Montag, 17. Dezember 2012

Versuch eines kommunistischen Standpunkts zum Bürgerkrieg in Syrien

Westerwelle, Außenminister der BRD, ist Konstrukteur der künftigen Unterwerfung Syriens unter die Interessen des deutschen Imperialismus. Der Plan heißt: „The Day After“. Er wurde Ende August von den syrischen Schützlingen Westerwelles im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt und bezieht sich so wie der ähnlich lautende Filmtitel auf den Tag nach einer gigantischen Katastrophe. Ohne eine solche Katastrophe kein Tag danach, und an dieser Katastrophe für das syrische Volk arbeitet das Auswärtige Amt seit Monaten tatkräftig. Wie die deutsche Außenpolitik zündelt und dabei die inneren Widersprüche in Syrien nutzt, das ist u.a. Inhalt des im Folgenden abgedruckten Referats, das Ende Juli 2012 auf dem Sommercamp „Anton Makarenko“ der KAZ gehalten wurde. Nach der Veranstaltung „The Day After“ in Berlin lud Westerwelle syrische Oppositionelle sowie 60 Vertreter aus Ländern aus aller Welt in den „Weltsaal“ des Auswärtigen Amtes ein, um sie gemeinsam mit einer Staatsministerin der Vereinigten Arabischen Emirate auf „Freiheit und Demokratie für Syrien“ einzuschwören. Und er forderte eine „gemeinsame Plattform aller oppositionellen Gruppen, die sich der Demokratie, der Toleranz und dem Pluralismus verschrieben haben“. Was ist daran für Westerwelle so wichtig? In der Zerstrittenheit dieser „Oppositionellen“ spiegeln sich die Widersprüche unter den Imperialisten. So berichtet z.B. das Hamburger Abendblatt am 30.08.12 über die Zusammenarbeit von Frankreich und Großbritannien zur Syrien-Krise – ohne Deutschland – und schreibt: „Derweil mehren sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Gruppierungen der syrischen Oppo- sition, die im In- und Ausland mit Worten oder Waffen für den Sturz des Regimes kämpfen. Radikale Islamisten warfen den Muslimbrüdern vor, gemeinsam mit französischen Diplomaten an einem Sze- nario zu arbeiten, das die Bildung einer Übergangsregierung unter Einbindung des ehemaligen Assad- Vertrauten Manaf Tlass vorsehe.“ Westerwelle hat also allen Grund, sich über die fehlende „Einigkeit der Opposition“ Sorgen zu machen. Syrien als Schlachtfeld des deutschen gegen die anderen Imperialisten – das ist nicht nur eine Katastrophe für die Menschen in Syrien, sondern eine weitere Gefahr für den Frieden auf der Welt. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Zeitung wissen wir nicht, ob es Krieg von Imperialisten gegen Syrien geben wird, und wir wissen nicht, wie sich dann die BRD dazu verhält. Wir wissen nur: Ihr „Friede“ ist aus demselben Stoff wie ihr Krieg. Hände weg von Syrien! Keine „friedliche“ oder militärische Einmischung! KAZ-Arbeitsgruppe „Zwischenimperialistische Widersprüche“ Wie fast alle hier wissen, bin ich in der Frage Syrien doppelt beschäftigt. Zum einen als syrischer Staatsbürger aus einem kommunistischen Hause in dritter Generation, Teile meiner Familie befinden sich in diesem Land und müssen ihr Leben dort klar kriegen. Zum anderen als deutscher Kommu- nist, der sich Sorgen um den Weltfrieden macht, angesichts der sich zuspitzenden Widersprüche der imperialistischen Mächte im Rahmen der Wirt- schaftskrise und aufgrund der geostrategisch wich- tigen Lage der Region. Dieses Referat werde ich in zwei Teile unterglie- dern: zum einen die syrische Perspektive auf die Situation und zum anderen die Rolle unserer deut- schen Imperialisten, die gut verstrickt sind. Ich werde einige historische Grunddaten des modernen Syrien schnell erwähnen, um ein Verständnis von dem Land und seinen nationalen Besonderheiten zu vermitteln. Zu Beginn des vergangen Jahrhunderts befand sich Syrien unter osmanischer (türkischer) Besatzung. In dieser Zeit beginnt die feudale Gesellschaft ihren Niedergang. Vermehrt setzt sich das Warengesetz in allen Lebensatmosphären des syrischen Volkes durch. Auch die deutschen Imperialisten zeigen In- teresse an dem Gebiet des von ihnen halbkoloniali- sierten Osmanischen Reichs. Der deutsche Kaiser besucht Damaskus und verkündet seine Freundschaft mit den muslimischen Völkern unter dem Osmani- schen Kalifat. Der deutsche Imperialismus versucht seine Interessen in zwei wesentlichen Punkten durch- zusetzen. Einmal die Bagdad-Bahn und, viel wich- tiger, das osmanische Reich und damit auch Syrien in seinem ersten Anlauf zur Weltmacht für sich zu gewinnen. Das Ergebnis dieses ersten Anlaufes des deutschen Imperialismus war die Niederlage für ihn und seine Verbündeten. In dieser Zeit wachsen in der Türkei und in den arabischen Regionen türkische und arabische Nationalbewegungen. Während es der türkischen Bewegung gelingt, eine souveräne Türkei zu errichten, werden die arabischen Nationalbewe- gungen von den imperialistischen Gegnern Deutsch- lands unterstützt und später von diesen ehemaligen „Freunden“ besetzt. Syrien und Libanon fallen unter französisches Mandat, es wird leicht industrialisiert, die kapitalistische Warengesellschaft setzt sich durch. Auf rechtlicher Ebene wird ebenfalls reformiert. In Syrien bildet sich eine Kommunistische Partei, wobei sich die antikoloniale Bewegung nicht um die KP formiert. Die KP formiert im Jahr 1938, unter Teil- nahme liberaler Kräfte, eine breite antifaschistische Volksfront (in Syrien formiert sich beispielsweise