Freitag, 28. September 2012

Neckermann wird "abgewickelt" - weitere 1.900 Beschäftigte vor der Entlassung

27.09.12 - Auch der drittgrößte deutsche Versandhändler Neckermann schließt seine Tore. Beim Unternehmensteil "neckermann.de" sollen dadurch 1.000 Beschäftigte, bei Neckermann Logistik 820 sowie bei Neckermann Contact in Heideloh 80 ihren Arbeitsplatz verlieren. Erst vor einer Woche hatte der zweitgrößte Versandhändler Otto einen konzernübergreifenden Stellenabbau angekündigt. Allein in Hamburg sollen dort 510 Jobs wegfallen. Am 19. Juli stellte Neckermann Insolvenzantrag. Der gegenwärtige Besitzer, der US-Finanzinvestor Sun Capital Partners, sah für seinen Plan, Neckermann zu einem reinen Online-Händler umzubauen, angesichts der weltmarktbeherrschenden Konkurrenz durch Amazon, Redcoon usw. sowie der Vernichtungsschlacht unter diesen Konzernen keine Chancen mehr. Auch für dieses Vorhaben sollte die Hälfte der Arbeitsplätze vernichtet werden. Ein Hintergrund ist neben der Umstellung des Versandhandels auf Online-Bestellung die stagnierende Kaufkraft der Massen aufgrund von jahrelangem Reallohnabbau, zunehmenden Niedriglöhnen, massenhafter Verarmung arbeitsloser Menschen durch Hartz IV sowie zuletzt auch wieder verstärkten Massenentlassungen wie bei Schlecker, NSN, Manroland, Solarfirmen usw. Josef Neckermann gründete 1950 das erste Versandhaus in Deutschland. Den Grundstock dafür bildete das Vermögen, das er während des Hitler-Faschismus durch die Enteignung jüdischer Kaufleute gemacht hatte. Mitte der 1970er Jahre waren rund 20.000 Menschen bei Neckermann beschäftigt. Neckermann geriet in diesen Jahren gegenüber den anderen großen Versandhändlern Quelle und Otto ins Hintertreffen. Ende der 1970er Jahre übernahm die Karstadt AG mehr als die Hälfte des Kapitals. Nach der Fusion wurden tausende Beschäftigte entlassen. Dann setzten sich in den letzten Jahrzehnten das Internet und moderne Online-Bestellmöglichkeiten durch. Eine zu späte Anpassung an den Internethandel wird offiziell als Hauptursache des Niedergangs von Quelle und Neckermann genannt. Tatsächlich konnte sich von den drei großen Versandhäusern der 1970er Jahre nur Otto auf dem Online-Markt behaupten. Karstadt versuchte durch einen Fusion mit Quelle zu Arcandor im Jahr 2000 dagegen zu halten. Auch dieser Konzept scheiterte. 2007 verkaufte Arcandor 51 Prozent der Neckermann-Anteile an den US-Finanzinvestor Sun Capital. 800 Arbeitsplätze wurden dabei vernichtet. 2009 wurde Quelle von Arcandor 2009 "abgewickelt", weitere rund 1.000 Beschäftigte ihren Job kostete. Nach der Arcandor-Pleite 2009 übernahm Sun Capital auch den Rest von Neckermann. Ende September läuft bei Neckermann nun das so genannte Insolvenzgeld aus, mit dem die Bundesagentur für Arbeit die Löhne und Gehälter der Beschäftigten bezahlt. Mit der vagen Hoffnung auf einen neuen Investor wurden sie wochenlang hingehalten. Viele der Beschäftigten haben über 20 Jahre bei Neckermann gearbeitet. Heute zwischen 45 und 55 Jahre alt, sehen sie für sich kaum eine Zukunft auf dem Arbeitsmarkt. Nach kapitalistischer Logik müssen sie erneut für den immer schärferen Konkurrenzkampf internationaler Konzerne ihren Kopf hinhalten. Es ist ein Widersinn, dass die Entwicklung eines auf der modernen Kommunikationstechnik basierenden Versandhandels, der flächendeckend schnell und flexibel Kundenwünsche bedienen kann, zu Lasten der Beschäftigten geht. Der Konzentrationsprozess des Versandhandels und die Zeit- und Arbeitsersparnis durch das Internet führen unter kapitalistischen Vorzeichen nur zu Arbeitsplatzvernichtung, Lohnsenkungen und verstärkter Arbeitshetze. Aber auch die Beratung der Kunden verschlechtert sich dabei. Dazu kommt durch die Zersplitterung der Belieferungen eine ungeheure Verkehrsbelastung für die Umwelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen