Samstag, 2. März 2019

Hollande und Macron töteten seinen Vater. Kultur Édouard Louis ruft in seinem neuen Buch die strukturelle Gewalt der Klassengesellschaft in Erinnerung


Édouard Louis: Wer hat meinen Vater umgebracht. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2019Es sind Sätze, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen: »Jacques Chirac und Xavier Bertrand machten deinen Darm kaputt«, »Nicolas Sarkozy und Martin Hirsch haben dir das Rückgrat gebrochen« und »Hollande und El Khomri haben dir die Luft genommen«. Und selbstverständlich bekommt auch der aktuelle französische Präsident sein Fett weg: »Emmanuel Macron stiehlt dir das Essen direkt vom Teller.« Édouard Louis’ neues Buch »Wer hat meinen Vater umgebracht« nennt Ross und Reiter; es ist das literarische Antlitz der Gelbwesten-Proteste. Die genannten französischen Politiker seien für die Zerstörung des Körpers seines Vaters verantwortlich, so Louis. Präsident Chirac und sein Gesundheitsminister Bertrand streichen 2006 die Erstattung für Medikamente gegen Verdauungsstörungen, was gravierende Folgen für den Vater Louis’ hat. Durch einen Arbeitsunfall an das Bett gefesselt, ist er auf diese Medikamente angewiesen. Nun muss er sie von dem ohnehin zu knappen Geld selbst bezahlen. In der Regierungszeit von Sarkozy wird die Sozialhilfe durch das RSA (»Einkommen für aktive Solidarität«) ersetzt. Ähnlich wie beim deutschen Hartz IV werden Menschen gedrängt, auch unzumutbare Arbeiten aufzunehmen. Als Straßenfeger muss sich der Vater für 700 Euro im Monat krumm machen – trotz seiner ruinierten Wirbelsäule. Hollande und seine Arbeitsministerin El Khomri lassen 2016 eine Novelle des Arbeitsrechts verabschieden. Nun kann der Vater gezwungen werden, jede Woche noch ein paar Überstunden abzuleisten. Schließlich kürzt Macron die Wohnungsbeihilfe um fünf Euro. Begründung der Regierung: Fünf Euro seien doch unerheblich. »Sie haben keine Ahnung«, kommentiert Louis. Der 26-jährige französische Autor räumt sein Motiv für das neue Buch freimütig ein: »Ich möchte ihre Namen in die Geschichte einschreiben, das ist meine Rache.«…” Besprechung von Guido Speckmann in ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis – Nr. 646 vom 19.2.2019 externer Link von Édouard Louis: Wer hat meinen Vater umgebracht. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2019 externer Link

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