Sonntag, 21. Januar 2018

Michael D. Eschner im taz Interview: Tu was du willst, sei das ganze Gesetz!

Tu, was du willst, sei das ganze Gesetz!

Ein Gespräch mit dem Satanisten "Guru" Michael Eschner, der sich auf die Lehren Aleister Crowleys beruft, über die Ausbildung zum "Mittelklasse-Magier"
Rudolf Stoert/ taz 26.10.1988
Das "New Age" stürzt mit einer Unzahl von Wischi-Waschi -Befreiungstheorien auf uns herein, deren inspirierende Atmosphäre der eines Friedhofs gleicht; Holismus (buuh!), Netzwerke (biodynamischer StrickerInnenstammtisch), Channeling (jeder Hausfrau ihren brabbelnden Dämon), bewußte und gesunde Ernährung (Nichtraucher! kill'em!) und "New Age" -Musik (das reine Grauen akustischer Senilisierungsversuche!) - das "Wassermann-Zeitalter" scheint vor allem eines zu versprechen: gähnende Langeweile.

I: Aleister Crowley

"We place no reliance
On virgin or pigeon
Our method is science
Our aim is religion."
(Onkel Aleister)
Am 12.Oktober 1875 gebar eine Anhängerin einer englischen Quäker-Sekte ihren Sohn, der später als "Das große Biest", als übelster Schwarzmagier und Satanist bekannt werden sollte: Aleister Crowley. "Er war homosexuell, heterosexuell, vermischte Dämonismus mit Perversität, er masturbierte und bestieg Berge - Erstbesteigungen im Himalaya zum Beispiel, die ihn in den Fachkreisen zu einer Autorität machten, er reiste unglaublich viel (Nordamerika, Afrika, China, Japan, Indien, Marokko, Mexiko, Tibet undundund), war Großwildjäger, Entdecker und schrieb "schlechte" Gedichte - am besten sind seine obszönen Verse, er hatte wirklichen Sinn für Humor, war rauschgiftsüchtig und ein exzessiver Trinker, spielte meisterhaft Schach, war ein "erste-Klasse-Amateurwissenschaftler" und einer der höchsten Eingeweihten in Yoga und Magick." (Robert Anton Wilson)
S.L.Mathers führte Onkel Al, wie er von einigen wenigen liebevoll genannt wird, am 18.November 1898 in den "Hermetic Order of Golden Dawn" ein; eine esoterische Gesellschaft, zu deren Mitgliedern auch Florence Farr (die Freundin von G.B.Shaw), Arthur Machen, Bram "Dracula" Stoker und W.B.Yeats zählten. Dort erhielt Crowley seine magische Grundausbildung, fiel jedoch bald unangenehm auf, da er einen unbeugsamen Charakter besaß, untolerablen Privatvergnügungen nachging und übermäßiges Interesse an den dunkleren Seiten der Magie zeigte. Es kam zum Bruch; Crowley und die Ordenshäupter führten magische Angriffe gegeneinander.
Zunächst jedoch erlebte der frisch Vermählte 1904 das entscheidende Ereignis seiner weiteren Entwicklung: Am 8., 9.und 10.April wurde ihm in Kairo das Gesetz des "Neuen Äons": "Thelema" (griech.: Wille) und "Do what thou wilt shall be the whole of the law", "Love is the law, love under will" durch eine höhere Intelligenz namens Aiwass geoffenbart. Das Liber Al, dem sowohl die Überschrift als auch die einzelnen Zitate entstammen, gilt als die Bibel (deutsch: "Das Buch des Gesetzes" der thelemitischen Bewegungen).
Rabelais erwähnt "Do what thou wilt" erstmals in seiner Beschreibung einer thelemitischen Abtei ("Gargantua und Pantagruel"). Der "Hell Fire Club" (korrekt: "Abbey of Saint Francis"), einer der einflußreichsten satanistischen Clubs im England des 18.Jahrhunderts, kopierte Rabelais; über ihrem Altar prangte es: "Tu, was du willst." Zwar hatte Crowley Rabelais gelesen, und auch der "Hell Fire Club" war ihm nicht unbekannt, doch stritt er einen Einfluß auf das ihm offenbarte Wissen immer ab. Eher irdische Einflüsse waren nicht so leicht abzustreiten; Crowley selbst erklärte, er habe für die Zeitung 'International' des deutschen Agenten George Sylvester Viereck geschrieben. 1914 in den USA nannte er diese Tätigkeit jedoch "dem Rahmen seiner Arbeit als Doppelagent des britischen Geheimdienstes zugehörig". Dies wäre ein typisches Beispiel für Onkel Als Humor, für beide in paranoider Weltsicht verharrende Geheimdienste zu arbeiten und sein eigenes Spiel sowohl gegen die englische als auch die deutsche Bürokratie zu treiben. Die zuständigen Verwaltungsstellen teilten seinen Sinn für derbe Späße offenbar nicht: "Das Tier 666" hatte lange Zeit Aufenthaltsverbot für England, und auch Frankreich und Belgien wiesen ihn später aus.
Crowleys Verbindungen zu Deutschland wurden auch seiner Mitgliedschaft im "Ordo Templi Orientis" (O.T.O.) von Theodor Reuss zugeschrieben, es wird und wurde über eine Vernetzung mit den Spitzen der späteren NS-Regierung spekuliert. Der O.T.O. glaubte sich im Besitz einer Geheimlehre, und Theodor Reuss wurde entsandt, Onkel Al zu maßregeln, als man entdeckte, daß dieser in seinen Schriften über dieses Geheimwissen plauderte. Es stellte sich dann heraus, daß Crowley die esoterische Doktrin nicht kennen konnte, da er die entsprechende Einweihung durch den O.T.O. noch nicht erhalten hatte. Aufgrund dieses Mysteriums wurde Crowley zum "Outer Head of Order" (O.H.O.) ernannt - 1912 für England, 1925 international. Das Geheimwissen? - Gnostisch-tantrische Sexualmagie. Die Verbindung zum Nationalsozialismus? - Hitler verbot den O.T.O. und Karl Germer, der Nachfolger Crowleys als O.H.O., wurde ins KZ gebracht.