die Syrische sozialnationalistische Partei, eine pro-itali- enische faschistische Partei). Mit dem Überfall auf die Sowjetunion verändern die syrischen Kommu- nisten ihre Position zum französischen Besatzer. Diese sind Partner im antifaschistisch-antideutschen Kampf. Die Partei verübt Angriffe auf die deutsche Botschaft in Beirut und Damaskus. Syrien wird kurz- zeitig von dem prodeutschen französischen Vichy- Regime besetzt und innerhalb kurzer Zeit mit Un- terstützung der Briten befreit. Syrien erlangt seine Unabhängigkeit, wird Teil der Anti-Hitler-Koalition und Gründungsmitglied der UNO. Syrien und Libanon erlangen getrennt ihre Un- abhängigkeit und Syrien erlebt eine kurze Zeit des bürgerlichen Parlamentarismus. Ab 1951 beginnt jedoch eine Welle von Putschen, der letzte bringt 1970 Assads Vater an die Macht. In dieser Phase vereinigen sich Syrien und Ägypten unter Gamel Abdel Nasser für drei Jahre und spalten sich wieder. Nasser führt eine Landreform durch und verstaatlicht die Industrie. Die Baath-Partei (also die arabisch- nationalistisch „sozialistische“ Partei) putscht 1963 gegen das liberale Regime, in den folgenden sieben Jahren putschen die Baathisten untereinander, bis Assad an die Macht kommt. Die Baathisten führen erneut die Landreform und eine Verstaatlichung durch. Bei den Putschen handelt es sich um Ausei- nandersetzungen innerhalb der Baath-Partei zwi- schen Rechten und Linken. Die Rechten sympathi- sieren mit dem deutschen Blutsnationsbegriff, die Linken eher mit dem französischen Nationsbegriff. Aber auch um die „soziale Frage“ wird gekämpft, die Linien sind nicht so klar. So fällt das Urteil über Assads Flügel unterschiedlich aus. Bei einigen Au- toren handelt es sich um einen rechten (Anhänger der Blutsnationtheorie wie bei Achcar), bei anderen um einen linken (Anhänger der sozialen Reform wie bei Patrick Seale, einem britischen Assad-Freund). Jedenfalls bringt Assad für die Syrer ein Gefühl der Stabilität. Bis Ende der 1970er gibt es keinen einzigen Putsch. Erst Ende der 1970er, Anfang der 1980er beginnen die Islamisten zu rebellieren. Dem gescheiterten Versuch einer islamistischen Revolu- tion entspricht die Entwicklung in der gesamten Region, der sich kennzeichnenden Niederlage der kommunistischen Linken und der falschen Hoff- nungen in den arabischen Pan-Nationalismus. Die- ser hatte in Syrien und im Irak seine letzten Hoch- burgen. Ökonomisch gesehen sind die Träger dieses Protestes die Kleinhändler, Angehörige der studen- tischen Intelligenz, Kleinproduzenten sowie im Hintergrund Teile der syrischen Bourgeoisie, die mit dem Auslandskapital verbunden sind. Der ara- bische Nationalismus bringt dem Land einen mas- siven „Sozialisierungsschub“, sodass selbst Kleinst- produzenten verstaatlicht werden. Das treibt diese Schichten in einen Widerspruch zur herrschenden Klasse Syriens. Die kleinbürgerlichen Islamisten verüben in dieser Zeit verschiedenste Terrorakte gegen Baathisten, Kommunisten, Liberale und wis- senschaftliche Kräfte, aber auch gegen Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten. Der Höhe- punkt dieses islamistischen Terrors ist der Aufstand in Hama 1982. Ich gehe deswegen darauf ein, weil er aktuell in Diskursen verwendet wird, um die Brutalität des syrischen Regimes zu demonstrieren. Nach Augenzeugenberichten aus dem Freundeskreis meiner Eltern und Berichten von syrischen Kom- munisten haben die Islamisten in Hama in gewohn- ter Manier baathistische, kommunistische und sä- kulare Frauen auf offener Straße vergewaltigt und ermordet. Auch die Männer wurden ermordet. Das Regime reagiert mit äußerster Brutalität auf den gescheiterten Aufstand, neben dem Einsatz von Panzern und der Bombardierung der Stadt von außerhalb wird die Stadt mit der „weißen Waffe“ (Messer) von männlichen potenziellen Islamisten gesäubert! Dies geschieht alles in einer Zeit, zu der die internationalen Verhältnisse für das syrische Regime ungünstig sind. Israel marschiert in den Libanon ein, zusätzlich besteht ein antisyrisches Bündnis aus dem baathistischen Irak, der PLO und Teilen der libanesischen Armee. Die Türkei und Jordanien üben ebenfalls Druck auf Syrien aus. Der ausländische Druck und der Aufstand im Inneren erzwingen eine solche mörderische und brutale Unterdrückung in Hama. Die Auswirkungen sind verheerend für das politische Leben in Syrien. Die politischen Parteien und die Zivilgesellschaft bre- chen bis Ende der 1990er, Anfang der 2000er zu- sammen. Hier beginnen ein neues politisches Leben und Schritte von linken, kommunistischen, libera- len und teils islamischen Einzelpersonen zur Wie- derbelebung der Zivilgesellschaft. Es entsteht eine Bewegung von Intellektuellen, die öffentliche Dis- kussionsclubs und Unterschriftensammlungen mit Forderungen nach Ende der führenden Rolle der Baath-Partei, freiem Versammlungs- und Vereini- gungsrecht, der Gründung von freien Gewerkschaf- ten und weiteren progressiven Forderungen orga- nisieren. 