Mittwoch, 8. September 2010

Sarrazin und kein Ende, oder:

Glaubt ruhig jeden Müll, den wir euch vorsetzen

Von whs

Arbeiterkorrespondenz auf Kommunisten-online vom 8. September 2010 – Wenn es um die Durchsetzung der Ideologie der Bourgeoisie geht, darf natürlich auch Frau Will im Konzert der Großen der Moderatorenszene des „öffentlich-rechtlichen“ Bezahl-Fernsehens fehlen. Und wie immer ist sie bemüht, ihre Rolle zu spielen. Diesmal hatte sie viel Politprominenz geladen, wie zum Beispiel Herrn Wowereit (SPD) und Herrn Bosbach (CDU/Innenexperte) sowie Frau Göring-Eckardt, Vorzeigegrüne aus Thüringen und Präses der Ev. Kirche. Ebenfalls anwesend Frau Necla Kedek (Soziologin ) und Herr Bolz (Philosoph).

Wer sich nun sagte, endlich einmal eine Sachdebatte, um die Probleme heraus zu kristallisieren, die gelöst werden müssen, musste sich nach Sendungsende mit der Sentenz zufrieden geben: „Außer Spesen nichts gewesen.“ Es war lediglich eine weitere Sarrazin-Verteidigungssendung. Langsam bekomme ich den Eindruck, es geht nicht darum Probleme zu lösen, sondern welche zu schaffen. Und was mir langsam aber sicher Angst macht, ist die schleichende Faschisierung dieser Gesellschaft zu der die jetzige Bundesregierung ihr gerüttelt Maß beiträgt durch Nichtstun.

In einer anderen Sendung (Plasberg) wurde behauptet, die „Väter“ des Grundgesetzes hätten Sicherungen eingebaut, die eine Weimarer Republik unmöglich machen sollten. Nun, im Moment mehren sich die Anzeichen für Weimarer Verhältnisse: schwache Regierung, Störfeuer von rechts, Diskriminierung von ganzen Bevölkerungsgruppen und deren zunehmende Ausgrenzung. Bislang hat noch niemand behauptet, dass die Türken für das Hochwasser in Sachsen verantwortlich sind. Allzu weit sind wir aber nicht davon entfernt.

Zurück zu Frau Will. Gleich am Anfang große Lachnummer: Die Herren Bolz, Bosbach und Wowereit behaupteten allen Ernstes die „Unabhängigkeit“ der Bundesbank. Wovon unabhängig? Von der Politik? Ja, sicher, die Bundesbank schreibt der Politik, im Namen der Finanzoligarchie, vor, was sie zu tun und zu lassen hat, damit es unseren „ersten Familien“ an nichts ermangele. In dem Sinne ist sie schon unabhängig.

Eine zweite Anmerkung sei gestattet. Die Politiker behaupten immer, sie seien aus dem Volk vom Volk gewählt, um dem Volk zu dienen. Dass dies eine große Lüge ist, wissen wir (sie wird schon vom Grundgesetz nicht gedeckt). Aber es wird auch immer von der „politischen Klasse“ gesprochen. Nun wissen wir, Klassen sind „ große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen.“ Manfred BUHR/Alfred KOSING „Kleines Wörterbuch der Marxistisch-Leninistischen Philosophie“ 5. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1981 S.174

„Große Menschengruppe“, stimmt. „Platz im System der Organisation der Arbeit“, nun, sie machen Arbeit immer billiger, aber auch immer teurer, wissen nicht so recht was sie wollen und schaffen damit Rechtsunsicherheit, indem sie (auch in einer Legislaturperiode) mal dies und das beschließen. Wobei „dies“ auch mal das ganze Gegenteil von „das“ sein darf. „Verhältnis zu den PM“ haben die meisten, sie sind Eigentümer. Zumindest wurden viele mit den Lappen (auch „Aktien“ genannt) bedacht, die Eigentum gewährleisten. „Art … und Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtums“ ist auch suspekt. Die Art und Größe ist leicht beschrieben, sie nehmen sich, wie viel sie glauben brauchen zu müssen. Dies Privileg haben nur unsere Politiker.

Aber nun zurück zu unserem guten (nunmehr Ex) Bundesbänker Sarrazin. Wie gesagt es geht eigentlich gar nicht um ihn, es geht vielmehr um die „Meinungsfreiheit“. Zu dieser „Meinungsfreiheit“ wurde viel gesagt und gestritten. Komischerweise ging es aber nur um Sarrazins Meinungsfreiheit, die angeblich stark eingeschränkt sei. Dabei konnten er und seine Mitstreiter ihre Meinung gefragt und ungefragt jedem mitteilen, auch dem, der sie nicht hören wollte.

Sarrazin hat seine Schuldigkeit getan. Nach außen sieht es nun so aus, als werde er geopfert. Aber ich denke, wir müssen uns um Thilo Sarrazin und seinen Lebensabend (im Gegensatz zu sehr vielen Rentnern) keine Sorgen machen. Er wird wahrscheinlich auch noch für manche Provokation gut sein, die Zeit hat er jetzt dazu. Wer aber jetzt glaubt, dass die Politik endlich das Integrationsproblem anpackt und auf die Reihe bringt, dürfte aufs falsche Pferd gesetzt haben. Wäre das tatsächlich so, würde ein wichtiger Pfeiler des imperialistischen „divide et impere“ wegfallen und die Bourgeoisie müsste sich etwas Neues suchen, um wieder Volksgruppen im Interesse ihrer eigenen Machtsicherung aufeinander hetzen zu können.

Zum Nachdenken sollten auch unbedingt folgende Äußerungen anregen:

Herr Bosbach: Wir sollten die „Sorgen der Menschen ernst nehmen.“ Frage an Herrn Bosbach: Sie sitzen seit dem Jahre 2002 im Bundestag. Was haben Sie bis jetzt ernst genommen? Ihre Diäten? Ihre Lobby?

Frau Göring-Eckardt: „Was müssen wir eigentlich tun in der Integrationsdebatte?“ Frage an Frau Göring-Eckardt: Sie sitzen seit 1998 im Bundestag und wissen immer noch nicht, was Sie in der Integrationsdebatte tun müssen? Dann wissen Sie wohl auch nicht, was Sie tun müssen um die Integration endlich voran zu bringen?

Herr Bolz: „Meinungsfreiheit ist Respekt vor Andersdenkenden.“ Herr Bolz meint damit den Respekt gegenüber Herrn Sarrazin, nicht etwa gegenüber der verunglimpften Mehrheit der Muslime in Deutschland. Deren Respekt geht Herrn Bolz am After vorbei.

Herr Bosbach: „Das mit den jüdischen Genen hat er selbst schon als Rieseneselei bezeichnet.“ Herr Bosbach, dann war der ganze Faschismus einschließlich II. Weltkrieg also nur eine „Rieseneselei“? Herrn Krupp von Bohlen und Halbach wird´s freuen, Herrn Stinnes und Herrn Röchling auch. Herr Quant und Herr Srtauß haben mit Sicherheit ihre Freude daran.

Herr Bolz: „Es steht nicht auf dem Spiel, ob Herr Sarrazin Rassist ist oder Nazi, sondern Meinungsfreiheit steht auf dem Spiel.“

So sieht das aus mit der „Meinungsfreiheit“ in Deutschland. Ultrarechtes Gedankengut (Euthanasie) darf wieder in Deutschland verbreitet werden und dafür wird noch Respekt eingefordert. Und das darf straffrei geschehen.

Grundgesetz Artikel 5 Absatz 2: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Diese gesetzlichen Bestimmungen sind unter anderem der §130 StGB, §§185-189 StGB. Aber wie die Sache ausschaut, wird keines der darin beschriebenen Delikte zu ahnden sein, da Herr Sarrazin ja „bloß seine Meinung sagte“. Und dafür dürfte er nach Meinung der Herrschende sowieso genug gestraft sein, da er jetzt, ohne Job und mit einer guten Abfindung und guten Pension gepolstert, genug Zeit hat, um noch was Holz nachzulegen.

Rot Front

Werner

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen