Freitag, 16. Juli 2010

Der Comandante Fidel Castro im Interview zur akuten Atomkriegsgefahr

FIDEL: „USA SPIELEN WEDER SAUBER NOCH SAGEN SIE DIE WAHRHEIT“

übersetzt von Jens-Torsten Bohlke, Brüssel

Havanna, 12. Juli 2010, Cubadebate. – „Die USA spielen weder ein sauberes Spiel noch sagen sie die Wahrheit“, so Fidel Castro auf einer außerordentlichen Pressekonferenz, welche vom kubanischen Fernsehen am vergangenen Montagabend übertragen und vom Journalisten Randy Alonso geleitet wurde.

Fidel schätzte umfassend die Lage im Mittleren Osten ein. Insbesondere die von den USA und Israel in ihrer feindseligen Politik gegen den Iran provozierte Krise. Dabei verwies er auch auf das Atomwaffenarsenal der internationalen Großmächte und die Versenkung der Cheonan aus der südkoreanischen Flotte, was der KVDR untergeschoben wurde.

Beim Hervorheben der Gefahr eines Krieges mit Einsatz von Atomwaffen, wovor Fidel in seinen regelmäßig zu Papier gebrachten Gedanken bereits sehr gewarnt hatte, bot der Comandante eine normal Reihe an Argumenten auf, kommentierte er die Meinungen von politischen Beobachtern der jüngsten Ereignisse im Mittleren Osten.

Auf der Pressekonferenz im Beisein des Intendanten des kubanischen Fernsehens, des Historikers Rolando Rodríguez, des Leiters des Zentrums zur Untersuchung der Weltwirtschaft Osvaldo Martínez und des Leiters des Nationalen Zentrums für Wissenschaftliche Untersuchungen und Arztes Dr. Carlos Gutiérrez erläuterte Fidel das gewaltige Waffenarsenal der Hauptmächte der Erde, angeführt von den USA. „Die Zahl der strategischen Sprengköpfe ist wahnsinnig“, erklärte er.

Die Angaben des Instituts für Friedensforschung in Stockholm (SIPRI), sagte Fidel, lassen keinen Zweifel daran, welche Gefahr über der Menschheit schwebt. Die Gesamtausgaben der USA für Rüstung betrugen 2009 eine Summe von 1531 Milliarden Dollar, was 49% mehr als im Jahr 2000 bedeutet.

Es ist nicht schwierig sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn nur ein Teil der Waffen zum Einsatz käme. Und „im Kongress (der USA) gibt es noch aggressivere Standpunkte als jene des Präsidenten“, fügte Fidel hinzu.

Die US-Militärausgaben sind ständig angestiegen. Fidel verwies darauf, dass der US-Verteidigungshaushalt von 316 Milliarden Dollar im Jahr 2001 auf 565 Milliarden Dollar im Jahr 2010 und somit in diesem Zeitraum um das 2,16-fache angestiegen ist.

„Die USA allein geben mehr für Rüstung aus als alle anderen Länder zusammen“, so Fidel. „Sie haben 2002 strategische Sprengköpfe und 500 nichtstrategische Sprengköpfe. Sie haben 2702 einsatzbereit stationiert. Demgegenüber hat Russland 2787 strategische Sprengköpfe und 2047 nichtstrategische Sprengköpfe. Zwischen beiden Ländern gibt es fast 7000 strategische Sprengköpfe. Diese Zahl ist wahnsinnig.“

ICH SEHE AUCH DIE GEFAHR EINES KRIEGES

Zu einer Bemerkung von Randy über die Gefahr eines möglichen Krieges im Mittleren Osten meinte Fidel: „Ich sehe auch voll und ganz die drohende Gefahr eines Krieges“, und er fügte hinzu: „Ich habe begonnen, über dieses Thema nach der Anschuldigung gegen die KVDR zu schreiben, als sie der KVDR die Versenkung des hochgerüsteten südkoreanischen Kriegsschiffes unterschoben. Jenes südkoreanische Kriegsschiff ist eines von den modernsten aus US-Produktion, gebaut mit besonderen Metallen und Materialien, die sie der KVDR nicht verkaufen.“

Er äußerte sich voll Ironie über die Anschuldigung gegen die KVDR, wonach die KVDR ein altes Torpedo aus den 50er Jahren benutzt haben soll. „Schau Dir das mal an! Ein altes Torpedo gegen dieses hochmoderne Kriegsschiff!“, rief Fidel aus.

Er erklärte, dass ein US-Beobachter eine logische Erklärung lieferte: „Südkorea machte ein militärisches Manöver mit seinem Verbündeten, den USA. Bei der Versenkung des südkoreanischen Kriegsschiffes kamen 46 Männer um ihr Leben (...) Dies ist das Schlimme an dieser Tatsache. Was Südkorea viel Arbeit bereitet, um diese Tat der USA zuzulassen. (...) Ein solches Schiff kann nur mit einer Mine gesprengt werden. Und genauso machten sie es.“

Fidel äußerte überzeugt, dass wenn diese Situation aus dem Ruder läuft, es zu einer ganz dramatischen Entwicklung käme. Er erinnerte an die Worte, die die Koreaner diesbezüglich verwendeten: „Es wird ein Meer voller Feuer und Feuerstöße geben.“ Er bemerkte, dass er „anfangs dachte, dass das Problem dort losgehen würde, weil damals der Beschluss (des UN-Sicherheitsrates) über den Iran noch nicht gefasst war“.

Als dieser Beschluss dann angenommen wurde, da „wurde es offenkundig, dass sie erst den Konflikt im Iran lostreten würden, und anschließend in Korea. Die am meisten Alarmierten angesichts dessen, was im Iran geschieht, sind die Menschen in der KVDR.“

DIE SCHWERSTE KRISE VON OBAMA

Fidel kommentierte die jüngsten Erklärungen des US-Politikwissenschaftlers Noam Chomsky. Chomsky hatte geäußert, die Position der USA zum Iran „ist die schwerste Krise der Außenpolitik, welcher sich die Obama-Administration gegenübersieht“.

„Iran ist der große Zankapfel“, so Fidel, „weil es sicher ist, dass sie den Iran nicht inspizieren können werden. Vor 31 Jahren entfesselten sie den Chemiewaffen-Krieg gegen die Revolution des Ayatollah Khomeini, die ohne Waffen den Schah von Persien gestürzt hatte. Die Iraner hatten keine Armee, sie hatten die Revolutionswächter“.

Fidel setzte hinzu: „Ahmadinedschad ist kein Behelfspräsident. Laut ihm selbst wird er da sein können oder nicht. Aber er ist kein Behelfspräsident. Eine Berechnung anzustellen, auf welcher Grundlage die Iraner schließlich loslaufen und die US-Amerikaner um Entschuldigung bitten werden, ist absurd“.

Fidel argumentierte: „Die Iraner haben sich 30 Jahre lang ständig vorbereitet. Mit einer industriellen Entwicklung, dem Erwerb von Flugzeugen, Radaren, Luftabwehrwaffen... Die Russen verpflichteten sich zur Lieferung der Luftabwehrraketen S-300. Aber sie verlangsamen dies und haben immer noch nicht an den Iran geliefert. Alle Flugzeuge, die die Iraner nur kaufen konnten, haben sie gekauft. Sie haben russische Waffen. Sie haben hunderte Raketenstellungen. Die iranische Armee hat ihre Teilstreitkräfte, die Luftwaffe, die Marine und die Landstreitkräfte. Die iranische Marine hat auch eigene Luftstreitkräfte und Marine-Infanteristen für Einsätze am Boden. An Soldaten haben allein die Revolutionsgarden über eine Million Mann. Es werden alle Menschen militärisch ausgebildet, und zwar im Alter von 12 bis 60 Jahren. Und es gibt dort 20 Millionen schiitische Muslime. Wer wird da mit jenem Feind sympathisieren, der ihm alles kaputtmachen will und dies darüber hinaus auch ihm offen erklärt?“

Fidel bekräftigt, dass auf alle Atommächte etwa 20.000 Atomwaffen entfallen. Und der Vorwand, den sie gegen den Iran benutzt haben, ist einfach lächerlich. „Das geschaffene Problem ist lächerlich. Und alle Beschlüsse (des UN-Sicherheitsrates) sind lächerlich. Das Risiko liegt darin, dass der Iran zwei Atomsprengköpfe in zwei oder drei Jahren entwickelt oder baut. Wo ist da die Logik? Das ganze große Problem steckt darin.“

Nach Meinung von Fidel ist die wahre Ursache „die Kontrolle, der Einfluss, welchen der Staat Israel auf die USA hat. Ein Land, welches in wenigen Jahren zur Atommacht geworden ist.“

Er erklärt, dass Kuba sehr gut die atomare Erfahrung kennt: „Wir haben das Risiko gehabt, dass sie uns angreifen. Als die Regierung von Reagan dran war, machten sie einen Kerntest im Meer. Auf einem Schiff. Wir sahen dies vorher, weil wir unsere Truppen nach Namibia reisen ließen.“

Über Israel „lieferten sie 14 Sprengköpfe an die Südafrikaner, für stärkere Bomben als die in Hiroshima und Nagasaki von ihnen abgeworfenen. Diese Tatsache ist nicht neu. Wir hatten dort (in Angola) rund 60.000 Mann auf dem Vormarsch. Und schon erlebten wir das Risiko einer Erfahrung mit Kernwaffen.“

Er erinnerte an den Moment, an welchem die Sowjetunion ihre Atomwaffen in Kuba aufstellte. „Was uns erst mal nicht gefiel. Denn als wir diese Revolution machten, rechneten wir auf keinerlei Bündnis mit der UdSSR“. Dieses Bündnis „kam uns sehr gelegen. Denn sie (die USA) nahmen uns das Öl, sie (die UdSSR) lieferte es uns. Wir reden davon derzeit nicht, ohne eine Erfahrung durchlebt zu haben: wir durchlebten sie 1962 und 1970 und sehr oft bei einem internationalistischen Einsatz. Und wir ergreifen alle Maßnahmen: Wir verschanzen uns immer besser unter der Erde. Wir konnten nicht auf einen Zufall warten. Es wurde alles bestätigt. Und nicht mal Mandela weiß, was sie mit jenen Kernwaffen machten. Ich habe ihn gefragt: 'Das weiß man nicht', sagte er. Sie wurden mitgenommen. Sie haben nie ein sauberes Spiel gespielt“.

„Kann damit gespielt werden?“ Fidel fügt hinzu: „Wenn du von der Hypothese sprichst, wirst du niemanden überzeugen. Man muss nicht dramatisieren, weil die Tatsachen an sich schon dramatisch sind.“

Der Comandante legte eine neue Einschätzung über diese für die Menschheit gefährlichen Ereignisse in seinen verfassten Gedanken vor, die Cubadebate am Sonntagabend veröffentlichte.

Quelle: http://www.cubadebate.cu/

Fotos: Alex Castro

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