglichen werden, jetzt gibt sie auf (…) Am späten Montagabend erklärte die IG Metall die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite für die Tarifgebiete Brandenburg, Berlin und Sachsen »in dieser Form als beendet«, wie eine Gewerkschaftssprecherin mitteilte. IG-Metall-Bezirksleiter Olivier Höbel kündigte an, die Gewerkschaft werde nun »Betrieb für Betrieb die Arbeitszeitverkürzung angehen«. Ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall sagte am Abend: »Wir bedauern, dass die IG Metall die Gespräche abgebrochen hat. Wir sind weiter zu Gesprächen bereit.« Damit konnte sich die Gewerkschaft mehr als 15 Jahre nach ihrem bis dahin letzten Versuch erneut nicht mit ihrem Ziel durchsetzen, die Arbeitszeiten in Ost und West anzugleichen und die 35-Stunden-Woche auch im Osten im Flächentarifvertrag zu regeln. (…) Zuletzt scheiterte die IG Metall mit einem Versuch der Angleichung im Jahr 2003. Auch im aktuell gültigen Manteltarif von Anfang 2018 sind weiter 38 Stunden festgeschrieben. (…) Dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall zufolge arbeiteten im Dezember vergangenen Jahres knapp 500.000 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie in den ostdeutschen Ländern. Tariflich beschäftigt waren davon ein Jahr zuvor 80.000.” Meldung vom 1. Oktober 2019 bei neues Deutschland online externer Link
  • Gruß von der Belastungsgrenze. Durch ostdeutsche Betriebe weht ein neuer Kampfgeist: Viele Junge wollen ihr Leben nicht der Maloche opfern 
    “… „Weißt du, was wir denen hier wert sind? Nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln!“ „Denen“, das sind die ständig wechselnden Manager, die immer wieder umstrukturieren, für die der Managerposten aber nur ein Durchlauf ist. Und die in der Politik, die nicht verhinderten, dass ihre Jobs nichts mehr wert sind. „Ich habe hier 1973 angefangen, ich kenne hier jedes Zahnrad. Aber niemand fragt uns, wenn es um Produktionsabläufe geht. Wir müssen ausbaden, was die da oben versemmeln.“ Schon mehrfach stand die Fabrik vor dem Konkurs, jedes Mal kämpften die Beschäftigten darum, dass es weitergeht. Sie verzichteten auf Löhne, machten Überstunden, hofften auf bessere Arbeitsbedingungen, wenn es wieder bergauf geht. Die Firma macht wieder Gewinn, doch der Dank bleibt aus. Stattdessen wechselt im Zweijahrestakt der Chef und damit immer wieder der Produktionsablauf. Viele sind müde (…) Doch hinter der Marke steht eine internationale Holding, der ursprüngliche Betrieb wurde in viele Einzelfirmen zerteilt. „Es war schon zu DDR-Zeiten etwas Besonderes, hier zu arbeiten“, erzählt ein Ingenieur und Betriebsratsmitglied. Doch trotz hoher Investitionen in die Firmengruppe am ostdeutschen Standort spüren die Beschäftigten davon nichts. Außer noch engeren Deadlines. Bei vielen ist die Belastungsgrenze erreicht, es keimt zunehmend Widerstandsgeist in der Belegschaft auf. „Wir haben hier davon gar nichts, wir machen alle dauerhaft Überstunden, uns wird erzählt, die Firma könne nicht anders – und gleichzeitig werden hier Millionen investiert“, sagt ein junger Angestellter. Tarifvertrag ist hier Tradition, genauso ein Betriebsrat auf Augenhöhe mit der Unternehmensführung. Der Frust der Angestellten ist dennoch groß. Die Arbeitsverdichtung trifft jeden, bis ins Familienleben, Burn-out ist kein Modewort, sondern Hauptgrund für einen hohen Krankenstand. Obwohl sich die meisten kennen, werden sie künstlich in Projektteams in Konkurrenz zueinander gesetzt. Statt zusammenzuhalten, steigt der Druck untereinander. Aber: Vor allem die Angestellten unter 40 sind nicht mehr bereit, diesen Preis dauerhaft zu zahlen. Nicht nur die vom Betriebsrat bewilligten Überstundenanträge liegen vielen schwer im Magen, die Wut richtet sich auf eine Zahl: 38. Denn noch immer müssen die Beschäftigten im Osten für das gleiche Geld drei Stunden mehr in der Woche arbeiten als ihre Kollegen im selben Unternehmen am westdeutschen Standort. (…) Die Firma plant das neue Hightech-Gelände. Die Beschäftigten den Aufstand. „Die Wende ist jetzt fast so alt wie ich, und wir sind immer noch Arbeiter zweiter Klasse!