II: Thelema in Deutschland

Auch die italienischen Faschisten schienen von Onkel Als Treiben nicht sonderlich angetan: Am 1.November 1923 wurde er von Mussolini des Landes verwiesen, in dem er drei Jahre zuvor in Cefalu, Sizilien, die erste thelemitische Abtei gegründet hatte.
"Das Tier 666", "Das Große Biest" - Crowley selbst spielte mit dem Image des Satanisten; nicht zuletzt auch seiner Anhänger wegen, deren haltloses Vertrauen in ihren Guru es zu erschüttern galt. (Ähnliche Techniken wendete zum Beispiel auch Don Juan Matos gegenüber Carlos Castaneda an.) Folgerichtig baut Crowleys magisches System auf Skeptizismus auf: "Beginnen wir damit, jede Feststellung anzuzweifeln. Finden wir einen Weg, jede Feststellung dem Test des Experiments zu unterwerfen" (Book 4). Er führte über jede seiner magischen Operationen Buch, um sie experimentell überprüfbar zu machen. Gleiches verlangte er von seinen Schülern. "Nachläufer würde er verachten und ablehnen. Er wünscht sich eine unabhängige und selbstbewußte Studentenschar, welche ihre eigenen Forschungsmethoden ausführt".
So ist es wohl zutreffend, was R.A.Wilson sagte: "Die einzige Funktion, sowohl von Crowleys Magick als auch von Learys Neurologie, tibetanischem Tantra und John C.Lillys Metaprogrammierungstheorie, ist, mit alternativen Glaubenssystemen und Weltmodellen zu experimentieren, um die Intelligenz von der Fessel einer einzigen, somit einschränkenden Betrachtungsweise zu befreien. Moderne Physiker haben das zum Beispiel ebenfalls entdeckt, als sie auf die Quantenenergie stießen, bei der Zusammenhänge und Abläufe so komplex sind, daß man eben mehr als ein Modell braucht, um einen Sinn in die ganze Angelegenheit zu bekommen."
Es gibt eine Unmenge narrativen Materials über Leben und Werk Crowleys; an dieser Stelle sei deshalb auf Verlag und Buchhandlung Richard Schikowski verwiesen - denn : Eine weitere thelemitische Vereinigung ist die "Fraternitas Saturni". Sie übernahm das Motto - "Liebe ist das Gesetz. Liebe unter Willen" - und vereinbarte während eines geheimen Konzils in Thüringen mit Onkel Aleister (bei ihnen "Meister Therion"), dem Gesetz für Deutschland eine erweiterte Form zu geben: "Mitleidlose Liebe".


