Mittwoch, 22. September 2010

Werttheorie II

Der Wert – einige kritische Bemerkungen zum Artikel vom 1. Sept. 2010 (Gegenstandpunkt 2-10)

Von Werner Schmidt

Kommunissten-online vom 21. September 2010 – Unter Punkt I. 1. heißt es: „ Da ist Erstens festzuhalten, dass vor dem zweckmäßigen Gebrauch von Produkten das Verfügungsrecht des Produzenten steht: der eigentumsrechtliche Ausschluss aller Interessenten, die das Produkt brauchen, von dessen Verwendung. Voraussetzung, Ausgangspunkt und bleibende Grundlage der herrschenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist - so absurd wie in der Marktwirtschaft selbstverständlich – der Gegensatz zwischen Herstellung und Bedürfnis, der mit dem Eigentumsrecht des Produzenten gesetzt ist; .“

Natürlich ist der Produzent zunächst einmal der Eigentümer. Das war bereits in vorausgegangenen Gesellschaftsordnungen so. Der Schmied produziert eine Axt, die erst produziert sein muss, ehe sie verkauft oder gar verwendet werden kann. Wenn er die Axt produziert hat, geht er damit auf den Markt, um sie zu verkaufen. Sie befindet sich solange in seinem Eigentum, bis sich ein Käufer findet, der sie ihm mit Geld oder mit Naturalien bezahlt. Was ist daran absurd? In Gesellschaften mit Privateigentum an den Produktionsmitteln hat der Eigentümer an den Produktionsmitteln eben auch das Eigentum an den Produkten. Das hat MARX im „Kapital“ des Langen und Breiten nachgewiesen. Wieso jetzt ein „eigentumsrechtlicher Ausschluss aller Interessenten“ konstruiert werden muss, ist mir schier unbegreiflich.

Der Satz geht weiter: „ wobei man sich ruhig auch schon daran erinnern darf, dass in dieser Gesellschaft als Produzent gilt, wer das Eigentumsrecht am Produktionsprozess besitzt: Hersteller ist nicht der Mensch, der – bzw. insofern er – tatsächlich Hand anlegt, sondern die Rechtsperson, die Firma in der Regel, die das Produkt hat herstellen lassen und der es daher nach Recht und Gesetz gehört.“

Ich will hier nicht über den Unterschied von Sachen und Menschen als Eigentümer philosophieren, zumal ja das bürgerliche Recht durchaus Sachen (GmbH, AG) als Rechts„person“ kennt. Nochmal, der Eigentümer an Produktionsmitteln lässt produzieren. Dazu mietet er (gegen Lohn) doppelt freie Lohnarbeiter, denen er den Wert ihrer Arbeitskraft vergütet. Gegen diese Miete verzichten die Eigentümer der Arbeitskraft auf jegliches Eigentumsrecht an den Produkten. Damit geht das Eigentum an den Produkten automatisch an den über, der noch im Produktionsprozess verbleibt, den Eigentümer der Produktionsmittel. Er besitzt das Eigentum an Produktionsmitteln, nicht am Produktionsprozess.

„Aufgelöst wird dieser fundamentale Antagonismus zwischen Herstellung und Benutzung im Kaufakt: durch das Geld, das dem Eigentümer seinen produktiven Aufwand, seine gesellschaftliche Teil-Arbeit, vergütet.“

Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt. Erstens kann ich beim besten Willen keinen Antagonismus zwischen Herstellung und Benutzung erkennen. Die Herstellung ist immer die Voraussetzung für die Benutzung. Findet hingegen keine Benutzung statt, ist bald auch die Produktion hinfällig. Herstellung und Benutzung bedingen einander. Wo da ein Antagonismus sein soll, erschließt sich mir auf die Kürze nicht. Der Kaufakt „vergütet … dem Eigentümer seinen produktiven Aufwand“. Wenn das heißen soll: „Durch den Verkauf von Waren wird vorgeschossenes Kapital wieder verfügbar und kann für den Ersatz verbrauchten Materials, Ersatz verschlissener Maschinen und neuen Lohn eingesetzt werden.“, so ist das zweifellos richtig. Warum aber muss man dazu solch einen Galimathias verzapfen? Wenn aber der Profit als „Vergütung“ des Kapitalisten bezeichnet wird, ist das ein Rückfall in übelste Vulgärökonomie und hat mit der MARXschen Werttheorie höchstens noch den Namen gemein.