“, sagt ein junger Ingenieur. Er ist zwar schon lange Gewerkschaftsmitglied, aber war sonst nicht aktiv. Bis jetzt. Seitdem das Ziel der 35-Stunden-Woche steht, ist er derjenige, der mit einer Kollegin die Abteilung mit Gewerkschaftsflyern füllt, mit den Kolleginnen und Kollegen redet und in Mitgliederversammlungen das Wort ergreift, gegen den Arbeitgeber, aber auch gegen den Betriebsrat. „Es reicht!“ ist der Slogan der Kampagne. (…) Der erneut aufgeflammte Kampf für die 35-Stunden-Woche zeigt, dass die Zeit der gewerkschaftlichen Auseinandersetzung nicht vorbei ist, im Gegenteil. Vorbei ist jedoch der Glaube der ostdeutschen Belegschaften, dass jemand für sie kämpft. Nicht Idealismus treibt die Leute an, sondern der Frust, dass es Zeit wird, dass auch sie zählen. Einzelne Belegschaften haben sich gegen große Widerstände die 35-Stunden-Woche erkämpft und zeigen, dass es geht. Doch viele bleiben zurück. Nur, wenn wir mit ihnen gemeinsam für gerechtere Arbeits- und Lebensbedingungen auch im Osten kämpfen, nehmen wir den Rechten den Wind aus den Segeln.” Artikel von Katja Barthold vom 23.09.2019 in Der Freitag online externer Link, Katja Barthold ist Gewerkschaftssekretärin in Thüringen
  • Tarifkampf: Metaller im Osten fordern: “Arbeitsmauern niederreißen!” 
    “Seit dem 2003 abgewürgten Streik für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich in Ostdeutschland klafft die Frage der ungleichen Arbeitszeit wie eine „offene Wunde“. Nach der von einer demokratischen Volksbewegung erkämpften Wiedervereinigung Deutschlands haben Regierung und Monopole stets versucht, ungleiche Löhne und Arbeitsbedingungen in Ost- und Westdeutschland als Instrument zur Spaltung der Arbeiterbewegung zu zementieren. So gilt im Osten für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie immer noch eine tarifliche Arbeitszeit von 38 Stunden in der Woche – in vielen nicht tarifgebundenen Betrieben ist die Arbeitszeit sogar deutlich länger. Im Westen wurde die 35-Stunden-Woche nach dem großen Metallerstreik von 1984 stufenweise eingeführt – bei vollem Lohnausgleich. (…) Anlässlich der Verhandlungen fanden bzw. finden gestern und heute in einer ganzen Reihe von Betrieben Aktionen der IG Metall statt. So haben Kolleginnen und Kollegen bei Sumitomo DEMAG in Wiehe eine kleine Kundgebung vor dem Werkstor durchgeführt. Bei GKN Driveline im sächsischen Mosel dekorierte die Belegschaft den Werkszaun mit roten Aktions-T-Shirts. Die Betriebsräte aus den Werken in Kiel und Offenbach erklärten sich mit den Kolleginnen und Kollegen in Mosel solidarisch und bekräftigten, dass sie ebenfalls hinter der Forderung nach 35 Stunden pro Woche stehen. Bei Mahle in Wustermark forderte die Belegschaft: „Time to change. 35 reicht! Keine Zeit für neue Mauern.“ In Berlin versammelten sich die Kolleginnen und Kollegen von Siemens Mobility und forderten lautstark, die „Arbeitsmauer niederzureißen“…” Beitrag von bf vom 20. Juni 2019 bei Rote Fahne News externer Link
  • 30 Jahre Ungerechtigkeit: Aktionen für 35-Stunden-Woche im Osten 