2003 kommt es dann auch zu einer Spal- tung der anti-revisionistischen und regierungstreu- en Kommunistischen Partei Syriens. Die Spaltung wurde von 1.000 Kommunisten bald schriftlich unterstützt. Ab 2000 beginnt die entscheidende Phase der wirtschaftlichen Liberalisierung. Private und ausländische Banken werden zugelassen, die Subventionen von Lebensmitteln und landwirt- schaftlichen Produkten werden aufgehoben, etc. etc. Die Linien der drei syrischen Kommunistischen Parteien in Regierung und Opposition stimmen darin miteinander überein, die nationale Souverä- nität gegen den Imperialismus zu verteidigen, und zwar nicht nur gegen den US-Imperialismus, son- dern auch gegenüber seinen europäischen Varian- ten, sowie die neue ökonomische Linie der Regie- rung abzulehnen. Diese Linie wurde in der Volks- kammer an den Beispielen der Euromediterranen Union praktiziert, aber auch in der Reform des Arbeitsgesetzes und außerparlamentarisch in Un- terschriftensammlungen gegen Privatisierungen und in der Solidarität mit den wenigen streikenden Ar- beitern Syriens. So viel zur Geschichte des moder- nen Syrien, nun zum Aufstand selber: Ich werde aufgrund des Zeitmangels mit Thesen arbeiten. These 1: In Syrien herrscht die nationale Bour- geoisie seit 1963 mit der Baath-Partei. 1972 wurde ein antiimperialistisches Bündnis zwischen Ver- tretern der nationalen Bourgeoisie, in verschiede- nen organisatorischen Formationen, unter Führung der Baath-Partei, mit Einbezug der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, der Syrischen Kommunistischen Partei, geschlossen. Die nationale Bourgeoisie hat nicht nur den US- Imperialismus aus dem Land gejagt, sondern auch den französischen Imperialismus. Aber vor allem hat das Baath-Regime auf die Industrialisierung des Landes gesetzt und so die Existenz einer vom Imperialismus unabhängigen syrischen Bourgeoi- sie ermöglicht. Projekte waren z.B. die Elektrifi- zierung des gesamten Landes, Schaffung einer leichtindustriellen Basis (Chemie [z.B. Zement, Medikamente], Erdöl und -gasindustrie [Raffine- rie], Lebensmittelindustrie, Textilindustrie und Herstellung und Zusammenbauen von Haushalts- geräten [z.B. Kühlschränke]) und die Bildung einer Lebensmittelsouveränität. These 2: Mit der sich kennzeichnenden Nie- derlage des sozialistischen Lagers beginnt ein Pro- zess der langsamen Öffnung und Liberalisierung des syrischen Marktes für die imperialistischen Staaten, z.B. Kooperationen mit dem französischen Total-Konzern in der Erdölindustrie. Die Libera- lisierung erreicht mit dem neuen Präsidenten ab 2000 eine neue Qualität. Syrien öffnet die Türen für Kapitalexport in Form von Banken und Unter- nehmen, diese haben jedoch keinen großen Ein- fluss auf die Wirtschaft. Nach Daten des syrischen Investitionsministeriums betragen die gesamten ausländischen Investitionen in Syrien etwa fünf Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes. Es geht in diesem Prozess um die Verbesserung der Bedingungen für die eigene Bourgeoisie. So soll mit der wirtschaftlichen Liberalisierung Kapital entbürokratisiert in den syrischen Markt gelangen und syrische Unternehmer unterstützen. In diesem Rahmen werden auch die Rechte der Arbeiterklas- se massiv angegriffen. Der Anteil der syrischen Arbeiterklasse sinkt von 40 Prozent auf 33 Prozent innerhalb von vier Jahren zwischen 2004 und 2008, das ist ein Verlust von 20 Prozent. Im Endeffekt gibt es einen massiven Reallohnverlust. Die neue Wirtschaftspolitik basiert auf einer Krise des staat- lichen Wirtschaftssektors in Form von massiver Korruption und der daraus resultierenden Unwirt- schaftlichkeit. These 3: Verlierer der neuen wirtschaftlichen Politik sind neben der Arbeiterklasse auch die Bauern. Hier werden die Bedingungen für land- wirtschaftliche Kredite aufgrund von Bankenkon- kurrenz schwieriger, die früher zu günstigen Be- dingungen von landwirt- schaftlichen Genossen- schaftsbanken vergeben wurden. Die Subventio- nen für die landwirt- schaftliche Produktion werden im Rahmen der Bemühungen zur Kredit- aufnahme beim IWF ge- strichen. These 4: Der Gewin- ner der neuen Wirt- schaftspolitik war die Großbourgeoisie aus Handel und Industrie um den Präsidenten. These 5: Die objektiven Gründe für den Aufstand im März des vergangen Jahres liegen in der neuen Wirtschaftspolitik, der Verarmung der breiten Mas- sen aus Arbeitern, Bauern, Kleinproduzenten und Handwerkern. Hinzu kommt die politische Unfrei- heit. Träger des Protestes rekrutieren sich aus Bau- ern und den sozialen Zwischenschichten. Die Ar- beiterklasse hat sich trotz massiver Angriffe daran beteiligt, zumindest bis März diesen Jahres. These 6: Entsprechend der sozialen Zusammen- setzung aus Bauern und den sozialen Zwischen- schichten, die kein revolutionäres Programm besit- zen, formulierten sich ökonomisch inhaltsleere Forderungen nach der formalen Demokratisierung des Landes. Diese Forderungen ließen sich aufgrund der Zurückhaltung der syrischen Arbeiterklasse durch einen Teil der syrischen Bourgeoisie für die imperialistischen Ziele lenken. Die heutigen For- derungen nach einer Flugverbotszone sowie einer Pufferzone im Norden und Süden des Landes und einer ausländischen Intervention sind Ausdrücke der Unfähigkeit dieser Bewegung ihr Programm für die gesamte syrische Nation durchzusetzen. These 7: Der syrische Staat verteidigt sich mit brutalsten Mitteln gegen die Aufständischen, die Aufständischen verteidigen sich ebenfalls mit bru- talsten Mitteln gegen das Regime und seine An- hänger. Es herrscht eine Pattsituation im nationa- len wie internationalen Kräfteverhältnis, sodass weder die eine noch die andere