In der Monatszeitschrift des Ordens, 'Blätter für angewandte okkulte Lebenskunst', werden denn auch Thesen und Ritualbeschreibungen (Liber Stellae Rubeae: "Auch soll er ein junges Kind auf dem Altar töten, und das Blut soll den Altar mit Geruch wie von Rosen bedecken") des "Großen Biests" abgedruckt, und Gregorius A.Gregorius erläuterte in mehreren Artikeln das Gesetz des Neuen Zeitalters: Thelema. Ja, und der Verleger der F.S. war Richard Schikowski.
Eine wesentlich jüngere thelemitische Gruppe - O.T.O., G.D. und F.S. sind inzwischen zersplittert und heillos zerstritten, wer denn nun im Besitz des geistigen Erbes sei - ist das "Netzwerk Thelema e.V.", das ebenfalls in der Tradition von Crowleys Lehre arbeitet. Das scheint - damals wie heute - permanenten Ärger mit der Justiz und eine sagenhaft schlechte Presse zu implizieren. Der letzte Prozeß gegen die Thelemiten fand im vergangenen Winter statt und wurde von einer Flut von Artikeln in den Print-Medien begleitet, deren Gemeinsamkeit in Unverständnis und dem Versuch bestand, mit Schaum vor dem Mund "das Geifern der Gegenaufklärung" zum Verstummen zu bringen.
Das folgende Interview mit dem Guru des Netzwerkes, Michael D.Eschner, wurde in der tiefsten Lüneburge Heide geführt, wo - wie mir besorgte Freunde ("Crowley? Der Satanist?") mitteilten - schon immer die bösesten Hexen und die schärfsten SSler gehaust hätten.

III - Michael Eschner. Das Netzwerk Thelema

taz: Welchen Ausbildungsweg habt ihr?
Michael Eschner: Was ich für wichtig halte, ist, eine umfassende Grundlage zu schaffen. Deswegen arbeite ich in allen Gruppen in den unteren Stufen an Asana (lange unbewegt sitzen), Pranayama (Atemtechniken) und Meditation (Konzentration). Was die meisten mehr interessiert, also Tarot, Astrologie etc., das kommt dann erst sehr viel später.
taz: Also in erster Linie Körperarbeiten?
MDE: Ja, sicher. Bioenergetik, Yoga, Massagen, Do-In ..., all diese Methoden, die die Leute erst mal brauchen, um eine Körperbeziehung zu finden, die Verspannungen zu lockern.
taz: Die thelemitische Lehre heiligt den Körper und zielt letztlich auf "Sex-magick", richtig?
MDE: Nun ja, die Körperarbeiten, die das erste Jahr beherrschen, sind ja fast nur allgemeine Grundlagen, die haben nun nichts mit Sexualmagie zu tun. Mit Arbeiten im sexualmagischen Bereich würde ich nicht vor dem dritten Jahr beginnen, da vorher neben den körperlichen Qualitäten ja auch die geistigen fehlen;
die persönliche Einstellung, die Imaginations- und Konzentrationsfähigkeit ..., das spielt da alles mit hinein.
taz: Die Ausbildung würde also drei Bereiche umfassen: den Körper zu lockern, um die Energie fließen zu lassen; vormagische Übungen wie Imaginations- uned Konzentrationsfähigkeiten - wobei Letzteres sicher auch schon durch die Körperarbeit trainiert wird ...
MDE: Ja, das kann man nicht so trennen ...
taz: ... und als drittes: das Brechen der Konditionierung, auch bekannt geworden als Ekeltraining.
MDE: Glückstraining.
taz: Nun, das Ekeltrainung hat den Thelemiten doch die freundliche Beschäftigung durch die Presse beschert. Die Idee, die dahinter steckt, ist doch die, das Ich zu brechen?
MDE: Brechen ist der falsche Ausdruck ...

IV. Das konditionierte Ich, Persönlichkeitserweiterung

taz: Von Reich und verschiedenen anderen psychologischen Theorien her gibt es eine Verpanzerung des Ichs zu konstatieren, die sich auf der muskulären und somatischen Basis, aber auch in semantisch-sozialen Konditionierungen zeigt. Diesen Panzer gilt es zu brechen. Soweit ich das "Ekeltraining" verstanden habe, besteht die Prüfung darin zu tun, was einem zuwiderläuft ..., eben auch das Essen der eigenen Exkremente ...
MDE: Auf den unteren Ebenen ist es so, daß man versuchen muß, die verfestigten Strukturen aufzubrechen, während diese Prüfungen bei denen, die weiter sind, länger dabei sind, keinen Wert haben.
taz: Für gewisse Herrschaftsstrukturen muß es ja eine Herausforderung sein, wenn man sich mit diesen Techniken der Konditionierung auseinandersetzt. Es gibt keine einzige positive Stimme im deutschen "Blätterwald".
Für gewisse Herrschaftsstrukturen muß es ja eine Herausforderung sein, wenn man sich mit diesen Techniken der Konditionierung auseinandersetzt.
MDE: Nein. Es wird immmer von Bestrafen geredet, und dann werden auch die Daumenbisse angeführt. Die Daumenbisse haben innerhalb des Glückstrainings nur den einen Zweck, Bewußtheit zu schaffen, man paßt eben ein bißchen mehr auf. Der Rest der Prüfungen innerhalb des Glückstrainings hat überhaupt nichts mit Bestrafungen zu tun, sondern es handelt sich um Entscheidungen, die innerhalb der Ausbildung hochkommen; es werden gewisse Schranken entdeckt, die werden besprochen, und dann überlegt man, wie man diese Begrenzungen angehen kann, und letztlich entscheidet dann der Betreffende, ob er es nun direkt tut oder ob er noch Zeit braucht. Irgendwann hat es jeder hinter sich.
MDE: Schau dir doch die Geschichte all derer an, die im Kontakt mit höheren Erleuchtungsstufen standen: Die hatten alle ihre eigenen Vorstellungen über Moral, Ethik, Gesetze und Strafen etc. Das Problem liegt doch eher darin, wieviel Prozent der Bevölkerung auf einen anderen Bewußtseinslevel kommen. Auf dem jetzigen, denke ich, ist ein Staat nötig - ich meine, das ist doch rekursiv: Wer einen Staat braucht, wird ihn bekommen. Wenn jedoch ein Großteil der Bevölkerung einen höheren Bewußtseinslevel erreicht hat, wird sich, denke ich, die Idee des Staates überlebt haben. Er wird dann womöglich in einer Form weiterexistieren, die der der Amtskirchen ähneln wird: Einige Leute fühlen sich bei denen immer noch wohl, die haben auch noch einen gewissen Einfluß, ihre frühere Autorität jedoch haben sie eingebüßt.
taz: Dann würden zum Beispiel auch "die Autonomen" zu dieser Entwicklung beitragen?
MDE: Das Interessante scheint mir, daß sie dieses soziale Bürokratenbewußtsein inklusive toter Theorie eher ablehnen und stattdessen handeln. Alles Tun verändert das Bewußtsein; insofern denke ich schon, daß bei ihnen ein Potential liegt. Und abgesehen davon, die Idee, sich einen eigenen Raum zu schaffen, in dem man selbstbestimmt leben kann, sich nichts von einem Staat gefallen zu lassen - diese Idee ist durchaus thelemitisch.
... sich einen eigenen Raum zu schaffen, in dem man selbstbestimmt leben kann, sich nichts von einem Staat gefallen zu lassen - diese Idee ist durchaus thelemitisch.
taz: Genesis P.Orridge (Ex-"Throbbing Gristle", nun "Psychic TV" und "Temple of Psychick Youth"), der sich unter anderem intensivst mit Crowley und traditioneller Magie beschäftigt hat, sagt, es wäre heutzutage überholt, mit Symbolen, Kräften wie Zauberstab, Tarot, Kelch und Robe zu arbeiten; die zeitgemäßen Waffen wären Computer, Videorecorder und Synthesizer, "Elektronische Magie".
MDE: Das ist auch nicht falsch. Es gibt diese neuen Mittel, die traditionellen Methoden wirken aber auch. Für den einen ist es sinnvoller, wenn er mit einem derartigen Symbol wie dem Zauberstab arbeiten kann, für den anderen ist der Zauberstab ein Synthesizer ...
taz: Videocamera ...
MDE: Gut, Videocamera. Man darf halt nicht den Fehler machen anzunehmen, daß die Methode, die für mich wirksam ist, auch bei jedem anderen zu positiven Resultaten führt.
taz: In einem deiner Kommentare werden Massenkommunikationsmittel, explizit der Computer, als "Kriegswaffen" bezeichnet.
Während der Ausbildung verlange ich von jedem, daß er Programmieren lernt, aus dem simplen Grund, weil dort logisches Denken trainiert wird, was die meisten ja nie gelernt haben, und der Computer hierbei direktes Feedback gibt.
MDE: Computer sind nicht unbedingt diese Kriegsmittel. Denkt man zum Beispiel weiter, an die Entwicklung telepathischer Fähigkeiten beim Menschen, dann bekommt diese ganze Informationsfrage einen vollkommen anderen Stellenwert. Dabei würde dann auch der Computer so gut wie keine Rolle mehr spielen, denn dieses reine Faktenwissen, das ein Computer verarbeiten kann, das wäre dann qualitativ völlig nutzlos.

 az: John C.Lilly behauptet, ihm wäre offenbart worden, daß nun die Entscheidung anstehe zwischen Computern, elektronischer Intelligenz einerseits und telepathischen Kräften, biologischer Intelligenz andererseits.
MDE: Diese Entscheidungsfrage sehe ich nicht. Wir benutzen Computer zu verschiedenen Zwecken. Während der Ausbildung verlange ich von jedem, daß er Programmieren lernt, aus dem simplen Grund, weil dort logisches Denken trainiert wird, was die meisten ja nie gelernt haben, und der Computer hierbei direktes Feedback gibt. Zum anderen haben wir verschiedene Computerprogramme für die Entwicklung telepathischer (zum Beispiel Hellsehen) und telekinetischer Fähigkeiten (zum Beispiel das Bewegen von Objekten durch mentale Kraft). (Interessant hierbei vielleicht, daß auch das Pentagon mit ähnlichen Versuchen experimentiert: die Interkontinentalraketen telekinetisch zu überwachen, damit die Störanfälligkeit elektronischer Systeme für gegnerische Interventionen ausgeschaltet wird. d.A.) Und auch neuro -linguistische Problemstellungen und Spiele kann mehr sehr gut am Computer trainieren.
taz: Ich denke, daß Lilly den Unterschied zwischen den Grundvoraussetzungen für die aktive Existenz von elektronischen beziehungsweise biologischen Systemen herausstellen wollte.
MDE: Gut, wenn ich mein Leben mit einem Computer identifiziere ... Wenn ich bewußt mit diesem Gerät umgehe, wüßte ich nicht, inwiefern der Computer der Entwicklung von Spiritualität entgegenstehen sollte. Ich denke, das Problem liegt darin, daß die wenigsten Leute begreifen, was ein Computer ist, wie er funktioniert, wo seine Grenzen sind. Und daß sie nicht an ihm arbeiten können und von daher irgendwelche unbestimmten Ängste - wie allem Neuem oder Fremdem gegenüber - haben. Angst, sich vereinnahmen zu lassen.

VI. AIDS

taz: Das Liber Al zielt ebenso wie Sexmagick auf eine Heiligung des Körpers. Sexualität aber hat heute den üblen Beigeschmackt von Aids.
MDE: Ich bin der Meinung, man entscheidet selbst darüber, welche Krankheiten man hat. Von daher sehe ich keinen großen Bezug zu Aids.
taz: Nun, Aids wird durch Sex übertragen ...
MDE: Sicher, wer das Problem hat, sollte mit Sex sehr vorsichtig sein, damit er sich nicht Aids zuzieht. Wer aber das Problem nicht hat, nun, den betrifft es nicht. Ich werde von Gruppen, zum Beispiel in Berlin, immer wieder gefragt: 'Was sollen wir jetzt machen mit/gegen Aids?' Denen sage ich, daß sie selbst wissen müssen, wie und ob sie mit ihren Krankheiten umgehen können. Wenn sie meinen, sie seien fit genug, mit allem fertig zu werden, dann kann es ein gutes Training sein, sich Aids zu holen - und vielleicht war dies dann eine falsche Entscheidung.
taz: Elisabeth Kübler-Ross betrachtet Aids als die große Chance, endlich Bewußtheit zu erlangen, um dann in den Himmel einzugehen. Verstehst du Ähnliches unter diesem "Training"?
MDE: Kaum. Wenn ich fünf Stunden Asana sitzen will, ohne mich zu bewegen, und wenn mir das gelingt, dann weiß ich, daß ich einen ganz bestimmten Körperzustand erreicht habe. Genauso ist es mit Krankheiten. Ich denke, bevor man sich auf Aids einläßt, sollte man sich vielleicht bei einigen einfacheren Virenkrankheiten vergewissert haben, wie weit man ist. Wenn man die gut in den Griff bekommt, denke ich, ist Aids dazu kein großer Unterschied.

VII: Frauen

taz: Der 'Spiegel' brachte vor geraumer Zeit (1/88) mal einen Bericht über Pornographie. Ich zitiere: "Und die Propaganda der Pornographie hat (...) drei Schwerpunkte. Sie empfiehlt den Drogengenuß, weil er Hemmungen aufhebe (und) Genußfähigkeit steigere. Sie preist die Prostitution." Das kommt uns doch bekannt vor ... (("Lieber Al": "(...) Zu meiner Verehrung nehmt Wein und seltene Drogen (...) und berauscht euch daran. (...) Die Zurschaustellung der Unschuld ist eine Lüge", II, 22. "Verschleiert eure Laster nicht mit tugendhaften Worten, diese Laster sind mein Dienst. Ihr tuet recht und ich will euch hier und hernach belohnen", II, 52. "Doch sie (die "Scharlachhure", d.A.) erhebe sich in Stolz! (...) Sie sei laut und ehebrecherisch! (...) Und sie sei schamlos vor allen Menschen!", III, 44))
MDE: Ja.
taz: Die wieder aufgekommene Diskussion über Pornographie ist von 'Emma' gestartet worden. Haben Feministinnen - im Gegensatz zum Al - ein eher verqueres Verständnis der Frauenrolle?
MDE: Nein, es gibt sicher einige, deren Analysen ich in der Tat verquer finde - Sigrid, kannst du noch 'nen Kaffee kochen? - und es gibt andere, von denen ich annehme, sie würden das Al unterschreiben. Was bei feministischer Polarisierung - zwischen Mann und Frau - grundsätzlich vernachlässigt wird, ist die Beobachtung, daß bei Interaktionen immer beide Geschlechter beteiligt sind. Es ist unmöglich, einen Streit zum Beispiel alleine zu führen. Nichtsdestotrotz institutionalisieren bestimmte feministische Theorien das der Gesellschaft innewohnende System des falschen Interpunktierens, sprich der Schuldzuweisung. Es wird einfach nicht erkannt, daß Interaktionen zirkulär sind.
taz: Das Al sagt, die Frau habe ihre eigenen Waffen zu entwickeln ("Die Frau sei vor mir mit dem Schwert gegürtet", Al III, 11). Welche Rolle haben also die Frauen bei den Thelemiten?
MDE: Bei uns hat sich herausgeschält, daß Frauen in ganz bestimmten Positionen einfach absolut führend sind und daß Männer, die vergleichbare Arbeit leisten, nicht annähernd an Entwicklungsgeschwindigkeit und Ergebnisse herankommen. Es gibt eigentlich keinen Bereich, in dem bei uns Männer arbeiten, in dem Frauen nicht wenigstens ebenso gut sind.
taz: In welchen Bereichen sind Frauen offensichtlich die Besseren? In organisatorischen oder eher in praktischen?
MDE: In praktischer Entwicklungsarbeit! Ach so, ja, in den rein intellektuellen Bereichen wie Kabbala interpretieren, Psychologie, theoretische Modelle aufstellen, führen die Männer. Im Bereich der praktischen magischen Arbeit, der Anwendung parapsychologischer Fähigkeiten jedoch sind ganz eindeutig die Frauen führend. Es gibt bei uns zwar auch einige Männer, die dieses Feld bearbeiten, doch deren Methode und deren Ergebnisse beziehungsweise Informationen sind sehr viel begrenzter.
Wir haben beispielsweise einen Kontakt zu einer anderen Ebene, wir empfangen Informationen. Wenn ich nun einen Typ da ransetze, erklärt der den Frauen ganz genau, was geschehen ist. Das Ergebnis ist dann, daß bei den Frauen keine gehaltvollen Informationen mehr ankommen, weil sie den Schwachsinn des Typen glauben. Das hat eben was mit der Begrenztheit des Intellekts zu tun, mit Strukturierung, der permanenten Suche nach Kategorien ...

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