Samstag, 24. August 2019

Italien: Zur Krise der Populisten-Regierung



Von A. Rossi, Herausgeber von „Scintilla“, der Zeitung unserer Bruderorganisation in Italien


Der ultrareaktionäre Anführer der Partei Lega, Innenminister Salvini, löste im August die Regierungskrise aus. Als Vorwand diente ihm die Parlamentsabstimmung über das Projekt TAV(Hochgeschwindigkeitszug), bei der die 5-Sterne-Bewegung (5SM), die noch die Mehrheit in der Regierung hat, gegen die Lega stimmte, vor allem um das eigene Gesicht zu wahren angesichts ihres ständigen Scheiterns.
Die Krise wurde lange vorhergesagt. Seit 14 Monaten kennzeichnen ständige Polemiken, Querelen, Zusammenstöße, Beleidigungen, Intrigen und Nadelstiche zwischen den beiden populistischen Parteien die 5SM-Lega-Regierung.
In den Konflikten um den TAV, um die „differenzierte regionale Autonomie“, um die Einheitssteuer, um die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten wurde der schroffe Gegensatz der Interessen zwischen den verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums in Nord- bzw. Süditalien deutlich, der zwei auseinanderdriftenden Regionen.
Nach den Europawahlen, die eine Umkehr der Machtbalance zwischen 5SM und Lega offenbarten, herrschte allgemein die Erwartung, dass Salvini bei erstbester Gelegenheit den Knoten platzen lassen würde.
Die „Geschäfte“ zwischen Lega und Russland – eine Korruptionsstory, in die Mitarbeiter Salvinis involviert sind – trugen zur Beschleunigung der Krise bei.
Aber im Wesentlichen löste sich die Regierungsmehrheit auf Grund ihrer inneren Widersprüche auf. Die „gelb-grüne“ Koalition ist nie wirklich zustande gekommen. Sie war lediglich ein privates Bündnis, schon gegenstandslos, bevor noch die Tinte trocken war.
Salvini sprengte die Regierung, um zu vermeiden, für das ins Haus stehende bedrohliche Haushaltspaket verantwortlich gemacht zu werden. Nur so kann er im Wahlkampf seine soziale Demagogie, den Chauvinismus, seine Fremdenhetze, seine schändlichen Lügen fortführen, um im Interesse der Reichsten die Zustimmung der Ärmsten zu erschleichen.
Schon bald werden wir wissen, ob es im Herbst vorgezogene Neuwahlen gibt. Das würden dann recht besondere Wahlen: Eine Art Referendum über uneingeschränkte Regierungsgewalt für Salvini, zumal der selbst, im Dienste der reaktionärsten und kriegslüsternsten Teile des Monopolkapitals, ein autoritäres Regime fordert.
Ein Regime, das, gestützt auf eine breite Parlamentsmehrheit, Sofortmaßnahmen ergreift zugunsten der Profite, zum weiteren Ausbau des rassistischen Polizeistaats, den Salvini aufzubauen begann mit seinen die Freiheitsrechte in Frage stellenden „Sicherheitsdekreten“, und um Italien vor Trumps Kriegswagen zu spannen.
Der finstere Führer der Lega hat heute die Chance, das zu tun, begünstigt durch die Unfähigkeit und Mittäterschaft von 5SM sowie durch die inneren Kämpfe der liberal-reformistischen Demokratischen Partei. Letztere beiden Parteien vertuschen den Klassencharakter der Lega. Sie wollen die Arbeiterklasse nicht gegen die reaktionäre Gefahr mobilisieren.
Vor diesem Hintergrund – sollte es zu diesem speziellen Referendum über Salvinis Ermächtigung kommen – werden die Arbeiter, die erwerbslose und prekär beschäftigte Jugend, die unterdrückten Frauen, die Minimalrentenbezieher ihre eigene Antwort geben und dem reaktionären Projekt Salvinis den Weg versperren, so wie sie vor drei Jahren Renzi sein reaktionäres Projekt verweigerten.
Es ist freilich genauso möglich, das die Pro-EU-Fraktion der Bourgeoisie mit Hilfe Mazzarellas, des Republikpräsidenten, und der Führer der Gewerkschaftsbürokratie, erfolgreich eine „institutionelle Regierung“ installieren, um die Austeritätspolitik weiterzutreiben, mit der Rechtfertigung, so eine drastische Mehrwertsteuererhöhung zu vermeiden – mit der Folge, dass so der Weg geebnet wird für eine extrem rechte Nachfolgeregierung.
In den nächsten Monaten wird das politische Fieber immer weiter steigen, während die unvermeidliche Abkühlung der Wirtschaft die Lage Italiens weiter erschweren wird, wo schon jetzt hunderte von Unternehmen unlösbar in der Krise stecken.
Das Debakel des italienischen Imperialismus wird die neue Regierung, wer auch immer sie sei, zu neuen, harten Maßnahmen gegen die arbeitende Klasse und die Masse des Volkes zwingen, die ihrerseits mit regionalen wie landesweiten Demonstrationen und Streiks die Initiative zurückgewinnen müssen.
In ihrem Kampf gegen alte und neue Parteien der Bourgeoisie muss die arbeitende Klasse ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen und zur Verteidigung der eigenen Interessen sofort wie auch in Zukunft mobil machen gegen die Offensive des Kapitals, gegen die politische Reaktion und gegen die Kriegsgefahr.
Unsere einzige reale Stärke ist die Einheit der Klasse. Der einzige Ausweg aus dieser Lage ist der Kampf um eine wirkliche Regierung der Arbeiterinnen und Arbeiter.
13. August 2019,
A. Rossi, Herausgeber von „Scintilla“

https://www.arbeit-zukunft.de/2019/08/15/italien-zur-krise-der-populisten-regierung/ 

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