Montag, 17. Dezember 2012

26.11.2012 | Tag der Schande in Pirna

Am frühen Montag, eine Woche nach dem sogenannten „Volkstrauertag“ und eine Woche vor dem „1. Advent“ hat die Stadt Pirna ernst gemacht. Das Denkmal, welches bisher im Friedenspark an die militärische Zerschlagung Nazideutschlands erinnerte musste weichen. Der politisch motivierte Abriss war im Stadtrat von Pirna (am 27.06.2012) von der CDU, mit Hilfe weiterer Stadträte mit 14 Dafür zu 8 Gegenstimmen durchgedrückt worden(1). Auch ein Kompromissversuch der LINKEN im Stadtrat vom 18.09.2012 fand keine Mehrheit. Die Stadtratsfraktion schlug vor, mit einer Ausschreibung an regionale Künstler_innen und einer Suche nach Spender_innen, im Friedenspark eine zeitgemäße Skulptur zu installieren, die das Thema Frieden zum Inhalt hat(2). Auch hier konnte DIE LINKE nur 8 Stadträte hinter sich bringen, die eigene Fraktion verfügt über fünf Mandate. Interessant ist auch der Wortlaut des Antrages der CDU im Stadtrat, den Prof. Dr. Peter Schwerg namens seiner Fraktion einbrachte. So heißt es, das Denkmal diente „[...] dem SED-Regime u. a. als Abschluss der Blickachse von der Tribüne in der Breite Straße [...]“. Die DDR als „SED-Regime“ zu bezeichnen, ist einer der Tricks der CDU. Die Zuschreibung es habe sich um das „Regime“ einer einzelnen Partei gehandelt, ist der Versuch, sich aus der eigenen Verantwortung in der Zeit zwischen 1946 und 1989 zu stehlen. Tatsächlich war die CDU Teil der DDR und hatte vielerorts Einfluss, Macht und traf Entscheidungen. Die nachträgliche Umdeutung der Partei als „Widerstandsgruppe in einer Diktatur“ ist regelrecht anmaßend. In Verantwortung der CDU wird tatsächlich der Versuch unternommen, sämtliche Gedenkorte, Tafeln oder Inschriften mit Verweis auf die Zeit des Nationalsozialismus zu entfernen oder mit verfälschenden Texten zu versehen. Mit Erfolg konnten sogenannte Christdemokraten bereits vielfach die Hinweise auf den Widerstand, insbesondere durch Kommunist_innen und Sozialdemokrat_innen entfernen. Zumeist findet man dann an den betreffenden Stellen gar keine Tafeln oder Ähnliches mehr. Wo das nicht möglich ist, wird etwas angebracht, was immer den gleichen Text hat, nämlich irgendetwas undifferenziertes bei dem die Worte „Diktatur“ und „Gewaltherrschaft“ eine Rolle spielen. Eine der absurdesten Tafeln zu diesem Thema findet sich in Hohnstein(3). Dort findet sich zwar direkt vor der Burg der Verweis auf eines der frühen Konzentrationslager der Nazis in Sachsen, aber gleichzeitig wird davon geschrieben, die DDR habe in der Burg ein „Isolationslager“ geplant, welches allerdings nie zur Ausführung kam. Auch in Pirna hat die CDU jetzt ihren Willen bekommen. Ohne weitere Ankündigung in der Sitzung des Stadtrates am 15.11.2012, wurde das Denkmal im Friedenspark jetzt demontiert. Die für die Demontage zuständigen Arbeiter wurden dann auch in der Lokalzeitung(4) vorgestellt. Darunter ist Ferry Weihs, seines Zeichens ehemaliges Führungsmitglied der 2001 verbotenen „Skinheads Sächsische Schweiz“. 2003 wurde er mit 17 weiteren Personen rechtskräftig verurteilt. Weihs hatte danach versucht als Mittelalterdarsteller auf Märkten und auf Ortsfesten aufzutreten. Zumindest bei der bielataler Vereinigung „Rolandslanze“ konnte er dies bis 2007(5). Noch heute treten Nazis in diesem Bereich auf, zuletzt waren ein einschlägiges Schild und die dazugehörigen Gesichter beim Kloster- und Burgfest in Oybin (Landkreis Görlitz) aufgefallen(6). Auch einen Namen haben die „Mittelalterfreunde“ - sie nennen sich jetzt „Manus ad Ferrum“. Die politische Richtung von Ferry Weihs hat mittlerweile eine kleine Familientradition(7). Vater Egon Weihs war von 2004 – 2008 Stadtrat der NPD in Pirna. Bekannt wurde er mit einem Beitrag der Sendung „Kontraste“ auf RBB, bei der er den Holocaust leugnete, indem er sagte, er wisse nicht, ob der maschinelle Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden stattgefunden habe, weil er nicht dabei war(8). Unter diesen Vorzeichen hat der politisch motivierte Abriss des sowjetischen Ehrenmals im Pirnaer Friedenspark einen besonders bitteren Beigeschmack. Das selbe gilt für den zeitlichen Kontext. Ungefähr eine Woche zuvor trafen sich wieder Menschen auf dem zentralen Pirnaer Friedhof zum revisionistischen „Volkstrauertag“. An diesem Tag wird wahllos gedacht, daher lud das Landratsamt entsprechend „zum stillen Gedenken an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Völker“. Eine Unterscheidung, dass bei den sogenannten „Völkern“ solche dabei waren, die vernichten wollten und solche, die vernichtet werden sollten – würde wahrscheinlich nicht mehr in die heutige Zeit passen. Immerhin sollen wir heute ungezwungen mit der eigenen Geschichte umgehen können. Ein großer Lehrmeister für die Art Erinnerungskultur ist übrigens der "ZDF-Historiker" Guido Knopp. Ein sowjetisches Ehrenmal, was uns ständig daran erinnert, dass unsere Vorfahren mit militärischen Mitteln in ihrem Vernichtungswahn gestoppt werden mussten, passt da nicht ins Stadtzentrum. Vor allem nicht in einer Zeit, da die Nazis von heute wieder Zulauf haben, wo sie Menschen bedrohen, jagen und morden. Irgendwie kommt einem der Schwur von Buchenwald in den Sinn. Darin heißt es unter anderem: „[...] Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. [...]“. Er ist so wichtig und scheint sofern dieser Tage, wo wir in Pirna den Tag der Schande erlebt haben. 1 https://ssl.ratsinfo-online.net/pirna-bi/vo020.asp?VOLFDNR=3069&options=4#searchword 2 https://ssl.ratsinfo-online.net/pirna-bi/vo020.asp?VOLFDNR=3945&options=4#searchword 3 http://www.niqel.de/grenzlos/stele.jpg 4 http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3213456 5 http://www.sz-online.de/_sitetools/news/printversion.asp?id=1569651&URL=/nachrichten/artikel.asp 6 http://k2kulturkiste.blogsport.de/2012/10/28/ritterliche-nazis/ 7 http://www.stern.de/politik/deutschland/rechtsradikalismus-neue-heimat-fuer-alten-hass-527611.html 8 http://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/extremisten/npd_auf_dem_vormarsch.html

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