Montag, 5. August 2019

Dorndorf Bergarbeiterrevue im Kali-Revier: Begeisterung, Rührung und viele neue Erkenntnisse


Heute wurde die Revue „Der große Bergarbeiterstreik von 1997“ zum zweiten Mal in Deutschland aufgeführt – in Dorndorf, mitten im hessisch-thüringischen Kalirevier.
Von ms
Bergarbeiterrevue im Kali-Revier: Begeisterung, Rührung und viele neue Erkenntnisse
Wissbegierige Fragen an Moderator Stefan Engel (Foto: RF)
Lea Weinmann und Tassilo Timm vom Internationalistischen Bündnis dazu bei ihrer Begrüßung der rund 500 Besucherinnen und Besucher: „Diese Veranstaltung soll zur Vereinigung der Arbeiter in Ost und West beitragen. Die Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF hat diese Revue erstmals im letzten Jahr in Gelsenkirchen aufgeführt. Nun hier im mittlerweile größten Untertagebergbau-Gebiet Deutschlands.

Es wird oft so getan, als hätten die Arbeiter in Ost und West unterschiedliche Interessen. Wir sind aber nicht in erster Linie Wessis und Ossis, sondern Arbeiter - und haben die gleichen Interessen. Deshalb müssen wir zusammenhalten und gemeinsam kämpfen ... so wie beim Kampf der Bischofferoder Kali-Kumpel, deren Losung 1993 war: 'Um uns selber müssen wir uns selber kümmern'."

Sie bedankten sich auch ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Dorndorf und dafür, dass sie den geschichtsträchtigen ehemaligen Kultursaal aus DDR-Zeiten für die Veranstaltung zur Verfügung stellte.

Kampf von Bischofferode noch gut in Erinnerung

4.400 Kumpel sind heute bei Kali und Salz (K+S) beschäftigt, dem weltweit größten Kali-Monopol. Der Kampf in Bischofferode ist vielen noch gut in Erinnerung. Was aber damals in den Medien totgeschweigen wurde, erzählte ein anderer Kumpel bei einem Besuch vor der Veranstaltung: „1992, als wir nur noch 8.000 waren, sind auch wir dreimal nach Bonn gefahren.“

Sein Kumpel interessierte sich brennend, warum Jugendliche und Kinder sich mit den Kämpfen der Bergarbeiter von damals befassen, kaufte ein Programm der MLPD und eine Eintrittskarte für die Veranstaltung.

"Singt noch mal das Steigerlied"

Im benachbarten Vacha war gestern der Ruhrchor bei einem Mobilisierungseinsatz dabei. Ein Teilnehmer berichtet: „Wir machten einen Umzug durch Straßen und Wohngebiete mit kurzen Ansprachen zur Einladung für die Revue. Der Ruhrchor sang auch traditionelle Lieder wie das 'Steigerlied'. Es entwickelte sich ein kleines Wunschkonzert, weil immer wieder Leute rauskamen und baten: 'Singt noch mal das Steigerlied!'

Herzlich empfangen wurden wir heute im Besucherbergwerk in Trusetal. Der Leiter entschuldigte sich: 'Ich muss heute um 15 Uhr nach Dorndorf, zusammen mit meinem Kumpel will ich zur Revue. Und grüßt die Rotfüchse, die vor kurzem hier zu Besuch waren.'“

Das zeigt: der Bergbau ist in Deutschland noch lange nicht zu Grabe getragen. Und noch weniger die kämpferische Bergbau-Tradition, deren Erfahrungen heute und morgen für die Arbeiterbewegung von großer Bedeutung sind. Das wurde auch bei der heutigen Aufführung spürbar.

Jede Minute spannend

Trotz der dreistündigen Aufführung ist jede Minute spannend. Mit zahlreichen Aussagen von Zeitzeugen des großen selbstständigen Kampfs der Kumpel im Revier, mit Liedern, Tondokumenten, Videos, Fotos und den Fragen von Kindern und Jugendlichen an den Moderator Stefan Engel. Er tritt bei der Landtagswahl in Thüringen als Direktkandidat für die Internationalistische Liste / MLPD im Wartburgkreis an (hier liegt ein großer Teil des thüringischen Kali-Reviers). Er ist auch einer der Initiatoren der Revue und ständiger Berater der Bergleute im Ruhrgebiet. Nicht zuletzt als öffentlicher Sprecher der Bergarbeiterzeitung Vortrieb.

Vorbereitet wurde die Revue dieses Mal auf dem Sommercamp von REBELL und ROTFÜCHSEN. Dort entstanden Requisiten wie ein Förderturm, wurden die Schauspielrollen, die Liedbeiträge und die Tontechnik einstudiert – unter Anleitung fachkundiger Arbeiter, Tontechniker, Chorleiter, Schauspieler und Regisseure.

Lehren für die ganze Arbeiterbewegung

Sie alle machten gemeinsam den selbstständigen Streik der 100.000 Kumpels aus dem Ruhrgebiet und Saarland lebendig. Wie er sich - auf der Grundlage vieler vertrauensbildender Erfahrungen, Auseinandersetzungen, der Verarbeitung von Siegen und Niederlagen - nach dem Streikaufruf des Vortrieb in Windeseile von der Zeche Hugo in Gelsenkirchen auf alle Zechen ausbreitete. Das hatten Motorradkuriere der Hugo-Kumpel mit den Belegschaften der anderen Zechen zuvor vereinbart.

Deutlich wurde aber auch, wie sich die Gewerkschaft in dieser Situation zur Kampforganisation entwickelte - gegen den Willen der rechten Gewerkschaftsführung. Und wie daraus ein politischer Massenstreik mit radikalen Kampfformen entstand, in dessen Mittelpunkt immer mehr der Kampf gegen die verhasste Kohl-Regierung rückte. Sie musste schließlich den Beschluss zur vorzeitigen Stilllegung der Zechen zurücknehmen – ein krachende Niederlage für ihre arbeiterfeindliche Politik.

Das Publikum war jung und international zusammengesetzt. Dabei waren erfahrende Bergleute sowohl aus dem Ruhrgebiel als auch aus der Kali-Region, aber auch Arbeiter verschiedenster anderer Branchen mit ihren Familien. Mit den wissbegierigen Fragen der Jugendlichen, Schüler und Azubis sowie der kenntnisreichen und einfühlsamen Moderation von Stefan Engel wurde der Abend zu einem begeisternden und kulturvollen Lehrstück für alle Besucher.

Am 7. September wird die Bergarbeiterrevue in Stuttgart aufgeführt

Dokumentation und Bücher zu Lehren aus dem Kampf der Bergarbeiter

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