Donnerstag, 21. März 2019

Der Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G hat rein wirtschaftspolitische Gründe

Im Interesse der Industrie


Das hat es noch nicht gegeben: An diesem Dienstag beginnt eine Auktion, an der ausschließlich Bieter teilnehmen, die die Versteigerung verhindern wollten. Die vier Telekommunikationskonzerne Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica (O2) und United Internet (1&1) schicken ihre Vertreter nach Mainz, um sich Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G zu sichern. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rechnet dabei mit Erlösen in Höhe von drei bis fünf Milliarden Euro für den Staat.
Tatsächlich soll 5G eine enorme Geschwindigkeitssteigerung bei der Datenübertragung gegenüber dem bisherigen Standard 4G ermöglichen. Vernetzte Fabriken, selbstfahrende Lkw, die digitalisierte Landwirtschaft und Medizin benötigen enorme Datenmengen.
Was die Telekomkonzerne ärgert, sind indes nicht die absehbaren Preise der einzelnen Frequenzen. Zur Zeit der New-Economy-Goldgräberstimmung, als die Frequenzen für den damals neuen UMTS-Standard (3G) versteigert wurden, wanderten 99,4 Milliarden D-Mark über den Ladentisch. Die Bieter stören sich jetzt an den Auflagen der Bundesnetzagentur. Sie müssen bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen und Zugstrecken durchgängig mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Außerdem ist eine Möglichkeit zu Roaming (Öffnung des Netzes für Konkurrenten) vorgesehen, und Neueinsteiger - in diesem Fall United Internet - erhalten Ausnahmen von den Verpflichtungen. Während den Platzhirschen Telekom, Vodafone und Telefónica die Regeln zu weit gehen, gehen sie United Internet nicht weit genug. Das zuständige Kölner Verwaltungsgericht lehnte indes in der vergangenen Woche alle Eilanträge ab und ließ durchblicken, dass die Klagen auch in der Hauptverhandlung chancenlos sind.
Die großen Drei möchten maximal lukrative Bedingungen für ihre absehbaren Milliardeninvestitionen. Dies erklärt, warum sie vor Gericht zogen, obwohl sie sich in den Debatten der vergangenen Monate weitgehend durchgesetzt haben. Die Bundesnetzagentur verlangt weder einen flächendeckenden Ausbau noch eine generelle Öffnungspflicht der Netze für die Konkurrenz (nationales Roaming). Bei Letzterem gibt es lediglich ein Verhandlungsgebot: In einzelnen Gegenden mit besonders großen Funklöchern muss der Platzhirsch mit der Konkurrenz über die Nutzung seiner Infrastruktur sprechen. Weigert er sich, kann die Bundesbehörde als Schlichter auftreten.
Ein nationales Roaming wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert. Und Länder wie Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz mit viel unbewohnter Fläche, die schon derzeit viele Funklöcher haben und durch 5G noch mehr abgehängt werden dürften, sowie zahlreiche Politiker von Grünen, Linkspartei und CSU fordern einen Ausbau ohne weiße Flecken. Der Bürgermeister von Abensberg und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl (CSU), hat deshalb sogar die Schaffung eines öffentlichen Netzbetreibers ins Gespräch gebracht.
Letztlich kam bisher aber nur eine Minimallösung heraus: ein lokales Roaming und das auch nur als Option. Doch noch ist nichts endgültig beschlossen. Notwendig ist nämlich dafür eine Änderung des Telekomgesetzes, die die Bundesregierung noch nicht auf den Weg gebracht hat. Offenbar gibt es Kontroversen im Kabinett und auch quer durch die Koalitionsparteien.
Einig ist sich die Politik lediglich darüber, dass zügig mit dem Aufbau der 5G-Netze begonnen werden soll. Schnelles Internet, so das Hauptargument, entscheide zunehmend über Wettbewerbsfähigkeit; andere Länder in Europa und Asien seien dabei, die Bundesrepublik abzuhängen. Oder wie es in einem aktuellen Aufruf der vier größten deutschen Wirtschaftsverbände vom Wochenende heißt: »Essentiell für den Standort Deutschland ist eine belastbare digitale Infrastruktur aus Glasfaser- und 5G-Netzen.«
Und was hat der private Nutzer von 5G? Fast nichts, meinen Experten. Eventuell könnte der Standard bei Massenveranstaltungen, wo sich viele gleichzeitig ins Netz einloggen, benötigt werden. Trotz der gestiegenen Datenmengen etwa durch Video-Streaming ist 4G für Smartphonenutzer ausreichend - nur müssten dort die Geschwindigkeiten erhöht und die Netze dichter geknüpft werden. Das aber ist für die Betreiber nicht lukrativ genug; sie könnten von staatlichen Stellen dazu auch nicht verpflichtet werden.
Auch spielen die Sorgen vieler Bürger bezüglich der Gefährlichkeit von elektromagnetischer Strahlung in der Debatte keine Rolle. Der 5G-Ausbau würde mit deutlich mehr Mobilfunkmasten einhergehen - allein die Telekom will ihre Standorte verdoppeln. Lokal bilden sich Bürgerinitiativen, die auf Studien verweisen, die die Gesundheitsgefahren zu belegen scheinen. Es gibt auch Studien mit anderen Ergebnissen. Nichtsdestotrotz plädieren rund 400 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland für einen Stopp des Ausbaus.
Danach sieht es indes nicht aus, zumal die Wirtschaft auf 5G drängt. Oder wie es Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur, gerade noch einmal deutlich machte: »Wir wollen Frequenzen zur Verfügung stellen, mit denen lokale Netze genau nach dem Bedarf der Unternehmen aufgebaut werden können.«
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