Montag, 5. August 2019

Ein Künstlerkollektiv kämpft um Freiraum in der Landsberger Allee 54 in Friedrichshain, der Investor will sanieren

Erst Freiraum, dann Betongold

 

Die alte Brauerei steht wieder leer. Bereits vor sieben Jahren wurde der Künstlerverein »LA54« aus dem alten Brauereigelände in der Landsberger Allee geworfen. Seitdem ist das Gelände unbewohnt. Die Besitzer wechselten und die Künstler führten mehrere Besetzungen durch, um darauf aufmerksam zu machen. Bis zum 2. Juli dieses Jahres betrieben sie die Trinkhalle als einen freien Kulturraum, bauten mit eigenen Mitteln drei Unterkünfte für Wohnungslose, installierten dafür jeweils Waschbecken und bereiteten die Zimmer mit Betten, Teppichen und Lampen auf.
Dann stand die Polizei vor der Tür und verlangte, die Räume zu verlassen. Als Gustav Kleinschmidt, Pressesprecher des Kollektivs, ihnen einen Mietvertrag vorzeigte und sie nach einem Räumungsbeschluss fragt, wird ihm laut eigener Aussage nur entgegengehalten: »Wir sind nicht hier, um über Gesetze zu diskutieren.«
Der Besitzer, die Patzenhofer GmbH, hatte die Räumung bei der Polizei veranlasst. Sie will sanieren. Dazu ist sie in Gesprächen mit der Verwaltung, wie aus einer Anfrage des grünen Kulturausschussmitglieds Werner Heck aus Friedrichshain-Kreuzberg an seinen Parteikollegen und Bezirksstadtrat, Florian Schmidt, vom Juni 2019 hervorgeht. Hier heißt es: »Der Eigentümer hat folgende Nutzungsvorstellungen: verschiedene Büronutzungen, Ateliers, Coworking, Galerien, Showrooms, Gastronomie, Eventflächen, Sport/Yogastudio, Kulturraum, Hotel, Bording House, Serviced-Apartments.«
Noch im Herbst sollen die konkreten Planungen anlaufen, sagt Michael Alert. Er ist Projektleiter der Investa, Mutterkonzern der Patzenhofer, für die Landsberger Allee 54. Das Gelände werde gemäß bestehendem Vorhaben- und Erschließungsplan des Senats entwickelt. Für das alte Brauereigelände sehe dieses ein innerstädtisches Kerngebiet »MK 2« mit gewerblicher Nutzung vor, sagt er.
 Dass die Künstler auf einen Mietvertrag pochen? Die Investa habe das Grundstück vor rund zwei Jahren frei von jeglichen Lasten rechtmäßig erworben. Es bestehe keinerlei Mietvertrag auf der Liegenschaft, auch nicht mit den Künstlern, sagt Alert. Die Räumung sei gemeinsam mit der Polizei abgesprochen worden, nachdem der eigene Sicherheitsdienst auf dem Gelände unbefugte Personen gesehen habe. Er spricht wie die Polizei von Hausfriedensbruch, aber auch der Sicherheit der Anwesenden. Die denkmalgeschützten Gebäude seien stark baufällig, in Teilen einsturzgefährdet. Das würden Gutachten zeigen, die die Investa und Vorbesitzer anfertigten.
Die Künstler fordern dagegen, die Räumung rückgängig zu machen. Dabei hoffen sie auch auf die Politik. Werner Heck sagt: »Ganz sicher werden wir die Künstler*innen der LA54 weiterhin unterstützen. Doch leider sind die Möglichkeiten von Seiten des Bezirks sehr begrenzt.« Da das Gebäude unter das Gewerbemietrecht fällt, habe der Bezirk quasi keine rechtlichen Möglichkeiten, sondern könne nur versuchen, mit Appellen und Briefen an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Milieuschutz greift nur bei Mietshäusern. Heck fordert deshalb: »Wir müssen auf allen Ebenen darauf hinwirken, dass der Bund das Gewerbemietrecht reformiert. Ich finde, dass allgemeinwohlorientiertes Gewerbe wie Kitas, Ateliers oder auch Kleingeschäfte, die für den Kiez von Bedeutung sind, davon ausgenommen sein sollten - oder auch für diese die Instrumente des Milieuschutzes angewendet werden können.« Bringt die Investa einen Bebauungsplan ins Spiel, dürfte immerhin die Bezirksversammlung darüber abstimmen.
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Die Künstler der »LA54« verstehen sich kritisch. Sie haben Ausstellungen konzipiert, Raum für Workshops und Diskussion geschaffen. Der britische Künstler Silas Parry etwa fragte in seiner Schau: How much longer? (deutsch: wie lange noch?) - und verwickelte dafür sechs mal sechs Meter hohe Ballons mit Fallschirmen, die Luftblasen symbolisieren sollen. Eine Metapher für die Sinnlosigkeit von Zeit und Raum und Leerstand.
Wie geht es weiter? Laut der mündlichen Anfrage an Stadtrat Schmidt haben die Eigentümer angekündigt, auch eine nichtkommerzielle Nutzung in ihr Konzept aufzunehmen. In der Drucksache schreibt Schmidt: »Zugleich habe ich darauf hingewiesen, dass ich einen zum Beispiel zehn Prozent Anteil von dauerhaft nichtkommerziellen Nutzungen für dringend geboten halte, da Freiräume für Kunst und Kultur zunehmend verloren gingen, zum Schaden des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der kulturellen Vielfalt und Produktivität des Bezirks.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123867.mietenwahnsinn-erst-freiraum-dann-betongold.html

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