Sonntag, 16. Februar 2020

Wahlen in Aserbeidschan: Die Ergebnisse sind keineswegs überraschend. Wohl aber, dass die wachsenden sozialen Probleme erstmals auch bei den Wahlen eine wichtige Rolle spielten


protest gegen wahlfälschung in Aserbeidschan im Februar 2020„… Die Partei von Aserbaidschans autokratischem Dauerherrscher Ilham Alijew hat bei der Parlamentswahl – wieder einmal – einen überzeugenden Sieg hingelegt. Doch was der wert ist, wird sich erst noch zeigen. Auch dieses Mal wurde schamlos manipuliert, betrogen und gefälscht. Und das alles unter Einsatz des gesamten plumpen Instrumentariums, das bisher noch für jede Abstimmung seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 charakteristisch war. In der Vergangenheit konnten Alijew und sein Klan die Mehrheit der Menschen noch in Schach halten und durchregieren. Fragt sich, wie lange noch. Denn es beginnt sich, wenn auch langsam, etwas zu ändern in der Südkaukasusrepublik. Immer öfter entlädt sich der wachsende Unmut der Bevölkerung angesichts endemischer Korruption in den Kreisen der Herrschenden, Rechtlosigkeit und grassierender Armut in Protesten. (…) Klug genug zu wissen, dass ihre Chancen, gewählt zu werden, gleich null waren, haben diese Kandidaten dennoch ihre Chance vor allem im Wahlkampf genutzt. Von den staatlichen Medien komplett ignoriert, sind sie von Haus zu Haus gegangen und haben sich die Sorgen der Menschen angehört. Ihre Botschaft ist eindeutig: Seht her, wir stehen, auch wenn wir jetzt noch nicht zum Zuge kommen, für Veränderungen und damit für ein anderes Aserbaidschan….“ – aus dem Beitrag „Angezählter Autokrat“ von Barbara Oertel am 10. Februar 2020 in der taz online externer Link über die erneute „Wahl“, die dieses Mal eben auch ein anderes Echo hervorrief. Siehe dazu sechs weitere Beiträge über Repression und Wahlkampf, soziale Probleme – und die bundesdeutsche Unterstützung für das Regime in gleich zwei Varianten…
„Azerbaijani police violently break up post-election protest“ von Durna Safarova am 12. Februar 2020 im Eurasianet externer Link berichtet von den öffentlichen Protesten gegen den Wahlbetrug – und dem erwartbaren Polizeieinsatz dagegen, der vor allen Dingen vor den Büros der staatlichen Wahlkommission stattfand.
„Young Azerbaijani opposition candidates have a plan for that“ von Joshua Kucera am 07. Februar 2020 ebenfalls im Eurasianet externer Link handelt von einer wesentlichen Neuerung in diesem Wahlkampf: Von neuen Kandidaten und Kandidatinnen, die nicht mehr nur und ausschließlich die Korruption des Regimes anprangern, sondern mit alternativen politischen Stellungnahmen zu sozialen und ökologischen Problemen deutlich mehr Aufmerksamkeit erregten, als die traditionellen minderheitlichen Anti-Korruptions-Aktivisten. Dies wird in dem Beitrag anhand mehrerer Kampagnen kurz skizziert.
„Azerbaijan’s soaring food prices“ von Gulnur Kazimova am 03. Januar 2020 bei OC Media externer Link ist ein Beitrag über eines der sozialen Probleme, die auch in diesem Wahlkampf erstmalig eine Rolle spielten: Die steigenden Preise für Nahrungsmittel. Was etwa anhand der Verdoppelung des Tomatenpreises innerhalb des letzten Jahres deutlich gemacht wird. Wie auch eine ganze Reihe konkreter Veränderungen berichtet werden und verschiedene Standpunkte über die Ursachen dargestellt – wobei die „nicht eben durchsichtige“ Vergabe von Landrechten durch das Regime dabei immer auch Erwähnung findet.
