Montag, 25. August 2014

Machtpoker um die Ukraine

Der Konflikt um die Ukraine zwischen den EU-Staaten und den USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite hat seine Wurzeln im Zusammenbruch und Zerfall der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der russische Präsidenten Wladimir Putin sah im Ende der Sowjetunion die »größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts«. In jedem Falle eröffnete der Kollaps des sozialistischen Lagers eine neue Runde des »Großen Spiels« um Einflusssphären zwischen den Weltmächten, wie wir sie seitdem erleben. Die deutsche Wiedervereinigung, die Zerschlagung Jugoslawiens in kleine Teilstaaten, die Integration des Baltikums und die geplante Ausweitung der Europäischen Union und der Nato bis hart an die Grenzen Russlands – all das bedeutet eine vollständige Revision der geopolitischen Konsequenzen des Zweiten Weltkriegs in Europa. Der Kiewer Maidan und »Donbass-Rossija« Der Protest des Kiewer Maidan hatte von Anfang an eine klare Stoßrichtung – auf die Europäische Union hin. Das im Raum stehende Assoziierungsabkommen mit der EU, dessen Unterzeichnung die Regierung Janukowitsch verweigert hatte, weckte vor allem im Westen der Ukraine die Hoffnung vieler Menschen, dass es nach Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs wieder aufwärts gehen würde. Es fiel auf, in welch starkem Maße der Protest auf dem Maidan fast von Anfang an zentral gesteuert wurde – herausragendes Sinnbild dafür war die sündhaft teure Bühne mitsamt ihrer professionellen Beschallungsanlage. Aber ebenso stand dafür das Dreigestirn aus neofaschistischer Partei Swoboda (»Freiheit«), der Vaterlands-Partei des Oligarchenklüngels um Julia Timoschenko und »Udar«-Partei von Witali Klitschko, die der CDU und der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament nahe steht. Deren Repräsentanten beherrschten in der internationalen öffentlichen Wahrnehmung die Bühne. Der Kontrast zu spontanen Volksaufständen, wie etwa in der »Arabellion«, konnte größer kaum sein. Die Massenproteste hatten gleichwohl selbständige Wurzeln in der wirtschaftlichen Misere der Ukraine, in der Wut der Lohnabhängigen auf die Oligarchen, korrupte Politiker und schlechte Zukunftsaussichten. Die innere Spaltung der Ukraine zwischen einem eher agrarisch orientierten Westen und dem industrialisierten Donbass im Osten wird verstärkt durch die Erinnerungen an die Kriegszeit, wo im Westen die ukrainischen Partisanen auch gegen die prosowjetischen ostukrainischen Partisanen und die Sowjettruppen kämpften. Viele Westukrainer zeigen sich an der EU interessiert, von der sie sich eine Perspektive für ein besseres Leben erhoffen. Sie sahen im Assoziierungsabkommen mit der EU, das Ende November 2013 unterzeichnet werden sollte, eine Perspektive für ein besseres Leben 1). Im Osten dagegen haben, so der FAZ-Korrespondent Konrad Schuller; »...Kiew die Leute hier nie vertraut und den Oligarchen wollen viele jetzt nicht mehr folgen – so bleibt als Fluchtpunkt nur Moskau. ‹Donbass-Rossija› ist deshalb am Wochenende der Schlachtruf des Tages gewesen.« (FAZ 12.03.2014) Die herrschenden Klassen der Ukraine konnten und können die Ressentiments in weiten Kreisen der Bevölkerung zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen. Allerdings hat sich gezeigt, dass es auch Risse im Block der Oligarchen gab und weiterhin gibt. Dabei ging es um die Profite aus dem Erdgasgeschäft mit Russland und aus den Weiterleitungsgebühren. Und heute sind die Oligarchen des Ostens in der Zwickmühle, dass sie eine Spaltung des Landes nicht wollen können, weil sie einerseits zu einer extremen Marktverengung für ihre Produkte führen würde und dass andererseits eine Integration in die EU die Industrie des Ostens mit ihrem geringen Innovationsniveau und mit Anpassungserfordernissen an die EU-Regeln und technischen Normen schnell überfordern könnte. Hinzu kommt, dass sich in der prorussischen Bevölkerung des Ostens ein »lange unterdrückter Zorn« gegen die postsowjetischen Multimillionäre, die Stahl- und Kohlebarone des Donezker Clans Luft macht. Die Oligarchen, die nun Miene machen, mit Kiew zusammen gehen zu wollen, werden nun verhasst. »Der lange eher diffuse Antiukrainismus des Ostens hat damit im neuen Hass gegen die milliardenschweren ‹Gangster› an der Spitze des Donezker Clans einen neuen Kristallisationspunkt gefunden. Beide Gefühle verstärken einander.« (12.03.2014) Gleichwohl sind auch im Osten des Landes viele Menschen gegen eine Spaltung der Ukraine, weil sie wissen, dass dies ihre Lage eher verschlechtern als verbessern würde. ... 13.04.2014 ■

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