Seite den Bürger- krieg für sich entscheiden kann. These 8: Eine politische innersyrische Lösung ist angesichts der Pattsituation die einzige Lösung der Krise. Wer dies nicht zur Kenntnis nimmt und dementsprechend handelt, wird zwangsläufig un- tergehen. Anders ausgedrückt, wer heute auf seiner radikalen Position beharrt und z.B. keine echten Reformen umsetzt oder die Parole „Sturz des Re- gimes“ verteidigt, wird bald von den Massen ver- lassen! Das Regime hat aufgrund der Machtver- hältnisse bessere Karten. These 9: Der syrische Staat hat Schritte für Re- formen unternommen, z.B. die Einbürgerung der staatenlosen Kurden, die Abschaffung der führenden Rolle der Baath-Partei, eine neue Verfassung und eine Regierung der kleinen nationalen Einheit. Auf seiten der offiziellen Opposition gibt es nur Radi- kalität zum Sturz des Regimes unter allen Bedin- gungen und mit allen Mitteln. Dieser Weg hat sich angesichts der internationalen Kräfteverhältnisse, insbesondere durch die Rolle der Russischen Föde- ration und der sozialistischen Volksrepublik China, als illusorisch erwiesen. Dazu kommt die Unfähig- keit der syrischen offiziellen Opposition zur Selbst- kritik und Gewinnung von neuen Schichten durch soziale und neue politische Forderungen oder For- mulierung eines umstürzlerischen Programms, an dem sich breite Teile des syrischen Volkes sammeln können. Mit Terror wird kein System und auch kein Regime stürzen. Syrien hatte bereits in den späten 1970er und frühen Achtzigern den islamistischen Terror teuer überstanden. Nun zu einigen wenigen Aspekten, bevor ich noch auf die Rolle Deutschlands eingehe. Zu allererst möchte ich die Kräfteverhältnisse innerhalb des Regimes ansprechen. Ich nehme dazu das Beispiel der neuen syrischen Verfassung. An- dere mögen meinen, es ist nicht des Papiers wert, ich sage, man kann anhand dieses Papiers die Kräf- everhältnisse innerhalb des Regimes einsehen. Die neue Verfassung brachte nicht nur die formale Ab- schaffung des Sozialismus (der in Wirklichkeit ja nie bestand) und die Einführung von Pluralität bei den Wahlen, sondern verbesserte auch die rechtliche Lage der Arbeiterklasse. So gibt es in der Verfassung drei Punkte: Einmal die Wiedereinführung des Streikrechts als Verfassungsrecht für die Arbeiter- klasse, ein Recht, das 1968 durch die Baathisten und die Gewerkschaftsführer abgeschafft wurde. Zum Zweiten die Verankerung noch zu vermitteln- der Mindestlöhne, die per Verfassungsrecht an die Inflationsrate angepasst werden müssen. Drittens der Auftrag einer jeden syrischen Regierung, an der sozialen Sicherheit und ihrer Vereinbarung mit der Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums fest- zuhalten. Diese Verfassungsrechte und -pflichten zeigen, dass in der syrischen herrschenden Klasse weiterhin an dem Bündnis mit der Arbeiterklasse festgehalten wird und an ihrem politökonomischen Anti-Imperialismus nicht zu rütteln ist. Die Wahlen haben dies auch gezeigt: Neben der Erstarkung der Baath-Partei erstarkten auch die Kommunistischen Parteien in ihrer Summe. Hatten die Kommunisten früher sieben Sitze (verteilt auf zwei Parteien) von 250 Sitzen, so haben sie heute 14 Sitze (verteilt auf drei Parteien) von ebenfalls 250 Sitzen. Die oppo- sitionelle Kommunistische Partei, unter dem Namen „Volkswille Partei“, erringt drei Sitze. Ihr Bündnis- partner erringt 2 Sitze. Die offizielle KP erhielt acht Sitze, die zweite offizielle KP erhielt drei Sitze. Ent- scheidend ist aber die Bildung der Regierung, dort gelang es der oppositionellen KP einen Minister für Inlandshandel und Verbraucherschutz, gleichzeitig als stellvertretenden Ministerpräsidenten für Wirt- schaftsfragen zu entsenden. Dann komme ich zur Frage der Massaker in Syrien, die letztendlich als Kriegsbegründung ge- nutzt werden. Hier zeigen die deutschen Medien unzensiert Bilder von Kinderleichen, um das deut- sche Volk für einen möglichen Krieg zu sensibili- sieren. An Beispielen von Hama, Al-Hula und Tremseh wird deutlich, dass diese Massaker medial benutzt werden, um UNO-Beschlüsse zu erzwingen. Alle diese Massaker fanden ein paar Tage vor einer wichtigen Sicherheitsratssitzung zu Syrien statt. Eine Regierung, die sich so verhält, ist entweder blöd oder selbstmörderisch. Am Beispiel Al-Hula berichteten selbst die deutschen Leitmedien wie die FAZ, natürlich erst Tage nach der Sicherheitsrats- sitzung, dass die syrische Version der Ereignisse eher der Wahrheit entspricht. Demnach wurden vermeintliche und tatsächliche Anhänger des Regi- mes von sektiererischen Terrorbanden massakriert. Ich muss persönlich sagen, dass ich von den vielen Bildern von getöteten Kindern, Leichenschändun- gen, Foltervideos und vielem mehr, die auf Youtube unzensiert zu finden sind, emotional abgehärtet wurde und angeekelt bin. Auch in Tremseh hieß es zuerst, es seien unbewaffnete Zivilisten. Jedoch musste die Untersuchung der UNO-Mission die offizielle syrische Version bestätigen. Es handelte sich um ein Lager einer Einheit der Freien Syrischen Armee (FSA), die wenige Stunden zuvor syrische Militäreinheiten tödlich angegriffen hatte. In den Fällen Al-Hula und Tremseh, den schänd- lichsten Massakern, konnte die UN-Mission der syrischen Regierung keinen Vorwurf machen. Selbst im Falle des türkischen Flugzeugs stimmte zum Teil die syrische Version der Ereignisse. Demnach, das mussten türkische Militärs zugeben, drangen die drei türkischen Kampfflugzeuge mehrmals in syrische Hoheitsgebiete ein und wurden aber nicht von der syrischen Luftabwehr abgeschossen, sondern der Pilot starb im Flugzeug in Reaktion auf die aufgereg- ten syrischen Sicherheitskräfte, die mit ihren Geweh- ren geschossen haben. Die türkische Militärführung befahl dem Co-Piloten das syrische Hoheitsgebiet zu verlassen. Ihm gelang es nicht und er stürzte in syrischem Gewässer ab! Der Zweck dieses Militär- einsatzes war die Provokation, wie es die Frankfur- ter Rundschau bestätigt. Trotz allem ist die NATO nicht gewillt einen Krieg in Syrien anzuzetteln. Die Rolle des deutschen Impe- rialismus in der Syrien-Krise Wenn ich die Linie des deutschen Imperialismus in der unmittelbaren Syrien-Krise analysieren will, so stelle ich fest, dass es sich um zwei Linien han- delt. Fest mache ich dies vor allem an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem Thinktank des deutschen Imperialismus. Aus diesem Haus stammen zwei Studien von Anfang März zum Um- gang mit der Syrien-Krise. Die eine Studie aus dem Nahost-Experten-Team der Stiftung riet zur Vermei- dung einer Gewalteskalation und einer ausländi- schen, letztendlich deutschen, Intervention. Hier- nach stehe eine große Mehrheit des Sicherheitsap- parats Syriens hinter dem Präsidenten, die Freie Syrische Armee bilde trotz ihres Wachstums keine ernstzunehmende Bedrohung für das Regime. Die weiteren Entwicklungen dürften in einen ethnischen Bürgerkrieg münden. Die weitere Militarisierung des Aufstandes wird das die Kräfteverhältnisse vor Ort nicht wesentlich verändern, sondern die Anzahl der zivilen Opfer steigen lassen. Deutschland solle die Isolation des Regimes, auch im Inland, betreiben. Auf der anderen Seite der deutschen Strategen ste- hen, auch aus dem Haus der SWP, die Experten für Sicherheitspolitik. Diese sind Anhänger einer aus- ländischen Intervention, letztendlich mit deutscher Beteiligung. Nach dieser Forschungsgruppe sei eine militärische Intervention in Syrien kein Versagen der Politik, sondern elementarer Bestandteil der Politik. Bei der Beurteilung der UNO zu den Ereig- nissen in Syrien, es handle sich um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, ergebe sich auch ohne UN-Mandat eine Möglichkeit für eine militärische Intervention. Die Stimmung in den imperialistischen Staaten sei zwar „einsatzmüde“, aber die allgemei- ne Position für eine „berechtigte“ Intervention sei vorhanden. In der Studie werden Kriegsszenarios vorgestellt. In einem Artikel von German Foreign Policy1 wird ein Herr Voigt (SPD), ehemaliger Ko- ordinator der Bundesregierung für deutsch-ameri- kanische Zusammenarbeit, zitiert. Herr Voigt sagt, es handle sich in Syrien nicht um „Menschenrech- te versus Diktator“ und man müsse das ganze aus „machtpolitischem Blickwinkel“ betrachten. In ähnlicher Manier argumentierte Hans-Christof Kraus in der FAZ. Er wisse, dass es nicht darum gehe, der „bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen“, sondern um „geostrategische Erwägun- gen“ und „Machtpolitik“. Zur Debatte in Deutsch- land sagte er: „Vor allem in Deutschland scheint die Unkenntnis, mit der diese Auseinandersetzung derzeit diskutiert wird, grenzenlos zu sein.“ Weitere Belege für Differenzen innerhalb der deutschen Bourgeoisie sind die mediale Berichter- stattung. Während die allgemeine Linie vom Zeigen bewegender Bilder von massakrierten Kindern und Zivilisten bestimmt wird, um das deutsche Volk und die fortschrittlichen Kräfte zu verblenden, gibt es hiervon immer wieder Ausnahmen. Wer genau die Berichterstattung in der FAZ zum Massaker in Al- Hula verfolgte, wo letztendlich das syrische Regime von dem Massaker freigesprochen und den Rebel- len zugeschoben wurde, der wird vom Vorhanden- sein einer zweiten Linie innerhalb der deutschen Bourgeoisie überzeugt sein. Weitere Beispiele sind der Spiegel, wo über mordende FSA-Einheiten in Homs berichtet wird, oder die Berichte der Frank- furter Rundschau zum Vorfall mit den türkischen Militärflugzeugen und über die Begrüßung der Jour- nalisten in den „befreiten“ Grenzübergängen durch die Al-Qaida Maghreb. Oder selbst die in der ARD entdeckten manipulierten Videos aus Homs. Kurz, die deutsche Bourgeoisie ist gespalten in Bezug auf einen möglichen Krieg gegen Syrien, bzw. sie ist differenzierter. Es handelt sich um zwei ergänzende Strategien. Das mag die deutsche scheinbare, relative Zurückhaltung in Sachen Sy- rien begründen, wenn man dies mit den Kriegsge- bärden durch Sarkozy und seinen „sozialistischen“ Nachfolger Hollande vergleicht, ebenfalls die ver- bale Bereitschaft Großbritanniens und der USA zu einer militärischen Intervention in Syrien und deren offenkundige Unterstützung der offiziellen syrischen Opposition. Die deutsche Bourgeoisie mag in Sachen einer militärischen Intervention in Syrien etwas diffe- renzierter sein, sie ist aber nicht handlungsunfähig oder ein Friedensengel. Sie stimmt mit den anderen westlichen Imperialisten in der Zielsetzung, das syrische Regime zu stürzen, aus den verschiedens- ten Gründen überein. In der Frage der Syrien-Krise geht es dem deut- schen Imperialismus in (zumindest formaler) Über- einstimmung mit den anderen Imperialisten um Kriegsvorbereitungen gegen den Iran, die Umzing- lung der sozialistischen Volksrepublik China und der Russischen Föderation. Es geht ebenfalls in Übereinstimmung mit den anderen imperialisti- schen Staaten um die Ausplünderung der syrischen Märkte. Das klingt erst mal allgemein und das ist es auch, denn in den Details liegen die Differenzen zwischen dem deutschen Imperialismus und den anderen imperialistischen Staaten. In der Frage der Kriegsvorbereitung gegen den Iran steht die deutsche Bourgeoisie unentschlossen da. Zum einen machen einige deutsche Monopole wie Sie- mens und Co. gute Geschäfte mit dem Mullah- Regime in Teheran, zum anderen sind andere Mo- nopole doch an dem Sturz des iranischen Regimes interessiert, ebenfalls aus ökonomischen Interes- sen. Die Umzinglung Chinas verläuft bei den deut- schen Strategen anders als die der USA. Hier gilt es, lokale Gegenkräfte zu China aufzubauen, sie in Stellung gegen die Volksrepublik zu bringen und nicht selber aktiv zu werden. Zu Russland verhält sich die deutsche Bourgeoisie ebenfalls gespalten. Einige sehen in Russland eine mögliche strategische Alternative zu Frankreich gegen die USA und einen Lieferanten von billigen Energieträgern. Die Aus- plünderung des syrischen Marktes verläuft am besten ohne imperialistische Konkurrenz. Das mag auch die Begründung sein, warum der deutsche Imperialismus nicht offen aggressiv auftritt und in völliger Übereinstimmung mit den anderen impe- rialistischen Staaten mitmacht. Welche konkreten Interessen verfolgt der deutsche Imperia- lismus in Syrien? Die Deutsche Rohstoffagentur (Lobbyvereini- gung der Energiekonzerne) schrieb in einer Pres- semitteilung: „Vor dem Hintergrund der derzeiti- gen politischen Entwicklung in Syrien gibt die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bun- desanstalt für Geowissenschaften und Rohstof- fe (BGR) Informationen zu Vorräten und Poten- zialen von Erdöl und Erdgas sowie den Ener- gierohstofflieferungen nach Deutschland heraus.“ Und formuliert kurz danach aus aktuellem Anlass die Zielsetzung: „Das bisher etwa 2.300 km lan- ge Gaspipeline-Netz soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Die Arab Gas- pipeline (AGP) aus Ägypten über Jordanien soll bis 2012 an das türkische und damit europäische Gaspipelinenetz angeschlossen werden. In Homs wurde 2004 ein nationales Gaskoordinierungs- und Verteilungszentrum errichtet. Damit versucht Syrien seine geographische Mittellage zwischen Europa und den öl- und gasreichen Staaten des Nahen Ostens (insbesondere Irak und Ägypten) als ,oil and gas hub‘ zu nutzen.“ Syrien ist ein Erdöl- und Erdgasknotenpunkt zwischen den öl- und gasreichen Staaten des Na- hen Ostens. Im Rahmen der sogenannten Ener- giewende gewinnt ein solches Projekt für den deutschen Imperialismus größere Bedeutung. Sy- rien ist ein geostrategischer Knotenpunkt. Ergän- zend dazu gibt es deutsche Projekte zur Wieder- belebung des Bagdad-Bahn-Projekts, da dürften Monopole wie die Deutsche Bahn und Siemens große Interessen an einer Nutzung der Proteste im Sinne eines pro-deutschen „Regime Change“ ha- ben. Die Deutsche Bahn ist laut German Foreign Policy2 in den arabischen Golfstaaten sehr aktiv. Das Mitglied der Deutschen Burschenschaften und Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) sagte kurz vor dem Aufstand in Syrien: „Ich denke zum Beispiel an eine Eisenbahnverbindung, die den Persischen Golf mit dem Mittelmeer verbindet.“ „Produkte aus dem Nahen und aus dem Mittle- ren Osten könnten in Zukunft auf neuen Schie- nenstrecken zu den großen syrischen Häfen ge- bracht und von dort aus nach Hamburg verschifft werden“. Bis zur Vollendung der syrischen Schie- nenstrecken werde „die Fahrrinne der Unterelbe (...) hoffentlich vertieft sein“. Insgesamt gehe es „um infrastrukturellen Ausbau auf breitester Front“: Involviert seien „Schiene, Straße, Flugver- kehr, maritime Wirtschaft, Energieversorgung und Telekommunikation“. Syrien nimmt somit eine wichtige Rolle in der geostrategischen Politik des deutschen Imperialis- mus ein. Die konkreten Projekte des deutschen Imperialismus in Syrien sind große Projekte, die über die Grenzen Syriens und ihre unmittelbaren Bedeutung hinausgehen. Die Politik der Bundesre- gierung folgt den Interessen des deutschen Finanz- kapitals. Es wundert in diesem Rahmen niemanden, dass sich aus der „Freunde Syrien“-Gruppe ein Arbeitskreis zur Reformierung der syrischen Wirt- schaft unter deutscher Führung in Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Sitz in Berlin gebildet hat. Der Arbeitskreis wird von Deutschland mit 600.000 Euro mitfinanziert und soll „langfristige Strategien“ für die Wirtschaftspo- litik Syriens entwickeln. Es geht um die Förderung des Übergangs zur sozialen Marktwirtschaft, aber auch um „Entwicklungsprojekte“. Es geht aus Sicht des Syrischen Nationalrates in diesem Arbeitskreis u.a. um die Anlockung von ausländischen Investi- tionen. Welche ausländischen Investitionen dies unter deutscher Führung sind, dürfte klar sein! Vor wenigen Tagen veröffentlichte auch die Zeit einen Artikel über das geheime Zusammentreffen syrischer Oppositioneller u.a. der Muslimbruder- schaft und Generälen der Freien Syrischen Armee im Haus der Stiftung Wissenschaft und Politik in Kooperation mit Vertretern des US-Imperialismus. Ziel dieses Treffens ist es, Pläne für die Zeit nach dem Sturz des syrischen Regimes zu entwerfen. Der deutsche Imperialismus ist somit ein entschei- dender Planer für die Zeit nach Assad und dürfte einer der größten Profiteure sein. Deutschland ist in der EU ebenfalls eine treiben- de Kraft für die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien, die in ihrer Wirkung zur objektiven Ver- schlechterung der Menschenrechtslage in Syrien beiträgt. Es geht um die Verschlechterung der Le- bensbedingungen der syrischen Bevölkerung. Die deutschen Medien bejubeln, dass sich die Lage der Menschen in Syrien angesichts der Sanktionen verschlechtert. Ziel ist es, das syrische Volk durch Aushungern zur Revolte gegen das syrische Regime zu bewegen. Das ist im Sinne der oben genannten Strategie, die die Isolierung des syrischen Regimes im Inland verfolgt, um es zu stürzen. Die Ergebnis- se dieser Strategie werden in Berichten der syrischen Kommunisten festgehalten. Seit Beginn der Krise in Syrien stieg die Armutsrate im syrischen Volk von vorher 10% auf etwa 50%. Es gibt einen Real- lohnverlust bei den Werktätigen in dem einen Jahr der Krise um etwa 50%, da die Preise in die Höhe steigen. Ein Beispiel: die Gaspreise haben sich seit unserer Flucht aus Syrien vor zehn Jahren um das 17-fache gesteigert. In derselben Periode sind die Löhne lediglich um das Dreifache gestiegen! Das ist die deutsche Politik gegenüber Syrien. Deutschland ist aber auch im Sicherheitsrat eine treibende Kraft zur weiteren Eskalation. Im ver- gangenen Jahr verhin- dern das Veto der Rus- sischen Föderation und der VR China eine deut- sche Resolution, die ein Ultimatum an Syrien richtete, wenn sie ihre Gewalt gegen die Zivil- bevölkerung nicht been- det. Ohne jedoch die Gewalt der FSA und der anderen Terroristen zu berücksichtigen und zu verurteilen. An allen weiteren eskalierenden Resolutionsentwürfen war Deutschland beteiligt. Die deutsche Politik im Sinne der Eskalation findet auch in der Zulassung des Waffenschmuggels für die Einheiten der FSA über den Libanon ihre Ergänzung. Dort befindet sich die deutsche Mari- ne um Waffenschmuggel zu „unterbinden“. Der Libanon entwickelte sich im letzten Jahr zur wich- tigsten Schmuggelroute für die FSA. Nebenbei befand sich ein deutscher Soldat in Syrien im Rah- men der UN-Beobachtungsmission.3 Die Rolle des deutschen Imperialismus in der Syrien-Krise ist aber weit verzwickter. Es geht hier um neue und alte Bündnispartner des deutschen Imperialismus, die die hauptsächliche Rolle in der Eskalation in Syrien übernehmen. Es handelt sich um folgende Bündnispartner: Katar, Saudi-Arabi- en, Kosovo und Türkei. Ich kann zwar nicht mit Gewissheit sagen, dass diese Staaten deutsche Halbkolonien sind (abgesehen vom Kosovo, der kein Staat ist und zudem klar deutsche Halbkolo- nie), aber ich kann auf einige Tendenzen bzw. Indizien in dieser Richtung hinweisen. Welche Rolle die Türkei in der aktuellen Syrien- Krise spielt, dürfte jedem hier klar sein. In der Türkei befindet sich das offizielle Hauptquartier der Freien Syrien Armee, zudem ist der NATO- Staat ein Hauptbefürworter der Kriegshetze gegen den syrischen Staat und praktischer Provokateur im Fall des türkischen Kampfflugzeugs über syri- schem Hoheitsgebiet. Die Türkei bietet dem syri- schen Nationalrat und der Muslimbruderschaft ihre Hauptbüros außerhalb Syriens. Die islamisti- sche AKP des türkischen Ministerpräsidenten Er- dogan bemüht sich dabei um die Ablenkung des türkischen Volkes und der türkischen Arbeiter- klasse. Er versucht, über vermeintliche außenpo- litische Erfolge von den eigenen sozialen Proble- men abzulenken und sich in Größenwahn als mögliches neues Kalifats-Zentrum über die sunni- tische arabische Welt als regionale Kraft gegenüber Israel und Iran zu sehen. Die AKP, so die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik, vereinigt die demokratisch-westlichen Werte mit dem Islam und bietet eine Alternative zum iranischen Fundamen- talismus. Außerdem soll die Türkei praktische Pläne für eine militärische Intervention gegen Sy- rien vorbereiten. Die Türkei taugt selbstverständ- lich und praktischerweise als Basis einer Schutz- zone für Zivilisten im Norden Syriens. Sie ist zu- mindest historisch einer der engsten Bündnispart- ner des deutschen Imperialismus, zu aktuellen deutsch-türkischen Beziehungen und Verhältnissen kann ich leider nicht viel sagen. Aber ich gehe davon aus, dass sich an den deutsch-türkischen Verhältnissen nichts geändert hat. Ein zweiter deutscher Bündnispartner ist der Kosovo. German Foreign Policy4 schreibt dazu: „Einige syrische Aufständische wurden im Ko- sovo über Methoden der Aufstandsgestaltung instruiert – offenbar unter den Augen der dort stationierten deutschen Soldaten.“ Syrer seien im Kosovo, um nach dem Vorbild der UCK kämpfen zu lernen, eben unter deutscher Aufsicht. Für die deutschen Strategen aus der SWP eignet sich der Kosovo-Krieg 1999 (der erste aktive Krieg des deutschen Imperialismus nach 1945) als Vorbild eines von der UNO gebilligten Krieges gegen Sy- rien. Da werden Parallelen für die Kriegsvorberei- tung gezogen, sei es auf der kriegspropagandisti- schen Ebene oder auch auf der praktischen mili- tärischen Ebene der Eskalation. Ein dritter neuer Bündnispartner ist verwun- derlicherweise Saudi-Arabien, der langjährige Ju- niorpartner des US-Imperialismus im nahen Osten. Saudi-Arabien zählt wie die Türkei zu den Haupt- kriegshetzern gegen Syrien, finanziert offiziell die syrische FSA und unterstützt sie mit allem, was die Saudis können. Womöglich auch mit islamis- tischen Kämpfern aus dem Umfeld der Al-Qaida, aber auch mit Waffen. Saudi-Arabien als erzkon- servativer Staat bietet zahlreichen syrischen Isla- misten ein Exil, von wo sie ihre Hetze betreiben können. Interessant in dem Ganzen ist die Zuwen- dung der Saudis in Richtung Deutschland. Es fand in letzter Zeit ein Großdeal zwischen Saudi-Ara- bien und dem deutschen Rüstungsmonopol Rhein- Metall mit 800 Panzern deutscher Produktion im Wert von über zehn Milliarden Euro statt. Hatte Saudi-Arabien früher als US-amerikanische Halb- kolonie seine Waffensysteme in den USA gekauft, so deutet der neue Kauf aus Deutschland in sol- chen Mengen auf eine allgemeine Kräfteverschie- bung zwischen dem deutschen und US-amerika- nischen Imperialismus in der Region, aber auch im Allgemeinen, hin. Ein vierter und sehr interessanter neuer Bünd- nispartner des deutschen Imperialismus ist Katar. Ebenfalls ein ehemaliger langjährigen Juniorpartner der USA, gerät dabei in deutsche Hände. Seit 2003, um den Irak-Krieg, haben sich die US-amerika- nisch-katarischen Beziehungen verschlechtert. Damals hatte der US-Präsident Bush einen Konflikt mit dem katarischen Sender Al-Jazeera ausgelöst. Im Irak wurden Al-Jazeera-Journalisten von US- Soldaten ermordet und Bush wollte sogar das Hauptquartier des Senders in Katar selbst bombar- dieren, falls die pro-irakische Widerstandsbericht- erstattung des Senders nicht aufhöre (die deutsche Linke verfiel sogar teilweise in Bewunderung für den Sender). 2003 positionierte sich der deutsche Imperialismus bekanntermaßen zum ersten Mal, in Sachen Irak-Krieg, gegen den US-Imperialismus. Insgesamt kühlten die katarisch-amerikanischen Beziehungen ab. Stattdessen besuchten Katar deut- sche Politiker wie Bundespräsident Wulff, Außen- minister Westerwelle und Bundeskanzlerin Merkel. Der katarische Emir besuchte ebenfalls Deutsch- land. Diese Besuche fanden innerhalb kürzester Zeit von weniger als zwei Jahren statt. Das ist eine bemerkenswerte Intensität für ein solch kleines Land wie Katar. Im Mai 2012 trafen sich Horst Köhler, der türkische Ministerpräsident Erdogan und der katarische Ministerpräsident Al-Tani im Astana Economic Forum in Kasachstan. Dort spra- chen die „Leaders“ über eine neue Finanz- und Wirtschaftspolitik und formulierten Forderungen an die G20-Staaten.5 Zusätzlicher und interessan- tester Aspekt der neuen deutsch-katarischen Ver- hältnisse ist der Kauf von Teilen des VW-Konzerns durch Katar im Jahr 2009. Dieser Kauf ermöglich- te VW das Verschlucken von Porsche, obwohl da- mals die allgemeine Tendenz dahin ging, dass Por- sche VW verschluckt. VW baute damit seine Posi- tion als zweitgrößter Automobilproduzent in der Welt aus. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Katar ist seitdem ver- ständlicherweise gestiegen. Katars Rolle in der Region ist in letzter Zeit gewachsen, es beteiligte sich aktiv an dem Krieg gegen Libyen und ist eben- falls ein Hauptkriegshetzer und Finanzier der syri- schen FSA. Es bedarf keiner längeren Erklärung, welche Rolle Katar in Syrien spielt. Mir ist klar, dass Deutschland nicht komplett die Staaten Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei in seine Halbkolonien verwandelt hat. Dafür ist die Kapitalverflechtung bspw. der Saudis mit dem US-Imperialismus zu stark, ebenfalls befindet sich eine starke militärische US-Präsenz in Katar und Saudi-Arabien. Aber was bereits in der FAZ leicht mitklingt ist, dass der US-Imperialismus relativ an einer ökonomischen Schwäche leidet, dagegen befindet sich der deutsche Imperialismus in einer relativen ökonomischen Stärke, was die EU angeht, aber natürlich auch international. Diese Situation ermöglicht das dreifache Veto Russlands und Chi- nas gegen eine anti-syrische Resolution im Welt- sicherheitsrat. Aber ebenfalls ermöglicht es dem deutschen Imperialismus, diese verdeckte und offene Aggressivität gegenüber Syrien in der Ein- flusssphäre des US-Imperialismus zu üben. In der oppositionellen kommunistischen Partei Syriens wird eine kriegerische Intervention nicht ausgeschlossen, auch wenn irgendwelche Kom- mentatoren auf die Wirtschaftskrise in den USA und der EU hinweisen, um anzudeuten, ein Krieg koste zu viel Geld und sei deswegen unwahrschein- lich. Aber genau umgekehrt ist es richtig, aufgrund der Wirtschaftskrise steigt die Gefahr des Krieges als Form der kapitalistischen Krisenlösung. Für uns als deutsche Anti-Imperialisten und Kommunisten gilt es die Interessen des deutschen Imperialismus zu benennen und sie anzugreifen, auf die sich zu- spitzenden zwischen-imperialistischen Widersprü- che hinzuweisen und das pazifistische Geschwafel des deutschen Imperialismus zu entlarven. Unser Beitrag zur Solidarität mit dem syrischen Volk, der syrischen Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-le- ninistischen Vorhut ist der organisierte Dolchstoß gegen unsere eigenen Herren. Toto Lyna, Mitglied der SDAJ Göttingen mit syrischem Hintergrund

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