„Unions unite to defend workers’ rights“ am 24. Oktober 2018 bei IndustriAll externer Link war ein Tagungsbericht aus der aserbeidschanischen Hauptstadt, an der Gewerkschaften aus verschiedenen Staaten der Region teilnahmen. Für alle diese Länder, eben einschließlich Aserbeidschan wurde immer wieder unterstrichen, dass soziale Probleme anwüchsen, nicht zuletzt wegen jeweils lokaler und internationaler „Interessenten“ an einem niedrigen Lohnniveau. Das dann ebenfalls überall „abgesichert“ werde durch verschiedenste Maßnahmen gegen gewerkschaftliche Rechte – und Verfolgung gewerkschaftlicher AktivistInnen.
„Die neue “Neue Ostpolitik”“ am 24. August 2018 bei German Foreign Policy externer Link meldete knapp zum damaligen Staatsbesuch der Kanzlerin: „… Der Besuch hat schon vorab für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, weil die autoritär herrschende aserbaidschanische Regierung einem CDU-Politiker aus der begleitenden Bundestagsdelegation die Einreise verweigerte. Berlin ist gegen den ungewöhnlichen Affront nicht vorgegangen – offenkundig, weil es sich von Baku Unterstützung bei wichtigen Projekten für die deutsche Energieversorgung erhofft und die Annäherung des Landes an Russland bremsen will. Laut Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums kommt Baku trotz eines OSZE-Waffenembargos auch als Empfänger deutscher Rüstungsexporte in Frage. Rheinmetall steckt bereits in entsprechenden Verhandlungen. Seit dem Amtsantritt des neuen Außenministers Heiko Maas (SPD) forciert Berlin eine selbst proklamierte “Neue Ostpolitik”, die mit verstärkten Kooperationsangeboten insbesondere an die Staaten des Südkaukasus einhergeht…“
„Korruption ist nicht nur autoritären Ländern inhärent; der Wert, der Strenz und Aliyev verbindet“ am 11. Februar 2020 bei de.indymedia externer Link über einen speziellen Aspekt deutscher Politikbeziehungen zum Regime in Aserbeidschan: „… Am 30.01.20 wurde die Immunität von Karin Strenz, die seit 2009 CDU-Bundestagsabgeordnete ist aufgehoben. Denn Strenz erhielt Gelder im großen Umfang vom aserbaidschanischen Präsident Ilham Aliyev; zum Zweck der Lobbyarbeit für das repressive Regime Aserbaidschan. Das ist kein Ausnahmefall. Das ist nur ein Fall, von dem berichtet wird. Karin Strenz ist bekannt für die Verteidigung des Ilham Aliyevs Familien-Klans. Seitdem die Familie des heutigen Präsidenten Ilham Aliyev Anfang der 90er-Jahre an die Macht kam, werden die elementaren Grundrechte wie das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Praxis rigoros beschnitten. Die Behörden gehen mit einer beispiellosen gewaltsamen Repressionswelle gegen Regimekritiker*innen vor. Immer wieder kommt es zu willkürlichen Festnahmen, politisch motivierten Prozessen sowie Misshandlungen und Folter von Inhaftierten. Unzählige Fällen von Aktivist*innen, Journalist*innen und Oppositionellen, die bedroht, brutal geschlagen und aufgrund konstruierter Anschuldigungen inhaftiert wurden, gehören zum Alltag. Trotz dieser Tatsache möchte z.B. Karin Strenz als Gegenleistung für ihren Lobbyismus die Sonderbehandlung durch aserbaidschanische Behörden genießen. Der repressive Präsident Aliyev will das Gesicht des Landes aufpolieren, indem er versucht, ein Netzwerk europäischen Politiker*innen in seinem Sinne agieren zu lassen. Diese Taktik von ihm ist längst bekannt und nennt sich Kaviar-Diplomatie. Angehörig zu diesem Netzwerk ist auch Karin Strenz. Strenz sitzt seit Jahren in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE).  Dieses Komitee überwacht die Einhaltung der Menschenrechte in Ländern wie Aserbaidschan. In der Tat interessiert sie sich für Aliyevs Familien-Clan, Menschenrechte tritt sie*er mit Füßen. Seit 2010, als Strenz zum ersten Mal an der Wahlbeobachtungsmission in Aserbaidschan teilnahm, ist sie*er viel nach Baku gereist und hat dabei oft deutsche Geschäftsleute mitgebracht...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162906

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen