Mittwoch, 19. Februar 2020

[Getränke-Lieferdienst Flaschenpost] Das Lieferant*innen-Proletariat hat die Nase voll: Beschäftigte wollen Betriebsrat und faire Arbeitsbedingungen


Dossier

J'ai (très) mal au travail. Ein 90minütiger Dokumentarfilm über die moderne Arbeitsorganisation und ihre GefahrenEigentlich könnten es die besten Jobs der Welt sein, weil die Arbeit den Besuch im Fitness-Studio erspart und deshalb gerade bei Studierenden sehr beliebt ist. Aber Arbeit bleibt Arbeit, da müssen die Arbeitsbedingungen stimmen und die Bezahlung sowieso, und die sanitären Anlagen sollten gewissen Standards genügen. Nicht mal das scheint beim Unternehmen Flaschenpost der Fall zu sein. Zwar wollten die Flaschenpost-Mitarbeiter*innen, die zu einem offenen Austausch bei der Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten (NGG) im Gewerkschaftshaus erschienen waren, nicht alle Details bestätigen, die minutiös in einem siebenseitigen anonymen Schreiben ausgebreitet wurden, das auch an die Presse gelangt war. In einem Punkt herrschte allerdings Einigkeit: Die Herren-Toiletten befinden sich in einem katastrophalen Zustand, würden viel zu selten gereinigt. (…) Keineswegs vom Tisch ist der Vorwurf, dass Flaschenpost in den Sommermonaten die Klimaanlagen in den Transportern deaktiviert, um so den Spritverbrauch zu reduzieren. Und das, obwohl die Mitarbeiter*innen Getränkekisten mit einem Gesamtgewicht von einer Tonne teilweise in den 4. oder 5. Stock hochschleppen müssten. Beifahrer*innen gibt es nicht. Nach Einschätzung von NGG-Gewerkschaftssekretär Piet Meyer ist das Schreiben authentisch, vieles decke sich mit dem, was ihm Mitarbeiter*innen unabhängig voneinander in den letzten anderthalb Jahren geschildert hätten. Und da kommt einiges zusammen: Kein existierender „echter“ Betriebsrat, ein ungeheiztes Lager, nur 15 Minuten Pause bei acht Stunden Arbeitszeit, kaum eine Möglichkeit, in Vollzeit zu arbeiten. Die Beschwerden der Kund*innen nähmen zu, und der Druck lande bei den Fahrer*innen (weil beworbene Sonderangebote zu früh vergriffen sind). Es waren auch zufriedene Flaschenpost-Mitarbeiter*innen der Einladung gefolgt, die trotz allem einen Betriebsrat im Unternehmen wollen…”   Gastbeitrag von Frank Biermann vom 23.08.2019 bei Die Sperre externer Link – Münsters Magazin für Arbeit, Soziales & Kultur. Wir beobachten den Lieferdienst Flaschenpost schon seit einiger Zeit, doch (seltsamerweise?) sind bisher alle Beiträge darüber nur kostenpflichtig verfügbar gewesen – wir stellen sie dennoch (wie immer umgekehrt chronologisch) in einem Dossier zusammen und freuen uns über weitere Informationen:
  • Flaschenpost in Düsseldorf behindert Betriebsratswahl, kündigt acht Mitarbeitern – und erleidet erste Schlappe vor Gericht – Protestaufruf der NGG NRW New
    Union Busting bei Flaschenpost.de +++ Lieferdienst behindert Betriebsratswahl +++ Acht Mitarbeiter gekündigt +++ Die Wahl geht weiter – Arbeitsgericht schmettert Eilantrag ab +++ NGG erstattet Strafanzeige gegen Flaschenpost +++Jetzt zeigt Flaschenpost.de sein wahres Gesicht! Skrupellos und brutal versucht der Lieferdienst die Beschäftigten in seiner Düsseldorfer Filiale an der Wahl eines Betriebsrates zu hindern. Gleich acht Mitarbeiter erhielten zeitgleich die Kündigung – zuerst fristgerechte, danach fristlose. Das Unternehmen hat außerdem versucht, die Wahl gerichtlich zu stoppen – ohne Erfolg, weil das Arbeitsgericht Düsseldorf den Antrag im Eilverfahren abwies. Die NGG klagt derweil gegen die Kündigungen und hat Starfanzeige gegen die Geschäftsführer von Flaschenpost.de erstattet. Das alles geschah in nur einer knappen Woche. Alles deutet darauf hin, dass Flaschenpost.de mit den drakonischen Maßnahmen ein abschreckendes Exempel setzen will, um die Beschäftigten einzuschüchtern und die Wahl eines Betriebsrates im Keim zu ersticken. Denn: Die fristgerechten Kündigungen der acht Kollegen sind haltlos! Die Einstweilige Verfügung gegen die Wahleinleitung – sie ist lächerlich und wurde zurecht vom Gericht abgeschmettert! Die fristlosen Kündigungen gegen die acht Kollegen sind willkürlich und unbegründet! Und warum das alles? Nur weil es die Belegschaft von Flaschenpost.de in Düsseldorf gewagt hat, ein Grundrecht wahrzunehmen: Die Wahl eines Betriebsrates…” Pressemitteilung der NGG NRW vom 15.02.2020 externer Link und darin der Aufruf:
    • Unterstütze die Beschäftigten von Flaschenpost! Unterstütze die Kolleginnen und Kollegen von Flaschenpost.de! Zeige Dich solidarisch und hinterlasse einen Kommentar auf unserer Facebookseite externer Link oder sende eine Soli-Botschaft per Mail an nrw@ngg.net. Wir leiten Deine Nachricht an die Kolleginnen und Kollegen weiter. Du kannst aber auch Flaschenpost.de direkt Deine Meinung sagen: klicke hier, um Flaschenpost eine Nachricht zu schicken. Vor allem wenn Du Kunde von Flaschenpost bist, solltest Du mit Deiner Meinung nicht hinterm Berg halten! Besuche die Facebookseite von Flaschenpost externer Link und hinterlasse dort Deine Kommentare.”
  • Flaschenpost-Mitarbeiter erheben schwere Vorwürfe wegen Videoüberwachung 
    “… nun erheben Flaschenpost-Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen den Getränke-Lieferdienst. Frühere und aktuelle Mitarbeiter berichten von permanenter Videoüberwachung in den Logistikzentren. (…) Allein im Düsseldorfer Lager hängen laut diesen Aussagen mehrere Kameras in der Halle. „Die werden zur Überwachung der Mitarbeiter missbraucht“, sagt einer aus dem Unternehmen: „Die Halle ist in allen Ecken ausgeleuchtet und es wird auch aufgezeichnet.“ Die Bilder könnten auch in der Zentrale in Münster angeschaut werden. Piet Meyer von der Gewerkschaft NGG ist alarmiert: „Sollte dies der Fall sein, ist diese Spionagemethodik auf das Schärfste zu verurteilen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Flaschenpost begründet den Einsatz mit dem Schutz vor Einbrüchen und Diebstählen. „Ein Zugriff auf diese Daten ist nur in begründeten Ausnahmefällen und mit vorheriger Genehmigung des Datenschutzbeauftragten möglich“, sagte eine Sprecherin der Zeitung. Die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter würden nicht ausgewertet…“ Beitrag vom 09.10.2019 bei Der Westen online externer Link, siehe die Original-Meldung der Rheinischen Post im Presseportal externer Link
  • Ärger bei den Lieferdiensten “Flaschenpost” und “Foodora”Bei den Lieferdiensten “Flaschenpost” und “Foodora” gibt es Unruhe in der Belegschaft. Mitarbeiter und die Gewerkschaft NGG beklagen schlechte Arbeitsbedingungen. Es geht um fragwürdige Pausenregelungen und mangelnde Hygiene. “Überlastungsanzeige“ heißt der offene Brief, den eine Gruppe von Flaschenpost-Mitarbeitern im Juli an ihre Unternehmensleitung gerichtet hat. Die Rede ist unter anderem von abgeklemmten Klimaanlagen in den Lieferwagen, verdreckten Sanitäranlagen, zu hohem Zeitdruck für die Mitarbeiter und zu kurzen Pausen. Die Unternehmensleitung von “Flaschenpost” widersprach am Dienstag (20.08.2019) den Vorwürfen und bedauerte das anonyme Schreiben. Das Betriebsklima läge dem Unternehmen besonders am Herzen. Alle Mitarbeiter seien kranken- und rentenversichert, ihr Arbeitsgerät werde vom Unternehmen gestellt und gesetzliche Pausenregelungen würden eingehalten…” WDR-Beitrag vom 20.08.2019 externer Link – Tenor: “Wir brauchen u.a. eine komplette Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, damit Betriebsratsgründungen bei Plattformen erleichtert werden”
  • [Münster] Prekäre Arbeitsbedingungen: Flaschenpost: Weiter Kritik an sanitären AnlagenZum offenen Austausch lud die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten die Mitarbeiter der Lieferdienste Foodora und Flaschenpost ein. Dabei ging es um Arbeitsbedingungen und die Gründung von Betriebsräten. Die Kritik am schlechten Zustand der sanitären Anlagen im münsterischen Unternehmen Flaschenpost steht im Raum. Auch dass Fahrer bei Hitze mit ihren Transportern ohne Klimaanlage unterwegs sein müssen, um Sprit zu sparen, ist einer von zahlreichen Vorwürfen, die mutmaßliche Mitarbeiter des Getränkelieferanten Flaschenpost in Münster in einem anonymen Schreiben an ihre Chefs geäußert haben (wir berichteten [WN+] externer Link). Mit diesem Brief hätten sie nichts zu tun, sagten am Dienstag einige Beschäftigte des Getränke-Lieferdienstes bei einem Gespräch im Gewerkschaftshaus. Piet Meyer von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte dazu sowohl Mitarbeiter des Lieferdienstes Foodora als auch der Flaschenpost eingeladen. Der Gewerkschaftssekretär betonte, dass ihm die Verfasser des Briefes an die Flaschenpost nicht bekannt seien, dennoch hielt er das Schreiben für authentisch. Der Inhalt decke sich mit seinen Erfahrungen: Seit über einem Jahr werde ihnen von Mitarbeitern der Flaschenpost die prekäre Situation im Unternehmen geschildert. (…) Aus ihrer Praxis berichteten Beschäftigte der münsterischen Flaschenpost. Aaron Remus beispielsweise ist seit zweieinhalb Jahren mit einem 450-Euro-Job für den Getränkelieferanten tätig. Zweimal pro Woche arbeitet er neben seinem Studium für das Unternehmen. „Ich kann hier nur für mich sprechen“, machte er deutlich. „Ich würde die Situation nicht als menschenunwürdig bezeichnen.“ Gleichwohl bemängelt Remus, für den die Bezahlung und die sportliche Herausforderung im Job eine Rolle spielen, die Zustände in den sanitären Anlagen. (…) Die Arbeit wird nicht wertgeschätzt, bemängelte ein Mitarbeiter der Flaschenpost, dabei hätten sie kürzlich an heißen Tagen rund 1200 Getränkekisten in rund fünf Stunden bewegt. Florian Wieners kam auf ein Bonussystem im Unternehmen zu sprechen, das seiner Meinung nach nur den Konkurrenzkampf fördert…” Artikel von Gabriele Hillmoth vom 20.08.2019 bei Westfälischen Nachrichten online externer Link
  • [Dortmund und Düsseldorf] Nach anonymem Schreiben: So geht es den Dortmunder Fahrern von „Flaschenpost“ wirklich – ein Insider berichtetDie Arbeitsbedingungen beim Getränkelieferservice „Flaschenpost“ sind offenbar nicht in allen Städten gleich. Ein Fahrer berichtet: So ist es in Dortmund – und so in Düsseldorf…” Artikel von Gaby Kolle vom 30.07.2019 bei den Ruhrnachrichten online externer Link (im Abo)
  • [Dortmund] Dramatische Missstände bei „Flaschenpost“? Die Fahrer schlagen AlarmSchnelles Wachstum auf Kosten der Mitarbeiter? In einem anonymen Brief an die Geschäftsleitung klagen Mitarbeiter des Lieferdienstes „Flaschenpost“ über die Arbeitsbedingungen…” Artikel von Gaby Kolle vom 28.07.2019 bei den Ruhrnachrichten online externer Link (im Abo)
  • Getränkelieferdienst: Flaschenpost setzt trotz Kritik weiter auf WachstumIn einem Medienbericht wird dem Liefer-Startup vorgeworfen, unseriös zu arbeiten. Flaschenpost reagiert mit Expansionsplänen und will bald den Break-even erreichen. Mehr als 20 Millionen Euro hat das Münsteraner Startup Flaschenpost seit der Gründung 2016 eingesammelt, darunter von prominenten Investoren wie Cherry Ventures und Vorwerk Ventures. Nun steht der Getränkelieferservice in der Kritik. Spiegel Online berichtet (Paywall) von defekten Klimaanlagen, unzufriedenen Mitarbeitern und genervten Kunden.  Rund 1.700 Fahrer, Lagerkräfte und Büromitarbeiter seien derzeit bei dem Startup beschäftigt, wie die Geschäftsführer Stephen Weich und Christopher Huesmann im Gespräch mit Gründerszene und NGIN Food erzählen. Probleme wie eine kaputte Heizanlage im Lager sowie fehlende Kühlgeräte in einigen der Fahrzeuge seien den Chefs bewusst gewesen und wurden nach eigenen Angaben sofort behoben. Für Logistikunternehmen ist es oft eine Herausforderung, genügend Fahrer zu finden und sie zu halten. Flaschenpost könne sich daher nicht erlauben, seine Kuriere auszubeuten, sagen Weich und Huesmann…” Newsartikel von Lisa Ksienrzyk vom 22. Februar 2019 bei Gründerszene externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153636

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