„Man sieht daran: Es ist im Ansatz verkehrt, sich den Tauschwert der Waren, i.e. ihre ökonomische Bestimmung, im Verkauf einen Preis zu erzielen, mit der Selbstverständlichkeit erklären zu wollen, dass für ihre Herstellung ein bestimmtes Quantum Arbeit verausgabt worden ist, und nicht mit den gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen, unter denen allein Arbeit Tauschwert hervorringt.“

Dazu MARX: „Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt.“ [1]

Und er bekräftigt: „Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Maße festgeronnener Arbeitszeit.“ [1]

Wie ist das nun mit den „gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen“? MARX selbst spricht von der Unsinnigkeit, durch Aufschläge auf den Preis einen Vorteil erzielen zu wollen, obwohl das im Einzelfall durchaus funktionieren kann, wie wir aus Erfahrung wissen. Kann es aber auch gesamtgesellschaftlich funktionieren? Dazu MARX: „Gesetzt nun, es sei durch irgendein unerklärliches Privilegium dem Verkäufer gegeben, die Ware über ihrem Wert zu verkaufen, zu 110, wenn sie 100 wert ist, also mit einem nominellen Preisaufschlag von 10%. Der Verkäufer kassiert also einen Mehrwert von 10 ein. Aber nachdem er Verkäufer war, wird er Käufer. Ein dritter Warenbesitzer begegnet ihm jetzt als Verkäufer und genießt seinerseits das Privilegium, die Ware 10% zu teuer zu verkaufen. Unser Mann hat als Verkäufer 10 gewonnen, um als Käufer 10 zu verlieren. Das Ganze kommt in der Tat darauf hinaus, daß alle Warenbesitzer ihre Waren einander 10% über dem Wert verkaufen, was durchaus dasselbe ist, als ob sie die Waren zu ihren Werten verkauften.“ [2]

Auch ENGELS hat sich damit beschäftigt, als er seine Streitschrift gegen die Thesen Eugen DÜHRINGs verfasste. Er schrieb dazu: „Der praktisch geltende Wert einer Sache besteht nach Herrn Dühring aus zwei Teilen: erstens aus der in ihr enthaltenen Arbeit und zweitens aus dem ´mit dem Degen in der Hand´ erzwungenen Besteuerungsaufschlag. Mit andern Worten, der heute geltende Wert ist ein Monopolpreis. Wenn nun, nach dieser Werttheorie, alle Waren einen solchen Monopolpreis haben, so sind nur zwei Fälle möglich. Entweder verliert jeder als Käufer das wieder, was er als Verkäufer gewonnen hat; die Preise haben sich zwar dem Namen nach verändert, sind aber in Wirklichkeit - in ihrem gegenseitigen Verhältnis – gleichgeblieben; alles bleibt wie es war und der vielberühmte Verteilungswert ist bloßer Schein.“ [3]

Somit löst sich die DÜHRINGsche Blase vom „gewaltsamen Aufschlag“ genauso in Nebel auf, wie die „gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse, unter denen allein Arbeit Tauschwert hervorbringt“. Nochmal, der Tauschwert setzt zum einen den Gebrauchswert der Ware voraus. Etwas, das nicht gebraucht wird, hat auch keinen Gebrauchswert und sei sein Wert noch so groß. Da nützen auch die „gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse“ nichts, denn das Ding wird eben nicht gekauft. Zum anderen ergibt sich sein Tauschwert letztendlich aus der in ihm „festgeronnenen Arbeitszeit“. Nicht mehr und auch nicht weniger. Alles übrige Geschwafel dient dazu, den wahren Sachverhalt zu verwischen und anstelle der wissenschaftlichen Aussage die Sternguckerei zu stellen. Diese Verschlimmbesserung der MARXschen Werttheorie können wir uns sparen.