    “Anderthalb Jahrzehnte war Arbeitszeitverkürzung in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie kein Thema. Nach dem desaströsen Streikabbruch 2003 war die 35-Stunden-Woche innerhalb der Gewerkschaft mit einem Tabu belegt. Jetzt ist sie zurück auf der Agenda: Dieser Tage finden in etlichen Betrieben unter dem Motto »Gerecht jetzt« Aktionen statt. Das ist auch höchste Zeit. Denn fast 30 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung kann man niemandem mehr erklären, warum Beschäftigte in ostdeutschen Metallbetrieben jede Woche unbezahlt drei Stunden länger arbeiten sollen als ihre Kollegen im Westen. Aufs Berufsleben gerechnet verbringen sie drei Jahre länger im Betrieb. Diese Ungerechtigkeit zu beenden hatte sich die IG Metall eigentlich schon in der vergangenen Tarifrunde vorgenommen – auf Druck von Gewerkschaftsaktiven aus Großbetrieben, die die Zustände in der IG Metall immer wieder zum Thema gemacht haben. Doch die Tarifvereinbarung vom Februar 2018 enthielt lediglich eine Gesprächsverpflichtung. Gesprochen wird seither, zuletzt am 3. Mai in Magdeburg. Doch herausgekommen ist dabei bislang nichts. Das, obwohl die IG Metall keineswegs radikal auftritt: Sie hat angeboten, die Arbeitszeitverkürzung in wirtschaftlich schwächeren Betrieben später wirksam werden zu lassen. Erst 2030 – in über zehn Jahren – soll die 35-Stunden-Woche demnach für alle Metallbelegschaften Ostdeutschlands gelten. Das ist wenig ambitioniert, für die Konzerne aber dennoch des Teufels. Sie wollen schließlich das Gegenteil: die weitere Ausweitung der Arbeits- und Betriebsnutzungszeiten, unter anderem durch eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes…” Kommentar von Daniel Behruzi bei der jungen Welt vom 8. Mai 2019 externer Link
  • Auch im Osten: 35-Stunden reichen
    Streit um die Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metallindustrie: Die Arbeitgeber wollen keinen verbindlichen tariflichen Zeitplan – sondern lieber betrieblich verhandeln. Wir bestehen auf einen Tarifvertrag und machen dafür Druck mit einer Aktionswoche in den Betrieben...” Aktionsseite der IG Metall externer Link und die Foto-Aktion der IG Metall: “35 – im Osten wie im Westen: Jetzt ist unsere Zeit!” externer Link
  • IG Metall fordert 35-Stunden-Woche für Ostdeutschland 
    “Die IG Metall macht erneut Ernst: Die Gewerkschaft fordert die 35-Stunden-Woche endlich auch im Osten des Landes einzuführen. 2003 war die IG Metall mit dem Vorhaben noch gescheitert. Aus den Betrieben bekomme man enormen Druck, die Ungleichheit zu beenden,” sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Gespräch mit der Leipziger Volkszeitung (…) Mit den Arbeitgebern in Ostdeutschland sei man bereits im Gespräch, sagt Bernd Kruppa, Chef der IG Metall Leipzig. Zwar könnten die manteltariflichen Bestimmungen erst 2020 gekündigt werden, aber die Gewerkschaft strebt noch für dieses Jahr konkrete Vereinbarungen über die Umsetzung ihrer Forderungen an. „Grundlage kann ein Modell von unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Bandbreiten sein“, sagt Kruppa. Er spricht von differenzierten Lösungen und neuen betrieblichen Gestaltungsspielräumen. Hintergrund sei ein enormer Wertewandel in den Betrieben. (…) Aus Befragungen wisse man, dass die Beschäftigten mehr freie Zeit für Familie und Beruf, Pflege oder Qualifizierung statt mehr Geld wollten. Allein bei BMW und Porsche haben 4400 Mitarbeiter diesen Wunsch geäußert. Insbesondere bei Beschäftigtengruppen mit besonderen Belastungen wie Schichtarbeiter wachse der Druck auf ihre Interessenvertreter. Neben dem Modell der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, sind auch ergänzende Tarifvereinbarungen bei Konzernbetrieben denkbar, erklärt der Leipziger Gewerkschafter. Soll heißen, dass man bei Porsche, BMW, Volkswagen sowie großen Zulieferern wie ZF Friedrichshafen oder Mahle vorangeht und hier als erstes die Angleichung der Arbeitszeiten durchsetzen will. Gleichzeitig strebe man Lösungen in der Fläche an. (…) Stark genug fühlt sich die Gewerkschaft, ihre Forderungen durchzusetzen. Die Zahl der Mitglieder wachse stetig. „Im Vorjahr gab es“, sagt Hofmann, „bundesweit über 133 000 Neuaufnahmen – der beste Wert seit der Jahrtausendwende…“ Beitrag von Andreas Dunte vom 23. März 2019 bei der Leipziger Volkszeitung online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139066

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