„Sie (die Arbeit d.V.) zählt selber nur als Quelle von Eigentum, nicht an etwas, sondern von Eigentum schlechthin.“ Jetzt brat mir einer einen Storch, was ist „Eigentum schlechthin“? Es geht also gar nicht um das Eigentum an Produktionsmitteln, um dadurch Art und Umfang der Produktion bestimmen und sich den Mehrwert aneignen zu können? Wir lösen also die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in der Produktion auf, deklarieren das Ganze als „Eigentum schlechthin“ und verkaufen das alles als „Weiterentwicklung „ der MARXschen Lehre. Soweit, liebe Genossen vom GegenStandpunkt, war weiland schon Eugen DÜHRING. Und das Ergebnis dürfte bekannt sein.

„Ihr erstes Attribut (der Arbeit d.V.) heißt deswegen privat und drückt aus, dass ihr Zweck nicht in dem gesellschaftlichen Bedürfnis liegt, das ihr Produkt als Teil der gesellschaftlicher Produktion mit seinem Gebrauchswert befriedigt, sondern in der Macht des Produzenten, sein Produkt dem Bedürfnis danach vorzuenthalten – nicht um es doch selber zu benutzen, sondern um es gegen ein Stück allgemeiner Verfügungsmacht herauszugeben.“ Das soll heißen: Der Kapitalist lässt nicht produzieren, weil damit ein Gebrauchswert geschaffen wird, sondern weil er für die Ware Geld bekommt. Nur übersehen die Verfasser, dass der Kapitalist noch so sehr Ware produzieren lassen kann, wenn sie keinen Gebrauchswert hat, bleibt sie liegen. Essig ist´s mit dem Geld oder „dem Stück allgemeiner Verfügungsmacht“. Kein Kapitalist lässt produzieren, um die Ware auf Halde zu legen, denn nichts anderes heißt „sein Produkt dem Bedürfnis danach vorzuenthalten“. Es sei denn, er will darauf warten, dass die Preise eventuell doch steigen. Nur hat sich gezeigt, dass infolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts die Preise der Waren (zumindest technischer) verfallen. Brot und Brötchen, die seit der Wende im Preis steil nach oben kletterten, lassen sich aber schlecht aufheben. Warum zum Kuckuck sollte dann ein Kapitalist noch einen Haufen Geld für Werbung ausgeben, nur um sein Erzeugnis „dem Bedürfnis danach vorzuenthalten“?

„In diesem rein negativen Sinn hat der Reichtum, auf den es in der Marktwirtschaft wirklich ankommt, das in Geld gemessene Eigentum, im Quantum Arbeit sein Maß.“ Wo sind denn auf einmal die „gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse“ geblieben, die vorhin noch ihren Anteil an der Erzielung von Tauschwert hatten? Die haben sich plötzlich verflüchtigt. Wozu mussten sie vorher aber erst hineingebracht werden?

„Wie viel derart abstrakten Reichtum die Arbeit tatsächlich zustande bringt, hängt freilich wiederum gar nicht von ihr ab – von ihrem konkreten Inhalt und der konkreten Mühsal sowieso nicht, aber auch nicht von ihrem wirklichen in Zeiteinheiten gemessenen Quantum. Die verbindliche und einzig gültige Art, den abstrakten Nutzen der Arbeit zu quantifizieren, das hergestellte Quantum Eigentum zu beziffern, ist der Verkaufsakt, in dem das Produkt seinen Gebrauchswert los und seine Wert-„Natur“ realisiert wird. Und da: im Preis, der für die Ware zu erzielen ist, als Bestimmungsgrad für dessen Höhe, macht sich der konkrete arbeitsteilige Zusammenhang geltend, in dem die produzierten Güter zum Lebensprozess der Gesellschaft beitragen, nämlich das Bedürfnis nach der hergestellten Ware und der technische Stand ihrer Herstellung.“

Plötzlich spielt „das Quantum Arbeit“ wieder keine Rolle in der Wertschöpfung. Liebe Genossen, Ihr müsst Euch nun mal langsam entscheiden. Nach MARX ist allein die Arbeitskraft (mithin nicht: die Arbeit) Wertschöpfer. Demzufolge ist auch der Schöpfer aller Werte, nicht allen Reichtums. Da wir aber in dieser Darstellung einmal den Naturreichtum ausklammern wollen, ist sie sehr wohl die Quelle des gesellschaftlichen Reichtums. Zur Herstellung von Waren wird nun einmal die Arbeitskraft gebraucht. Damit ist sie auch die Quelle des Mehrwerts, aus dem der Profit und der geschaffene gesellschaftliche Reichtum entspringen, egal ob er konkret oder abstrakt ist. Demzufolge sind alle sogenannten Wertschöpfungen, an denen die Arbeitskraft nicht beteiligt ist, keine Wertschöpfungen, sondern Wertblasen. Wie das Ganze ausgeht, hat die letzte Krise gezeigt, als diese Blasen hochgingen.

Der Preis ist also nach Eurer Auffassung das Hauptmerkmal der Ware. Er wird Eurer Meinung nach bestimmt von dem Bedürfnis, diese Ware haben zu wollen und dem technischen Stand der Herstellung. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich aus einem Bedürfnis nach einer Ware, ihren Wert bestimmen soll. Es ist mir schon klar, dass Angebot und Nachfrage den Preis beeinflussen. Nach dieser Theorie müsste bei Einführung einer neuen Technologie (z.B. neue Fernsehergeneration) am Anfang das Bedürfnis danach sehr hoch sein und ebenfalls der technische Stand ihrer Herstellung, denn die neuen Dinger sind schweinisch teuer. Mit der Zeit werden sie immer billiger, das würde bedeuten, die Nachfrage sinkt drastisch und der technische Stand nimmt ab. In der Regel ist das ganze Gegenteil der Fall. Weil die Zeitspanne zur Herstellung immer geringer wird, demzufolge immer weniger „geronnene Arbeitszeit“ in den Geräten steckt, deshalb werden sie billiger. Und der Kapitalist haut die billiger werdenden Fernsehgeräte auf den Markt, solange der das vertragen kann.

Was sagt MARX dazu?

„Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt.“ [4]

„Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich den stofflichen Träger des – Tauschwerts.“ [5]

„Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem verschiedener Qualität, als Tauschwerte können sie nur verschiedener Quantität sein, sie enthalten also kein Atom Gebrauchswert. … Betrachten wir nun das Residuum der Arbeitsprodukte. Es ist nichts von ihnen übriggeblieben als dieselbe gespenstische Gegenständlichkeit, eine bloße Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit, d.h. der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung. … Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte – Warenwerte.“ [6]

„Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist.“ [7]

Das sind MARX´ klare Aussagen. Ich weiß nicht, was daran verbessert oder gar verschlimmbessert werden muss. Zumal Eure Aussagen sich lesen wie das Delphi´sche Orakel. Für MARX ist die abstrakte Arbeit die Arbeit, die gesellschaftlich notwendig geleistet werden muss, um diese Ware herzustellen. Dabei ist es völlig gleichgültig, welcher Arbeiter unter welchen Bedingungen seine Arbeitskraft dafür verausgabt. Wird aber eine konkrete Ware hergestellt, ist auch die Arbeit, die die Arbeitskraft bei ihrer Herstellung leisten muss genau definiert. Es ist aber egal, wie groß dieses Quantum an Arbeitskraft ist, das hineingesteckt wird, der Kapitalist wird nur den Wert für die „gesellschaftlich notwenige Arbeitszeit“ erhalten, plusminus einem Betrag, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. In der Regel aber werden die Waren zu ihrem Wert ausgetauscht.

Unter I. 2. geht es weiter: „Deswegen schafft diese Arbeit auch kein Eigentum für die wirklichen Subjekte, die sie leisten, sondern für die Rechtsperson, die deren Arbeitskraft durch Kauf unter ihr Kommando gebracht hat und darüber als ihr Eigentum verfügt: …“ Das ist ganz einfach falsch. MARX tritt dieser Auffassung auch eindeutig entgegen, in dem er schreibt: „Damit ihr Besitzer sie (die Arbeitskraft d.V.) als Ware verkaufe, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens seiner Person sein.“ Weiter schreibt er: „Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit verkaufe, denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven, aus einem Warenbesitzer in eine Ware.“ [8] Dem gibt es nichts hinzu zufügen.

„… anders kommen eigentumslose Arbeitskräfte überhaupt nicht zu irgendeiner gesellschaftlich produktiven Tätigkeit, und anders kommt ihrer produktiven Tätigkeit überhaupt nicht die ökonomische Leistung zu, Eigentum zu vermehren.“ Hatten Tagelöhner und Knechte keine produktiven Tätigkeiten ausgeführt, die in gesellschaftlichem Interesse lagen? Hatten Sklaven keinen Beitrag am Reichtum der römischen Senatoren? Ihr macht es Euch sehr leicht, Genossen, wenn es um die Beantwortung gesellschaftlicher und historischer Erscheinungen geht. Ich habe keine Gesellschaftswissenschaften studiert, aber ich kann lesen. Dabei fällt mir auf, dass MARX etwas ganz anderes schreibt, als Ihr das tut. Ich denke, dass die Behauptung des Gegenteils von MARX´ Thesen, keine „Weiterentwicklung“ des Marxismus ist, ja noch nicht einmal ein Beitrag zu dessen besserem Verständnis. MARX ist schon schwer zu lesen, aber was Ihr an Verklausulierungen unter die Massen haut, dass ist unverständlich. Aber weiter.

„Die Rolle die … der Arbeit zukommt, kennzeichnet MARX mit einem kleingeschriebenen „v“. Das Kürzel soll ausdrücken, dass die Leistung der Arbeit, Wert zu schaffen, in Wahrheit die Leistung des Preises ist, der für die Verfügung über Arbeitskraft zu entrichten ist.“
Also, noch mal von vorn. Wert schaffen in Wahrheit die Preise. „Der Wert der Waren ist in ihren Preisen dargestellt, bevor sie in die Zirkulation treten, also Voraussetzung und nicht Resultat derselben.“ [9] Da pfuscht Euch MARX schon wieder dazwischen, und komisch, es stimmt auch noch, was er sagt. Der Preis ist also nur die Wertform, nicht der Wert selbst. Bei Euch aber liest sich das genau andersherum. Und zur Arbeit (richtiger: Arbeitskraft und ihrem Wert)ist oben schon genug gesagt worden.

Was aber ist nun dieses v? Es ist ganz einfach das „variable“ Kapital, also die Arbeitskräfte. Die können nämlich ziemlich einfach entlassen und auch wieder eingestellt werden. Mit dem „c“ für „konstantes“ Kapital kennzeichnet MARX hingegen die Produktionsmittel, genauer die Arbeitsmittel, die nicht so einfach ausgetauscht werden können. Das Kürzel soll bei MARX eben dies ausdrücken und nichts anderes.

„Die Erzeugung von Wert findet also durch den Einsatz von Geld als Kapital und dessen Leistung statt: als Verwertungsprozess.“ Wenn das heißen soll, dass erst Kapital investiert wird, um daraus Profit zu schöpfen, so ist das zweifellos richtig. Nur welche Leistung des Kapitals meinen die Autoren? Da muss ich passen. Einige Sätze weiter lassen dann die Autoren die Katze vollends aus dem Sack und siehe, sie war rabenschwarz. Sie schreiben: „In dieser rechenweise ist festgeschrieben, nicht nur, worauf es in der Marktwirtschaft ankommt, sondern auch, dass die Quelle des Wertzuwachses der Wert selber ist.“ Der Wert schafft Wert. Da zieht sich Münchhausen an seinem eigenen preußischen Zopf aus dem Dreck.

Unter I. 3. Heißt es dann aber plötzlich wieder: „Zum Einsatz kommen da alle erdenklichen Maßnahmen und Techniken zur Senkung des Preises für Arbeitskraft, also vor allem des Quantums an Arbeit, das zur Herstellung von Gütern für den Verkauf nötig ist.“ Wozu sollte der Kapitalist das tun, wenn doch der „Wert den Wert“ schafft? Ist etwa doch das „Quantum Arbeitszeit“, dass in der Ware steckt verantwortlich für den Wert und damit auch für den Preis? Glückwunsch! Nach langer Irrfahrt seid Ihr zurück bei MARX. Wer aber dachte, Ihr habt Euch besonnen, wurde schmählich enttäuscht; das Wortgeklingel ging weiter.

„ … bemißt sich an der Menge des verfügbaren Geldes die Fähigkeit eines jeden Unternehmens, in eigener Regie die Bedingungen für die Steigerung der Profitrate zu verbessern.“ Zunächst einmal, in wessen Regie sonst? Jedes Unternehmen kämpft für sich allein, von Monopolabsprachen einmal abgesehen. Aber auch da versucht jeder, den anderen zu übervorteilen. Dazu MARX: „Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wider in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Bestandteils des Kapitalwerts auf Kosten seines variablen Bestandteils.“ [10] Ergo ergibt sich daraus, die Profitrate sinkt. Das findet seinen Niederschlag im Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate.

„Inhalt des Wertgesetzes ist die Degradierung der produktiven Arbeit zum bloßen quantitativ wirksamen Hilfsmittel für die Schaffung von Geld, …“ MARX schreibt: „Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert jeder anderen Ware wie zur Produktion der einen notwendigen Arbeitszeit zu der für die Produktion der anderen notwendigen Arbeitszeit.“ [11] Das ist das Wertgesetz. Da steht nichts von der „Schaffung von Geld“, und da steht auch nichts von „Degradierung der produktiven Arbeit“. Natürlich ist letztendlich das Geld die Wertform, die interessiert, aber die Wertform und eben nicht der Wert, sondern nur ein Wertäquivalent.

Mit diesen Bemerkungen möchte ich es bewenden lassen. Mit dem Finanzsektor kenne ich mich zu wenig aus, da ich mich mit dieser Problematik noch nicht intensiv beschäftigt habe. Ehrlich gesagt, habe ich es auch nicht vor. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich mit jedem einzelnen Satz das Richtige getroffen habe. Sicher bin ich mir allerdings, dass im Wesen die Ausführungen von Karl MARX stimmen. Und dazu steht der Beitrag von GegenStandpunkt in diametralem Gegensatz. Dieser Gegensatz ist mit „Weiterentwicklung“ der MARXschen Lehre m.E. nicht zu erklären. In meinen Augen ist es ein Versuch der Revision des Marxismus, eine Revision an entscheidender Stelle.

Werner Schmidt

Quellennachweis:

[1] Karl MARX „Das Kapital Kritik der politischen Ökonomie“ Bd. 1, Dietz Verlag Berlin 1973 S. 54

[2] ebenda S. 175

[3] Friedrich ENGELS „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring)“ Dietz Verlag Berlin S.176/176

[4] bis [11] Karl Marx „Das Kapital“ Bd.1 [4] S. 49; [5] S. 50; [6] S. 52; [7] S. 53; [8] S. 182; [9] S. 172 [10] S. 651; [11] S. 54

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